3Ob108/22m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F* Privatstiftung, *, vertreten durch Gesswein-Spiessberger Traxler Rechtsanwälte GmbH Co KG in Altmünster, gegen die beklagte Partei F* GmbH, *, vertreten durch Wetzl Partner Rechtsanwälte GmbH in Steyr, und ihre Nebenintervenientinnen 1. b* AG in Liquidation, *, vertreten durch Eckert Nittmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. F* GmbH, *, vertreten durch Nemetschke Huber Koloseus Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. R* eGen, *, vertreten durch Saxinger, Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung, Einwilligung und Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 26. April 2022, GZ 21 R 89/22w 40, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Ein Überbau (Superädifikat) iSd § 435 ABGB liegt vor, wenn auf fremdem Grund ein Bauwerk in der Absicht aufgeführt wird, dass es nicht stets darauf bleiben soll. Das Fehlen der Belassungsabsicht muss äußerlich erkennbar sein. Die maßgebliche Absicht tritt im Allgemeinen durch das äußere Erscheinungsbild des Bauwerks hervor. Sie kann aber auch aus anderen Umständen erschlossen werden, zum Beispiel aus den Rechtsverhältnissen, die zwischen dem Grundeigentümer und dem Erbauer bestehen (RS0011252; vgl auch RS0015107). Entscheidend ist die Belassungsabsicht des Erbauers im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes (RS0009939 [T3]). Der originäre Eigentumserwerb am Bauwerk erfolgt durch die Bauführung, wobei auch eine solide Bauweise der Beurteilung eines Gebäudes als Superädifikat nicht entgegensteht (RS0011245). Es kann also auch ein – wie hier – fest gemauertes und nicht ohne Zerstörung der Substanz wieder entfernbares Bauwerk ein Überbau sein (RS0011243).
[2] 2. Bei Errichtung eines Bauwerks aufgrund eines zeitlich beschränkten Grundbenutzungsrechts liegt ein Superädifikat vor. Die Vereinbarung des „Heimfalls“ des Gebäudes an den Grundeigentümer nach Ablauf des zeitlich beschränkten Grundnutzungsrechts ändert nichts daran, dass für den Erbauer nicht die Absicht besteht, das Gebäude für dessen wirtschaftlich zu erwartende Lebensdauer zu gebrauchen (RS0009934). Aber auch der Abschluss eines unbefristeten Bestandvertrags schließt nach der jüngeren Rechtsprechung die Begründung eines Superädifikats nicht zwingend aus; entscheidend ist vielmehr auch in diesem Fall das Fehlen der Absicht, das Bauwerk stets – also für seine gesamte natürliche Lebensdauer – auf fremdem Grund zu belassen (5 Ob 116/21a mwN).
[3] 3. Die Rechtsvorgänger der Klägerin verzichteten in dem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrag über die damals noch unbebaute Liegenschaft gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten für die Dauer von 30 Jahren auf die Ausübung des Kündigungsrechts. Sie anerkannten ausdrücklich das Eigentum der Bestandnehmerin an dem von ihr noch auszuführenden Superädifikat und räumten ihr das Recht ein, dieses Gebäude als solches auf Zeit gemäß den Bestimmungen des UHG zu belasten oder an dritte Personen zu veräußern. Weiters wurde vereinbart, dass im Fall der vorzeitigen Beendigung des Bestandverhältnisses aus Verschulden der Bestandnehmerin sowie „bei vertragsgemäßem Ende nach 30 Jahren“ das Eigentum an den zu errichtenden Baulichkeiten auf die Bestandgeber übergehe und die Bestandnehmerin zur lastenfreien Übergabe des Superädifikats an die Vermieter verpflichtet sei. Ausgehend von diesem Sachverhalt haben die Vorinstanzen ihren durch die vorliegende Rechtsprechung eröffneten Beurteilungsspielraum nicht überschritten, indem sie die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf der Liegenschaft errichtete Verkaufs und Lagerhalle als Superädifikat werteten. Der Umstand, dass die Vertragsparteien damals der irrigen Auffassung waren, das Mietverhältnis unterliege nicht den Kündigungsschutzbestimmungen des MRG, spricht nicht gegen, sondern für das Vorliegen eines Superädifikats.