3Ob91/22m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Dr. Beate Schauer, Rechtsanwältin in Bruck an der Leitha, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 30. März 2022, GZ 13 R 43/22d 50, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1 Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt (RS0070303; vgl auch RS0067678). Grundsätzlich ist auf das Gesamtverhalten Bedacht zu nehmen (RS0070303 [T12; T14]; RS0070321). A uch einmalige Vorfälle können den Kündigungsgrund verwirklichen, wenn sie derart schwerwiegend sind, dass sie das Maß des Zumutbaren überschreiten und objektiv geeignet erscheinen, auch nur einem Hausbewohner das Zusammenleben zu verleiden (RS0070303 [T2]). Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG setzt regelmäßig kein Verschulden des Mieters voraus (RS0070243).
[2] 1.2 Der Frage, ob es sich bei einem konkreten Verhalten um ein unleidliches Verhalten nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG handelt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu, sofern nicht der gesetzliche Ermessensspielraum überschritten wurde (RS0042984 [T4]) oder eine auffallende und im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RS0042984 [T5; T6; T8]). Dies ist hier nicht der Fall.
[3] 2.1 Nach den Feststellungen kommt es seit mehreren Jahren regelmäßig zu erheblichen Belästigungen der Nachbarn auf der Stiege der Wohnung der Beklagten in unterschiedlicher Intensität und Frequenz, die insbesondere durch laut ausgetragene Streitigkeiten zwischen der Beklagten und dem bei ihr wohnenden Sohn erfolgen, wobei die massive Lärmbelästigung durch Schreien und Klopfen des Sohnes der Beklagten die Nachbarn immer wieder nachts (zu näher festgestellten Uhrzeiten) aufweckte und sie teilweise dazu veranlasste, die Polizei zu verständigen. Außerdem beschimpfte der Sohn der Beklagten grundlos bestimmte Nachbarn. Wenn die Beklagte argumentiert, die Beschimpfungen hätten „durchaus auch auf Gegenseitigkeit“ beruht, so entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und ist nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043312 [T4; T14]; RS0043603 [T8]). Gleiches gilt für die Behauptung, die festgestellten Störungen würden „nach ihrer Art das zu duldende Ausmaß“ nicht übersteigen, denn davon kann bei den zahlreichen, seit Jahren regelmäßig vom Bestandobjekt ausgehenden nächtlichen Ruhestörungen nicht die Rede sein. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin das Verhalten des Sohnes der Mieterin „über mehrere Jahre toleriert“ hätte, lassen sich dem Sachverhalt ebenfalls nicht entnehmen.
[4] 2.2 Fest steht, dass zwischen den Nachbarn auf der Stiege, auf der sich die aufgekündigte Wohnung befindet, „kein rauer Umgangston“ herrscht, bei dem derartige (näher festgestellte) Beschimpfungen, wie sie der Sohn der Beklagten grundlos gegenüber bestimmten Nachbarn äußerte, üblich wären. Daher ist auch die Behauptung, mit den unmittelbar oberhalb der Beklagten wohnenden Nachbarn herrsche „sichtlich ein äußerst rauer und unfreundlicher Umgangston“ feststellungsfremd und unbeachtlich (vgl RS0043312 [T3]).
[5] 2.3 Zum Konflikt mit den oberhalb der Wohnung der Beklagten wohnenden Nachbarn steht fest, dass die vom Sohn der Beklagten behauptete erhebliche Lärmbelästigung durch eine Klimaanlage nicht besteht, weil diese Nachbarn keine solche Anlage haben, sondern nur in den Sommermonaten und auch nur tagsüber mobile Klimageräte verwenden. Soweit die Revision meint, es habe sich im Verfahren gezeigt, dass die Beklagte und ihr Sohn bereits seit Jahren einer unzumutbaren Lärmbelästigung ausgesetzt und provoziert worden seien, versucht sie in Wahrheit, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Tatsachenfeststellungen zu bekämpfen. Der Oberste Gerichtshof ist aber nur Rechts und nicht Tatsacheninstanz (vgl RS0002399 [T2]; RS0069246 [T1] ua).
[6] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).