4Ob2/22f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Dr. Nowotny und Hon. Prof. PD Dr. Rassi sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* OG, *, gegen die beklagte Partei S* T*, vertreten durch DAX WUTZLHOFER UND PARTNER RECHTSANWÄLTE GMBH in Oberwart, wegen 7.950,81 EUR sA, über den „Rekurs“ der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 25. November 2021, GZ 13 R 174/21t, 13 R 180/21z, 13 R 181/21x-27, womit die Rekurse der klagenden Partei gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Oberwart vom 20. August 2021, GZ 5 C 95/21i 15, und vom 23. August 2021, GZ 5 C 95/21i 17, zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird im Umfang der Zurückweisung der Rekurse hinsichtlich des jeweiligen Eventualbegehrens zum angestrebten Auftrag auf Fortsetzung des Verfahrens und zur Anberaumung eines Ersatzverhandlungstermins aufgehoben und dem Rekursgericht insoweit die inhaltliche Entscheidung über den Rekurs aufgetragen.
Im Übrigen wird die Entscheidung bestätigt.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.
Text
Begründung:
[1] Im seit April 2021 anhängigen Verfahren wurde am 15. Juni 2021 die (zweite) Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung (im Einvernehmen mit den Streitteilen) zunächst auf den 23. August 2021 anberaumt. Das Erstgericht verlegte mit Beschluss vom 8. Juli 2021 diesen Termin auf den 26. August 2021 (Beginn 11:00 Uhr).
[2] In seinem am 19. August 2021 eingebrachten Schriftsatz ersuchte der Beklagte , diesen Termin zu verlegen. Er begründete dies mit dem Wunsch der Beklagtenvertreterin, weil sich sämtliche Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei am 25. August 2021 auf Kanzleiklausur befänden und zu einem gemeinsamen Abendessen in Eisenstadt zusammenkämen. Diese Klausur dauere erfahrungsgemäß bis nach Mitternacht, weil sich insbesondere die Juristen austauschen würden. Ein Großteil der Mitarbeiter würde dann in Eisenstadt nächtigen und ein gemeinsames Frühstück einnehmen. Es sei in Anbetracht der jährlichen Einmaligkeit nicht erwünscht, dass der verhandlungsführende Rechtsanwaltsanwärter die Kanzleiklausur wegen der anberaumten Tagsatzung vorzeitig verlassen müsse.
[3] In ihrer Äußerung sprach sich die klagende Partei gegen die Vertagung aus. Es sei dem Parteienvertreter des Beklagten zumutbar, seine Teilnahme an der „Kanzleiklausur“ in Eisenstadt am Vorabend eines Verhandlungstermins so einzurichten, dass er die Tagsatzung um 11:00 Uhr des darauffolgenden Tages in Oberwart „unbeeinträchtigt“ verrichten könne.
[4] Das Erstgericht verlegte mit Beschluss vom 20. August 2021 die Tagsatzung auf den 4. Oktober 2021. Es wies darauf hin, dass eine Verlegung auf einen früheren Termin urlaubsbedingt nicht möglich gewesen wäre.
[5] Mit ihrem Rekurs vom 23. August 2021 strebte die klagende Partei die Zurückweisung bzw Verwerfung der Vertagungsbitte an. Hilfsweise wurde für den Fall, dass die Rekursentscheidung nicht mehr rechtzeitig vor dem ursprünglichen Verhandlungstermin am 26. August 2021 ergeht, beantragt, die Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht die amtswegige Anberaumung eines Ersatzverhandlungstermins aufzutragen.
[6] Aufgrund dieses Rekurses beraumte das Erstgericht mit Beschluss vom 23. August 2021 die Tagsatzung am 4. Oktober 2021 (ohne Ersatztermin) ab. Als Begründung führte es „Rekurs der klagenden Partei“ an.
[7] Dagegen erhob die klagende Partei einen weiteren Rekurs. Darin begehrte sie die Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Hilfsweise wurde für den Fall, dass die Rekursentscheidung nicht mehr rechtzeitig vor dem Termin am 4. Oktober 2021 ergeht, beantragt, die Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht die amtswegige Anberaumung eines Ersatzverhandlungstermins aufzutragen.
[8] Beim Rekursgericht langten die Akten mit den Rechtsmitteln am 26. August 2021 bzw am 3. September 2021 ein. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25. November 2021 wies das Rekursgericht die Rekurse des Klägers gegen die beiden Beschlüsse des Erstgerichts wegen des nachträglichen Wegfalls der Beschwer zurück. Beide Termine für die Tagsatzungen seien zum Zeitpunkt der Rekursentscheidung bereits verstrichen.
[9] Nach Rückleitung des Aktes durch den Obersten Gerichtshof (vgl 4 Ob 2/22f, Beschluss vom 25. Jänner 2022) ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, inwieweit ein Rekurswerber (gemeint offensichtlich:) beschwert ist, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Rekurs gegen die Verlegung eines Verhandlungstermins dieser Termin bereits verstrichen ist.
[10] Der von der Gegenseite beantwortete (richtig:) „Revisionsrekurs“ der klagenden Partei ist zulässig, weil das Rekursgericht die Grundsätze der Beschwer zum Teil unrichtig angewendet hat. Das Rechtsmittel ist zum Teil berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Das für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Entscheidung nur mehr theoretisch-abstrakte Bedeutung zukäme, da es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen (RS0002495). Das ist dann der Fall, wenn ein Rechtsmittel seinen eigentlichen Zweck, die Rechtswirkungen der bekämpften Entscheidung durch eine Abänderung oder Aufhebung zu verhindern oder zu beseitigen, nicht mehr erreichen kann (RS0002495 [T45]).
2. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, es fehle der klagenden Partei im Zeitpunkt der Rekursentscheidung am 25. November 2021 an der erforderlichen Beschwer, weil mit den angefochtenen Beschlüssen jene Tagsatzungen abberaumt bzw verlegt worden seien, die bereits am 23. August 2021 bzw am 4. Oktober 2021 hätten stattfinden sollen, steht hinsichtlich der jeweiligen Hauptanträge der Rechtsmittel im Einklang mit der aufgezeigten Judikatur. Mit ihren Hauptbegehren strebte die klagende Partei im Ergebnis jeweils an, dass die beiden Termine nicht verlegt bzw abberaumt werden. Im Entscheidungszeitpunkt war es aber nicht mehr möglich, die Wirkungen der angefochtenen Entscheidung in diesem Sinne zu verhindern oder zu beseitigen.
[12] In diesem Umfang ist die angefochtene Entscheidung daher zu bestätigen.
[13] 3. Hingegen hat das Zweitgericht bei der Prüfung der Beschwer nicht berücksichtigt, dass die Rekurse auch Eventualbegehren enthielten, mit denen die klagende Partei gerade für den dann eingetroffenen Fall, dass die Rekursentscheidungen nicht mehr rechtzeitig vor den jeweiligen Verhandlungsterminen am 26. August 2021 bzw am 4. Oktober 2021 ergehen, weitere Rechtsmittelanträge stellten. Es ist nicht erkennbar, dass das Ziel der Eventualanträge, nämlich der Auftrag an das Erstgericht zur Fortsetzung des Verfahrens unter Anberaumung eines „Ersatzverhandlungstermins“ zum Zeitpunkt der Rekursentscheidung nicht mehr erreicht werden konnte.
[14] In diesem Umfang war dem Revisionsrekurs Folge zu geben, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Rekursgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom angezogenen Zurückweisungsgrund aufzutragen.
[15] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.