3Ob73/22i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter der Exekutionssache der betreibenden Partei S*, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die verpflichtete Partei St*, vertreten durch Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen 56.742,27 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 11. März 2022, GZ 1 R 36/22x 27, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 22. Juli 2009, GZ 7 E 110/09v 2, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des Rekursgerichts über die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Aachen zu 1 O 645/04 vom 5. Jänner 2006 über 5.065,95 EUR sA und vom 21. August 2007 über 20.502,27 EUR sA richtet, wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.
II. Im Übrigen, soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Exekutionsantrags betreffend den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 30. März 2005 zu 1 O 645/04 über 31.174,05 EUR sA richtet, wird ihm Folge gegeben und die Exekutionsbewilligung des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass die Zinsenstaffel in Punkt 1.) a) lautet: „samt 6,21 % Zinsen von 29. März 2005 bis 30. Juni 2005, 6,17 % Zinsen von 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005, 6,37 % von 1. Jänner 2006 bis 30. Juni 2006, 6,95 % von 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2006, 7,70 % von 1. Jänner 2007 bis 30. Juni 2007, 8,19 % von 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007, 8,32 % von 1. Jänner 2008 bis 30. Juni 2008, 8,19 % von 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008 und 6,62 % seit 1. Jänner 2009“.
Die Kosten der betreibenden Partei für den Revisionsrekurs werden mit 1.961,82 EUR (darin 326,97 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung:
[1] Am 30. Juni 2009 beantragte der Betreibende die Vollstreckbarerklärung der Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Aachen vom 30. März 2005 ( 31.174,05 EUR sA ), vom 5. Jänner 2006 ( 5.065,95 EUR sA ) und vom 21. August 2007 ( 20.502,27 EUR sA ), je zu 1 O 645/04, sowie zur Hereinbringung der zugrundeliegenden Forderungen die Bewilligung der Exekution durch bücherliche Einverleibung des vollstreckbaren Pfandrechts auf den der Verpflichteten gehörenden 3/8-tel Anteilen an der Liegenschaft EZ *. Er sei aufgrund der beigelegten Abtretungserklärungen Rechtsnachfolger der Titelgläubigerin, der * Bank *, und lege eine notariell beglaubigte Abtretungsvereinbarung vor.
[2] Das Erstgericht erklärte die deutschen Titel für in Österreich vollstreckbar und bewilligte dem Betreibenden zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderungen die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung.
[3] Das Rekursgericht gab dem – nur gegen die Bewilligung der Exekution gerichteten – Rekurs der Verpflichteten Folge und wies den Exekutionsantrag ab.
[4] Gemäß § 9 EO müsse der die Exekution beantragende Zessionar die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Forderungsübergangs durch Vorlage des entsprechend beglaubigten Zessionsvertrags nachweisen, aus dem sich der Rechtsgrund der Zession ergebe. Eine titellose Abtretung sei unwirksam und der auf eine solche Zession gestützte Exekutionsantrag sei ohne Verbesserungsverfahren abzuweisen.
[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Betreibenden wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss wegen Nichtigkeit aufzuheben, im stattgebenden Sinn abzuändern oder (hilfsweise) aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs ist hinsichtlich der Abweisung des Exekutionsantrags betreffend die beiden im Spruch zu I. genannten Exekutionstitel verfrüht vorgelegt; im Übrigen, soweit er sich gegen die Abweisung des Antrags im Bezug auf den rechtskräftig für vollstreckbar erklärten Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 30. März 2005 über 31.174,05 EUR sA bezieht, ist er zulässig und berechtigt.
Zu I.:
[7] 1.1 Wird aufgrund mehrerer Exekutionstitel zur Hereinbringung verschiedener Forderungen Exekution geführt, so werden die einzelnen Ansprüche bei Beurteilung der Frage der Zulässigkeit des Revisionsrekurses gesondert behandelt, auch wenn die dem Titel zu Grunde liegenden Forderungen in tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang stehen (RS0002316).
[8] 1.2 Gemäß § 528 Abs 2 Z 1a ZPO iVm § 78 EO ist der Revisionsrekurs unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand – wie im Fall der beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Aachen vom 5. Jänner 2006 und vom 21. August 2007 – an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Rekursgericht den Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 528 Abs 2a ZPO iVm § 508 ZPO und § 78 EO den Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde.
[9] 1.3 Das Erstgericht wird daher das insoweit als Abänderungsantrag zu wertende Rechtsmittel des Betreibenden dem Rekursgericht vorzulegen haben.
Zu II.:
[10] 2.1 Der Revisionsrekurswerber argumentiert zunächst, der Rekurs der Verpflichteten sei verspätet gewesen, weil diese selbst eine Teilungsklage erhoben und sich auf „das offene Grundbuch“ berufen habe. Dass die Verpflichtete zum Zeitpunkt der Zustellung der erstinstanzlichen Bewilligung der Exekution einen Wohnsitz im Inland gehabt hätte, behauptet der Betreibende allerdings selbst nicht. Wenn er meint, die Verpflichtete habe wegen der Sicherstellung der Exekution im Grundbuch Kenntnis vom Exekutionsverfahren gehabt, so übersieht er, dass selbst die (bloße) Akteneinsicht – und daher ebenso eine allfällige Kenntnis von einem Verfahren oder einer Entscheidung – die Zustellung nicht ersetzen kann (vgl RS0006064). Der Beschluss des Erstgerichts über die Bewilligung der Exekution wurde dem Vertreter der Verpflichteten am 10. Dezember 2021 zugestellt; der Rekurs dagegen wurde bereits am 2. Dezember 2021 erhoben und ist damit jedenfalls rechtzeitig.
[11] 2.2 Nach § 9 EO muss der Übergang des Anspruchs von der nach dem Exekutionstitel berechtigten Person auf den betreibenden Gläubiger im Exekutionsantrag durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde dargetan werden. Der betreibende Gläubiger muss die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Forderungsübergangs auf die im § 9 EO geforderte Art nachweisen. Der Nachweis der Rechtsnachfolge ist nicht erbracht, wenn der bisherige Gläubiger in einer öffentlich beglaubigten Urkunde lediglich erklärt, dass der Anspruch auf ihn „übergegangen“ sei (RS0000290). Beantragt ein Zessionar des aus dem Exekutionstitel Berechtigten Bewilligung der Exekution, so ist zu prüfen, ob die Urkunde den Vorschriften des § 9 EO entspricht und nach ihrem Inhalt geeignet ist, die Übertragung der Forderung darzutun, nicht aber, ob dem Verpflichteten nach dem Verhältnis zum betreibenden Gläubiger Einwendungen zustehen könnten. Ob der konkret angegebene Rechtsgrund für die Zession zutrifft, ist nicht vom Exekutionsbewilligungsgericht zu prüfen (vgl RS0000299 [T1]). Das Bewilligungsgericht hat zu prüfen, ob der in der vorgelegten Urkunde bezeugte Vorgang nach materiellem Recht geeignet ist, den behaupteten Rechtsübergang zu bewirken (RS0000290 [T6]; Jakusch in Angst / Oberhammer , EO 3 § 9 Rz 2 mwN).
[12] 3.1 Die vom Betreibenden im Original vorgelegte, notariell beglaubigte „Abtretungsvereinbarung“ vom 21. November 2007/15. Februar 2008 bezieht sich auch auf den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 30. März 2005 über 31.174,05 EUR samt Zinsen und hält fest, dass die Zedentin, eine deutsche Bank, „sämtliche Ansprüche aus den vorgenannten Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts Aachen unter Übergabe der jeweiligen vollstreckbaren Ausfertigung“ an den in Deutschland wohnhaften Betreibenden abtritt und dass dieser die „vorstehend erklärte Abtretung“ annimmt (Beilage ./A). Die Verpflichtete zog in ihrem – nur gegen die Exekutionsbewilligung erhobenen – Rekurs (ON 9) die Wirksamkeit dieser Abtretung nicht in Zweifel. Ihre Argumente richteten sich allein gegen die Bewilligung der Exekution im Umfang der Zinsen, die ihrer Ansicht nach nicht von den Exekutionstiteln gedeckt seien und „auch dem Bestimmtheitsgebot des Grundbuchsrechtes“ widersprächen.
[13] 3.2 Nach dem auf die Abtretungsvereinbarung anzuwendenden materiellen deutschen Recht ist die Abtretung als Verfügungsgeschäft ein abstrakter Vertrag, der keinen rechtsgeschäftlichen Bezug auf das ihm zugrundeliegende kausale Rechtsverhältnis hat; anderes gilt nur, wenn das Bestehen eines kausalen Abtretungsgrundes zur Bedingung der Wirksamkeit der Abtretung selbst gemacht wird ( Staudinger / Busche [2022] Einl zu §§ 398 ff BGB Rz 15 und Rz 20 je mwN und § 398 BGB Rz 2).
[14] 3.3 Entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts ist daher die beantragte Exekution im Bezug auf den bereits rechtskräftig für vollstreckbar erklärten deutschen Exekutionstitel nicht deswegen zu versagen, weil ein – nach österreichischem Recht für die Wirksamkeit einer Abtretung erforderlicher (vgl RS0032510) – Rechtsgrund aus der vorgelegten Vereinbarung nicht hervorgeht. Eine nach Ansicht der Verpflichteten (in ihrem Rekursvorbringen) vorliegende Unbestimmtheit steht der beantragten Bewilligung nicht entgegen, weil der vollstreckbare Exekutionstitel auf Zinsen in Höhe von „5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB“ lautet. Der Zinsenausspruch in der wiederhergestellten erstgerichtlichen Exekutionsbewilligung war hingegen dahin zu berichtigen, dass dieser nur die dem Exekutionsantrag entsprechende Zinsenstaffel umfasst (und nicht für den ersten begehrten Zeitraum die Zinsen doppelt zuerkennt).
[15] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 74, 78 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Bemessungsgrundlage war die im entscheidungsgegenständlichen Exekutionstitel genannte Forderungssumme (31.174,05 EUR).