JudikaturOGH

3Ob63/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch Mag. Brigitte Berchtold, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M*, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien und 2. H*, vertreten durch Dr. Natalie Hahn, Rechtsanwältin in Wien, wegen 168.396 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Februar 2022, GZ 33 R 102/21v 111, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger begehrte von den Beklagten die Zahlung des restlichen Kaufpreises für den ihnen im J ahr 2013 über gebe nen Imbissladen.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab und begründeten dies zusammengefasst damit, dass eine V ereinbarung über einen Kaufpreis für den übernommenen Betrieb – mit der Zweitbeklagten schon dem Grunde nach und mit dem Erstbeklagten der Höhe nach – nicht feststellbar gewesen sei .

Rechtliche Beurteilung

[3] In seiner außerordentlichen Revision, mit der er ausdrücklich nur die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht, zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.

[4] 1.1 Wie ein bestimmtes Prozessvorbringen zu verstehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, sofern das Berufungsgericht zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (RS0042828 [T27]). Das gilt auch für die Frage, ob tatsächliche Behauptungen einer Partei als zugestanden anzusehen seien (RS0042828 [T41]; vgl RS0040091).

[5] 1.2 Ob tatsächliche Behauptungen einer Partei im Sinn des § 267 Abs 1 ZPO als schlüssig zugestanden anzusehen sind, hat das Gericht unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesamten Inhalts des gegnerischen Vorbringens zu beurteilen (RS0040091; vgl RS0083785). Das bloße Unterbleiben der Bestreitung reicht für sich allein für die Annahme eines Tatsachengeständnisses nicht aus. Ein „unsubstanziiertes Bestreiten“ (eine unterbliebene ausdrückliche Bestreitung) kann nur dann als Zugeständnis gewertet werden, wenn im Einzelfall gewichtige Indizien für ein (schlüssiges) Geständnis sprechen (RS0039955 [T2, T3]; RS0039941 [T3, T4, T5]; vgl RS0107488), etwa weil die vom Gegner aufgestellte Behauptung offenbar leicht widerlegbar sein musste, dazu aber nie konkret Stellung genommen wird (RS0039927 [T1]), oder eine Partei bloß einzelnen Tatsachenbehauptungen des Gegners mit einem konkreten Gegenvorbringen entgegentritt, zu den übrigen jedoch inhaltlich nicht Stellung nimmt (RS0039927 [T12]).

[6] 1.3 Soweit der Kläger meint, das Berufungsgericht habe sich mit dem in der Mängelrüge aufgezeigten, seiner Ansicht nach dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmenden schlüssigen Geständnis zur Höhe des vereinbarten Kaufpreises für den übergebenen Imbissladen nicht ausreichend befasst, ist ihm entgegenzuhalten, dass die angefochtene Entscheidung auf die Argumente dazu eingegangen ist und das bestreitende Vorbringen der Beklagten in Auszügen wiedergegeben hat. Die Beklagten hätten die Höhe des behaupteten Kaufpreises mit unterschiedlichen Argumenten bestritten, weshalb von einem ausdrücklichen oder schlüssigen Geständnis in diesem Zusammenhang nicht ausgegangen werden könne (Seiten 4 und 5 des Urteils). Ein unvertretbares Auslegungsergebnis ist darin ebenso wenig erkennbar wie eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens.

[7] 2.1 Der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO läge nur vor, wenn sich das Berufungsgericht mit der (inhaltlich auch unter dem Berufungsgrund des Verfahrensmangels) erhobenen Tatsachenrüge überhaupt nicht (vgl RS0043141) oder nur so mangelhaft befasst hätte, dass es keine nachvollziehbaren Überlegungen zur Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten hätte (vgl RS0043027 [T3]; RS0040165 [T2]). Ob die Erwägungen des Berufungsgerichts richtig oder fehlerhaft waren, ist in dritter Instanz hingegen nicht überprüfbar (vgl RS0043371 [T12]; RS0043150 [T4, T5, T7]). Da das Berufungsgericht den Anforderungen an die Beurteilung der vom Kläger – auch als mangelhaft begründet – bekämpften erstinstanzlichen Beweiswürdigung ausreichend nachkam, liegt die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor. Die Rechtsmittelbeschränkungen des § 503 ZPO können nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (vgl RS0043150 [T8]; RS0043371 [T28]).

[8] 2.2 Auch in diesem Punkt ist dem Berufungsgericht keine Mangelhaftigkeit vorzuwerfen, denn es hat sich mit der Beweisrüge des Klägers im Bezug auf die Negativfeststellung zur Höhe des vereinbarten Kaufpreises sehr wohl inhaltlich befasst (Seiten 7 und 8 des Urteils). Wenn die außerordentliche Revision meint, auch hier sei „das übereinstimmende Vorbringen der Entscheidung zugrunde zu legen“ gewesen, so übersieht sie, dass die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gekommen sind, dass ein solches übereinstimmendes Parteienvorbringen hier gerade nicht vorliegt. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens oder eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vermag der Kläger auch damit nicht aufzuzeigen.

[9] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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