3Ob56/22i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* KG, *, vertreten durch Ferner Hornung Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. R *, 2. E*, 3. G*, und 4. J*, sämtliche vertreten durch Dr. Schartner Rechtsanwalt GmbH in Altenmarkt, wegen Duldung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 14. Februar 2022, GZ 1 R 255/21y 20, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand des Rechtsstreits ist ein vertragliches Geh und Fahrrecht an einer über Liegenschaften der Beklagten verlaufenden (Maut-)Straße, die zu dem von der Klägerin betriebenen Gastronomielokal „J*“ führt. Die Klägerin beabsichtigt einen Aus und Umbau des (nur im Winter geöffneten) Betriebs und begehrte, die Beklagten zur Duldung der Benützung der Straße zu diesem Zweck durch Mitarbeiter und Professionisten sowie Liefer und Baufahrzeuge zu verpflichten.
[2] Das Berufungsgericht wies das Duldungsbegehren der Klägerin mit Hinweis auf die Formulierung der vertraglichen Vereinbarung über die unentgeltlich eingeräumte Straßenbenützung ab.
Rechtliche Beurteilung
[3] In ihrer außerordentlichen Revision dagegen gelingt es der Klägerin nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuwerfen.
[4] 1.1 Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss, entziehen sie sich zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen generellen Aussagen. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht eine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen ist (RS0044298 [insb T39, T46], RS0112106 [insb T3], RS0042936 [insb T17]; vgl RS0044358, RS0042776, RS0042555, uva). Auch die Fragen des Ausmaßes bzw Umfangs einer Dienstbarkeit und die der Grenzen der zulässigen Erweiterung sind grundsätzlich einzelfallbezogen und nicht wesentlich iSd § 502 Abs 1 ZPO (7 Ob 12/07a mwN; RS0011720 [T7 und T17]).
[5] 1.2 Im Jahr 1985 räumte der Rechtsvorgänger der Beklagten dem Vater des unbeschränkt haftenden Gesellschafters der nunmehrigen Klägerin „und dessen Familienangehörigen, dessen Personal für sein J* und dessen Lieferanten“ die unentgeltliche Benützung der (über seine Grundstücke verlaufenden) Straße „im Rahmen der Bewirtschaftung des gastgewerblichen Betriebs“ ein. Gleichzeitig vereinbarten die Parteien, dass „jede darüber hinausgehende Benützung der Straße“ der vorherigen Zustimmung der Straßeneigentümerin bedarf. Im Zuge der Errichtung des Zubaus 2003 trafen die Rechtsvorgängerin der Klägerin und das Forstgut (vertreten durch den Viertbeklagten) eine Vereinbarung über eine Pauschalentschädigung für Materialtransporte über die Straße. Wenn das Berufungsgericht daher die vertragliche Regelung aus dem Jahr 1985 dahin auslegte, dass für die Benutzung im Zuge der nun geplanten (umfangreichen) Aus und Umbauarbeiten des Gastronomiebetriebs „J*“ für die begehrte Wegnutzung eine vorherige Zustimmung der Beklagten erforderlich sei, so hat es den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum damit nicht überschritten.
[6] 1.3 Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist weder eine Nichtbeachtung der Rechtsprechung zur unregelmäßigen, ungemessenen Dienstbarkeit erkennbar, noch führt die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Auslegung der Vereinbarung zu einem unvertretbaren Ergebnis. Die dem Rechtsvorgänger der Klägerin eingeräumte Dienstbarkeit ist unzweifelhaft eine unregelmäßige, ungemessene, persönliche Dienstbarkeit, weil sie nicht zugunsten des herrschenden Grundstücks, sondern personenbezogen formuliert ist. Die Frage, ob eine Nutzung der Straße auch für die von der Klägerin geplanten, umfangreichen Aus und Umbaumaßnahmen noch als „im Rahmen der Bewirtschaftung des gastgewerblichen Betriebs“ gelegen anzusehen ist, hat das Berufungsgericht anhand der von den Vertragsparteien getroffenen Regelung sowie im Rahmen der allgemeinen Auslegungsgrundsätze beantwortet. Soweit sich die außerordentliche Revision auf Entscheidungen beruft, die im Zusammenhang mit Umbauarbeiten auf dem herrschenden Grundstück eine (vorübergehende) höhere Beanspruchung einer Wegeservitut für zulässig erachteten, vermag sie damit im Bezug auf die Auslegung der konkreten Vereinbarung keine aufzugreifende Fehlbeurteilung aufzuzeigen.
[7] 2.1 Der Hinweis der Klägerin auf Rechtsprechung zur zulässigen Erweiterung ungemessener Dienstbarkeiten zeigt ebenfalls keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf, weil diese Entscheidungen stets die ursprüngliche Bewirtschaftungsart und die vorhersehbare Art der Ausübung sowie die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten im konkreten Einzelfall berücksichtigen (vgl etwa RS0097856; RS0011741 [T12, T14]; RS0016368 [T7]). Aus den im Rechtsmittel zitierten Entscheidungen lässt sich für den Rechtsstandpunkt der Klägerin kein Argument gewinnen.
[8] 2.2 Soweit die außerordentliche Revision meint, das Berufungsgericht sei „rechtsirrig“ davon ausgegangen, dass die Dienstbarkeit im Jahr 1985 unentgeltlich eingeräumt wurde, ist dies schon deswegen nicht nachvollziehbar, weil nach der von der Klägerin selbst vorgelegten Vereinbarung „in Verbindung mit dem am heutigen Tag errichteten Kaufvertrag“ dem Käufer des Grundstücks ausdrücklich „die unentgeltliche Benützung“ der Straße eingeräumt wurde. Die Behauptung der Revisionswerberin, „in Zusammenschau mit dem abgeschlossenen Kaufvertrag“ könne „nicht von einer unentgeltlichen Zuwendung iSd § 915 ABGB gesprochen werden“, verstößt im Übrigen gegen das Neuerungsverbot des § 482 Abs 1 ZPO.
[9] 2.3 Die von der Klägerin genannten Entscheidungen zum Umfang von Fahrtrechten im Zusammenhang mit Umbauarbeiten stehen mit der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht im Widerspruch, weil hier die vertragliche Vereinbarung ausdrücklich vorsieht, dass jede über die Bewirtschaftung des gastgewerblichen Betriebs hinausgehende Nutzung der Straße einer gesonderten Zustimmung der Eigentümerin bedarf. Das Klagebegehren ist nicht auf Feststellung eines bestimmten Umfangs des eingeräumten Wegerechts gerichtet, sondern es wurde konkret die Verpflichtung der Beklagten zur Duldung der Benützung der Straße „zum Zweck des Um und Ausbaus der Betriebsräumlichkeiten (…)“ begehrt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass diese Nutzung aber hier wegen der Formulierung des Vertragstextes über die unentgeltliche Benützung der Straße nicht „im Rahmen der Bewirtschaftung“ des Gastronomiebetriebs liege, sondern einer Zustimmung der Beklagten bedürfe, begegnet daher im Einzelfall keinen Bedenken.
[10] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).