JudikaturOGH

3Ob42/22f – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach R*, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Helmut Horn, Rechtsanwalt in Graz, dieser vertreten durch Schmid Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Mag. Horst Bruckner, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 9. Dezember 2021, GZ 4 R 124/21s-39, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Klägerin macht in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend.

[2] 1.1 Die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine solche des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch, ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0042828).

[3] 1.2 Nach ständiger Rechtsprechung bildet die Aufrechnung einen Oppositionsgrund, wenn die Geltendmachung der Gegenforderungen im Titelverfahren nicht möglich war (RS0000786). Unter Aufrechnung (Kompensation) versteht man die Aufhebung einer Forderung mit einer Gegenforderung; sie wirkt als Zahlung, beide Forderungen werden, zumindest teilweise, getilgt. Voraussetzung dafür ist, dass die Forderungen im Aufrechnungszeitpunkt fällig und gleichartig sind, Gegenseitigkeit und eine Aufrechnungserklärung vorliegen 3 Ob 143/16z mwN; vgl auch 3 Ob 85/18y mwN).

[4] 1.3 Das gegenseitige Zusammentreffen aufrechenbarer Forderungen führt nicht schon deren Aufrechnung herbei, sondern gibt nur das Recht, auf Aufrechnung zu dringen (RS0033904 [T3]). Wer eine außergerichtliche Aufrechnung behauptet, muss auch die Aufrechnungshandlung dartun, weil das Gegenüberstehen gleichartiger Forderungen zunächst nur ein Aufrechnungsverhältnis schafft und Schuldtilgung nur bei Hinzutreten der Aufrechnungshandlung eintritt (RS0033876 [T5]; vgl auch RS0033835 [T7]).

[5] 2.1 Das Erstgericht hat die Behauptung der Klägerin, dass die von der Beklagten exekutiv betriebene Forderung „getilgt“ sei, als nicht hinreichend vorgebrachten Oppositionsgrund gewertet: Weder sei in der Klage eine (außergerichtlich erklärte) Aufrechnung behauptet worden, noch sei in der Klage selbst eine solche Erklärung enthalten. Das Berufungsgericht „neigte“ dieser Auffassung ebenfalls „zu“.

[6] 2.2 Die Klägerin thematisiert diesen – von Fragen der Gleichartigkeit der Forderungen sowie anderen Voraussetzungen des § 35 Abs 1 EO unabhängigen – selbständigen Abweisungsgrund in ihrer Revision nicht mehr. Die Auslegung des Vorbringens durch die Vorinstanzen ist wegen des anzulegenden strengen Maßstabs (RS0001331 [T2]) nach § 35 Abs 3 EO richtig. Ein neues rechtliches Vorbringen wäre nur zulässig, soweit es zu seiner Stützung keiner Erweiterung der Tatsachengrundlage bedarf (vgl RS0001331 [T3]). Dem Argument der Berufung der Klägerin, es fehlte eine Feststellung dazu, dass sie außergerichtlich, spätestens aber mit der Oppositionsklage die Aufrechnung der betriebenen Forderungen mit den ihr zustehenden Pflichtteilsergänzungsansprüchen erklärt habe, steht entgegen, dass zunächst die Klägerin dazu ein konkretes Vorbringen zu erstatten hat und sich weder in der Klage noch in den von ihr vorgelegten Urkunden eine solche Erklärung findet.

[7] 2.3 Erörterungen über mögliche andere Abweisungsgründe, insbesondere die Frage der Gleichartigkeit der Forderungen, sind damit nicht entscheidungswesentlich und somit entbehrlich.

[8] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rückverweise