JudikaturOGH

1Ob110/22s – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. HR Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu AZ 17 Nc 10/20d anhängigen Verfahrenshilfesache des Antragstellers W*, im Verfahren über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 28. April 2022, GZ 5 Nc 9/22z 2, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Rekursverfahren wird bis zur Mitteilung des Pflegschaftsgerichts, ob für den Antragsteller rechtskräftig ein Erwachsenenvertreter bestellt oder eine sonstige Maßnahme getroffen wurde, unterbrochen.

Das Bezirksgericht Steyr wird ersucht, das gefertigte Gericht vom Ausgang des Verfahrens zu AZ 15 P 102/21m zu verständigen.

Text

Begründung:

[1] Mit dem im September 2020 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebrachten Antrag begehrte der Antragsteller die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Amtshaftungsklage gegen den Bund. Dabei bez og er sich auf ein vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz von seinem mittlerweile verstorbenen Vater gegen eine dritte Person geführtes Verfahren wegen Löschung einer Grundbuchseintragung.

[2] Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz legte den Akt dem Oberlandesgericht Graz nach § 9 Abs 4 AHG vor.

[3] Mit Beschluss des Bezirksgerichts Steyr vom 21. 4. 2022 zu AZ 15 P 102/21m wurde für den Antragsteller eine Rechtsanwältin zur Erwachsenenvertreterin bestellt, unter anderem auch zu seiner Vertretung in sämtlichen gerichtlichen Verfahren, weil er aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage sei, die Tragweite der von ihm angestrengten gerichtlichen und behördlichen Verfahren adäquat einzuschätzen, zu verstehen und entsprechend zu agieren sowie auf Vernunft basierende und realitätsnahe Entscheidungen zu treffen. Dieser Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

[4] Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte d as Oberlandesgericht Graz d as Landesgericht Klagenfurt als für die Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag sowie zur Verhandlung und Entscheidung des sich daran allenfalls anschließenden Amtshaftungsverfahrens zuständig.

[5] Das Oberlandesgericht Graz legte den gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Antragstellers dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

[6] Eine Entscheidung über das Rechtsmittel des Antragstellers ist derzeit nicht möglich.

Rechtliche Beurteilung

[7] Das Prozessgericht darf die Prozessfähigkeit einer der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterliegenden Partei, für die (noch) kein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt wurde, nicht selbst prüfen (vgl RIS Justiz RS0035270). Liegen Anzeichen dafür vor, dass eine Partei aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit das Gerichtsverfahren nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann, ist vielmehr auch im Rekursverfahren (1 Ob 168/18i Pkt 3 mwN) das zuständige Pflegschaftsgericht gemäß § 6a ZPO zu verständigen. Dieses hat dem Prozessgericht mitzuteilen, ob ein (einstweiliger) Erwachsenenvertreter bestellt oder sonst eine entsprechende Maßnahme getroffen wird (§ 6a Satz 2 ZPO). Bis zur Entscheidung des Pflegschaftsgerichts ist das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 190 ZPO zu unterbrechen (RS0035234).

[8] Im Hinblick auf das beim Bezirksgericht Steyr anhängige V erfahren, insbesondere den bereits gefassten Beschluss über die Bestellung eines Erwachsenenvertreters auch zu r Vertretung in sämtlichen gerichtlichen Verfahren, bestehen Bedenken an der Geschäfts und Prozessfähigkeit des Antragstellers, dies in Ansehung (schon) des verfahrenseinleitenden Antrags, aber auch der im Rekurs geltend gemachten Ablehnung der Mitglieder des über die Delegierung entscheidenden Senats des Oberlandesgerichts Graz wegen Befangenheit.

[9] Auch wenn – wie hier – zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für eine Prozesspartei bereits ein Verfahren beim Pflegschaftsgericht anhängig ist, ist das anhängige Verfahren zu unterbrechen (RS0035234 [T10]). Einer Übermittlung des Akts an das Pflegschaftsgericht bedarf es dann nicht.

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