10ObS69/22b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Birgit Riegler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. B* und 2. G*, beide vertreten durch Mag. Claus Marchl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, wegen Rückersatz von Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 25. März 2022, GZ 9 Rs 17/22v 46, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand der zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren ist der Anspruch der beklagten Österreichischen Gesundheitskasse auf Rückzahlung von jeweils 1.300 EUR des an die Erstklägerin (idF nur Klägerin) im Zeitraum vom 31. Oktober 2017 bis 3. September 2018 bzw an den Zweitkläger (idF nur Kläger) im Zeitraum vom 4. September 2018 bis 3. November 2018 ausgezahlten Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens wegen nicht fristgerecht erbrachten Nachweises der fünften Untersuchung des am 4. September 2017 geborenen Kindes der Kläger.
[2] Die Vorinstanzen verpflichteten die Kläger zur Rückzahlung, weil der Nachweis nicht innerhalb der nach § 24c KBGG relevanten Frist vorgelegen sei und dies von den Klägern zu vertreten sei. Das Berufungsgericht ließ die Revision nicht zu.
[3] Die außerordentliche Revision der Kläger ist wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1.1. Soweit die Kläger meinen, das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht der Beklagten entgegen dem Antrag der Kläger einen Auftrag nicht erteilt habe, machten sie diesen Verfahrensmangel bereits in der Berufung erfolglos geltend. Ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz bildet nach ständiger Rechtsprechung – auch in Sozialrechtssachen (RIS Justiz RS0043061) – keinen Revisionsgrund (RS0042963; RS0106371).
[5] 1.2. Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RS0042963 [T58]). Nur wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat, läge ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vor (RS0040597 [T3, T4]; RS0043086). Dass ein solcher Fall hier vorliegt, behaupten die Kläger nicht.
[6] 2. Soweit die Kläger schließlich eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darin sehen, dass in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt sei, ob für die den Rückforderungsanspruch begründenden Tatsachen (hier: für den Beweis, dass eine Mutter Kind Pass Untersuchung nicht nachgewiesen worden sei) im Hinblick auf § 87 Abs 4 ASGG das Regelbeweismaß des § 272 ZPO (hohe Wahrscheinlichkeit) gelte oder – wie die Kläger vertreten – ein erhöhtes Beweismaß (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) heranzuziehen sei, wurde diese Frage in der Berufung nicht geltend gemacht. Nach ständiger Rechtsprechung (RS0043480; RS0043573) ist eine in zweiter Instanz unterlassene ordnungsgemäße Rechtsrüge in dritter Instanz nicht erfolgreich nachholbar. Dies gilt (partiell) auch dann, wenn das Ersturteil nur in einem bestimmten Punkt wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten wurde (RS0043573 [T31, T36]).
[7] 3. Mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblicher Bedeutung ist die außerordentliche Revision der Kläger somit zurückzuweisen.