JudikaturOGH

2Ob42/22y – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Mai 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie die Hofräte Dr. Nowotny, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1. N*a *, geboren * 2016, *, 2. N*ina *, geboren * 2018, *, 3. N*e *, geboren * 2019, *, wegen Obsorge, über den Revisionsrekurs der mütterlichen Urgroßeltern D* und M*, beide vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 25. November 2021, GZ 54 R 118/21f 150, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 13. Oktober 2021, GZ 6 PS 17/19m 129, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich auf die Regelung der Obsorge für N*a *, geboren * 2016, und N*e *, geboren * 2019, bezieht, zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] N*a *, geboren 2016, N*ina *, geboren 2018, und N*e *, geboren 2019, sind die Kinder von M * und B * . Die Obsorge wurde den Eltern in den Bereichen Pflege und Erziehung rechtskräftig entzogen, die Kinder befinden sich derzeit bei Pflegefamilien. Strittig ist, wem die Obsorge in Zukunft zukommen soll: Das Land Tirol beantragt, die Obsorge für N*a und N*e ihm als Träger der Kinder und Jugendhilfe und für N*ina jenem Pflegeelternpaar zu übertragen, von dem sie derzeit betreut wird. Die – 1954 bzw 1956 geborenen – mütterlichen Urgroßeltern beantragen, die Obsorge für alle drei Kinder ihnen zu übertragen. Die Großeltern sind nicht bereit, die Obsorge zu übernehmen.

[2] Das Erstgericht übertrug die Obsorge für N*a und N*e dem Land Tirol als Träger der Kinder- und Jugendhilfe und für N*ina den Pflegeeltern.

[3] Es stellte fest, dass N*a und N*e bei ihren Pflegeeltern gut gefördert würden und ein Abbruch der Beziehungen ihr Wohl gefährdete; zudem wären die Urgroßeltern mit der Betreuung dieser Kinder überfordert. Hingegen werde N*ina bei ihren Pflegeeltern vergleichsweise weniger gefördert; ihre Pflegeeltern bemühten sich zwar, wiesen aber eine geringe Bindungstoleranz und ein unsicheres Bindungsverhalten auf. Zwar sei N*ina in die Pflegefamilie integriert, sie hätte aber bei ihren Urgroßeltern die besseren Entwicklungschancen. Daher sei aus „fachlicher Sicht“ auch unter Bedachtnahme auf die negativen Folgen eines Beziehungsabbruchs zu den Pflegeeltern eine Platzierung von N*ina bei den Urgroßeltern zu empfehlen.

[4] Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass Grundlage für die Obsorgeentscheidung die Bestimmung des § 178 ABGB sei. Danach seien bei Verhinderung der Eltern die Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge zu betrauen. Nur wenn diese Personen nicht betraut seien oder betraut werden könnten, komme nach § 204 ABGB die Betrauung einer anderen geeigneten Person in Betracht. Wenn sich auch danach keine geeigneten Personen finden ließen, sei nach § 209 ABGB der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Obsorge zu betrauen. Im konkreten Fall sei bei N*a und N*e von vornherein der Kinder- und Jugendhilfeträger zu betrauen, weil die Betrauung der Urgroßeltern das Kindeswohl gefährdete und auch sonst keine geeigneten Personen vorhanden seien. Bei N*ina hätten die grundsätzlich geeigneten Pflegeeltern nach § 178 ABGB Vorrang vor den in dieser Bestimmung nicht genannten Urgroßeltern.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

[6] Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass die Urgroßeltern nicht – auch nicht analog – von § 178 ABGB erfasst würden. Daher seien bei N*ina die Pflegeeltern zu betrauen. Bei N*a und N*e sei die Betrauung der Urgroßeltern schon wegen der in diesem Fall drohenden Kindeswohlgefährdung nicht möglich, sodass insofern jedenfalls der Kinder- und Jugendhilfeträger zu betrauen sei. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 178 ABGB – allenfalls analog – auch Urgroßeltern erfasse.

[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Revisionsrekurs der Urgroßeltern , mit dem sie die Betrauung mit der Obsorge für alle drei Kinder anstreben. Sie vertreten die Auffassung, dass § 178 Abs 1 ABGB (zumindest analog) auch die Urgroßeltern erfasse.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Revisionsrekurs ist in Bezug auf die Entscheidung über die Obsorge für N*a und N*e nicht zulässig .

[9] Nach den Feststellungen des Erstgerichts gefährdete die Übertragung der Obsorge auf die Urgroßeltern das Wohl dieser Kinder. Das schließt die von den Urgroßeltern angestrebte Obsorgeübertragung aus, ohne dass es auf den Anwendungsbereich oder die allfällige Verfassungswidrigkeit von § 178 Abs 1 ABGB ankäme. Der Revisionsrekurs der Urgroßeltern ist daher, soweit er diese Kinder betrifft, mangels Vorliegens einer im konkreten Fall präjudiziellen Rechtsfrage erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.

Rückverweise