3Ob83/22k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* L*, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei B* Aktiengesellschaft, * (ursprünglich: M* GmbH, ebendort), vertreten durch Dr. Hanns Christian Baldinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.500 EUR sA, über den Rekurs der ursprünglich beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. September 2021, GZ 33 R 43/21t 21, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 24. Februar 2021, GZ 10 Cg 50/20t 13, aufgehoben und das mit der ursprünglich beklagten Partei geführte Verfahren für nichtig erklärt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Der Rekurs wird, soweit er den Kostenpunkt betrifft, zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.
Die ursprünglich beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin nahm die ursprünglich beklagte Gesellschaft wegen eines Sturzes am 1. 3. 2019 als Kundin in der M* Filiale in * aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Anspruch. Diese bestritt ihre Passivlegitimation, woraufhin die Klägerin die Richtigstellung der Parteibezeichnung auf die nunmehr beklagte Partei beantragte.
[2] Das Erstgericht wies den Antrag der Klägerin auf Berichtigung der Parteibezeichnung ab. Mit Urteil vom selben Tag wies es das Klagebegehren mangels Passivlegitimation ab.
[3] Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Klägerin Folge und berichtigte die Bezeichnung der ursprünglich beklagten Gesellschaft auf die nunmehr beklagte Partei; den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig; den Antrag der ursprünglich beklagten Gesellschaft auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 528 Abs 2a iVm § 508 ZPO wies es samt dem dazu erhobenen Revisionsrekurs (mit Beschluss vom 6. April 2022) zurück.
[4] Aus Anlass der Berufung hob es das zugunsten der ursprünglich beklagten Gesellschaft ergangene Urteil und das gegen diese geführte Verfahren als nichtig auf. Gleichzeitig trug es dem Erstgericht die Zustellung des Zahlungsbefehls an die nunmehr beklagte Partei auf.
[5] Gegen den Aufhebungsbeschluss des Gerichts zweiter Instanz (als Berufungsgericht) und die Nichtigerklärung des Verfahrens richtet sich der (Voll )Rekurs der ursprünglich beklagten Partei, mit dem sie beantragt, dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der Klägerin im Streit gegen die ursprünglich beklagte Partei aufzutragen; zudem bekämpft sie die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts.
[6] Die Klägerin hat keine Rekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Zu I.:
[7] 1.1 Das Rechtsmittel der ursprünglich beklagten Gesellschaft richtet sich ausdrücklich auch gegen die zweitinstanzliche Kostenentscheidung, mit der – aufgrund der Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils und der Nichtigerklärung des Verfahrens – die Kosten des nichtigen Verfahrens gegen die falsche Gesellschaft gemäß § 51 ZPO gegeneinander aufgehoben wurden.
[8] 1.2 Rekurse gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Kostenpunkt sind nach der Rechtsprechung grundsätzlich und ausnahmslos unzulässig (RS0053407; RS0110033). Dies folgt daraus, dass die in § 528 ZPO zugrunde liegende Wertung auch für Beschlüsse des Berufungsgerichts gilt und Rechtsmittel in Kostenfragen überhaupt nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden dürfen (RS0043889; 6 Ob 120/11g). Der Oberste Gerichtshof hat im Allgemeinen nur dann eine (neue) Kostenentscheidung zu treffen, wenn er die angefochtene Entscheidung abändert, was hier aber nicht der Fall ist.
[9] 1.3 Der Rekurs gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts im Kostenpunkt war daher zurückzuweisen.
Zu II.:
[10] 2.1 Gemäß § 519 Abs 1 ZPO ist der Rekurs gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss nur zulässig, soweit das Berufungsgericht
- die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat (Z 1; in diesem Fall ist der Rekurs ein Vollrekurs),
oder
- nach (echter) Aufhebung des Ersturteils die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung und/oder Verfahrensergänzung zurückverwiesen und den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärt hat (Z 2) (1 Ob 144/16g; vgl auch 10 Ob 67/16z).
[11] § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist nach der Rechtsprechung auch auf berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse (analog) anzuwenden, mit denen – ohne Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen – dem Verfahren ein Ende gesetzt wird, sodass sie ihrem Wesen nach einer Klagszurückweisung gleichkommen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass es infolge einer abändernden Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über die Berichtigung der Parteibezeichnung zu einem Parteiwechsel kommt (4 Ob 175/14k; vgl auch 8 ObA 4/14t). Die aus dem Verfahren ausscheidende Partei ist durch eine solche Entscheidung auch beschwert (4 Ob 175/14k; vgl auch 1 Ob 12/12i).
[12] 2.2 Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts und die Nichtigerklärung des Verfahrens ist damit zulässig. Er ist aber nicht berechtigt, weil die Nichtigerklärung des Verfahrens mit der falschen Partei notwendige Folge der Berichtigung der Parteibezeichnung auf die nach dem Klagsvorbringen tatsächlich gewollte Partei ist (4 Ob 175/14k; vgl auch RS0035342 und 2 Ob 212/20w).
[13] 2.3 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.