1Ob90/22z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin mj N*, geboren am *, vertreten durch Mag. Stefan Danzinger, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die Antragsgegner 1. *schule *, und 2. Bildungsdirektion für Niederösterreich, St. Pölten, Rennbahnstraße 29, wegen Erlassung von Anordnungen nach § 107 Abs 3 AußStrG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 25. März 2022, GZ 58 R 14/22i 17, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 13. Jänner 2022, GZ 14 C 356/21m 13, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Die Antragstellerin beantragte, den Antragsgegnern aufzutragen, ihr „den freien Zugang zum Präsenzunterricht in ihrer Klasse zu ermöglichen, ohne ihr Wohl zu gefährden. Insbesondere haben es die Antragsgegner zu unterlassen der Antragstellerin das Tragen einer Maske, das Halten von Abständen oder die Zustimmung zu medizinischen Prozeduren oder ähnliches vorzuschreiben, oder sie aufgrund der fehlenden Zustimmungen dazu in irgendeiner Form zu diskriminieren“.
[2] Sie berief sich dabei auf § 107 Abs 3 AußStrG, wonach das Gericht die zur Sicherung des Kindeswohls erforderlichen Maßnahmen anzuordnen habe. Inhaltlich begründete sie ihr Begehren im Wesentlichen damit, dass die im Antrag genannten (in der COVID-19-Schulverordnung in der bei Antragstellung geltenden Fassung vorgesehenen) Maßnahmen gesetz bzw verfassungswidrig seien und nicht dem Kindeswohl entsprächen. Das angerufene Gericht sei zur Entscheidung über den Antrag zuständig, weil dieser materiell rechtlich auf § 138 ABGB gestützt werde, wonach in allen das minderjährige Kind betreffenden Angelegenheiten dessen Wohl zu berücksichtigen und bestmöglich zu gewährleisten sei.
[3] Das Erstgericht wies den Antra g a limine mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurück, weil die Antragstellerin inhaltlich – auch wenn sie eine Verletzung des Kindeswohls behaupte – keinen privatrechtlichen Anspruch geltend mache, handle es sich beim Schulunterricht, zu dem sie einen „ungestörten“ Zugang begehre, doch um eine hoheitliche Tätigkeit.
[4] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und teilte dessen Rechtsansicht, wonach der begehrte Zugang zum (Präsenz )Unterricht ohne die in der COVID-19-Schulverordnung normierten Beschränkungen den Hoheitsbereich betreffe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei „in Anbetracht der Bedeutung des Schulbesuchs für die Antragstellerin“ und weil der Rechtsfrage der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs im Zusammenhang mit an Schulen vollzogenen Corona-Maßnahmen erhebliche Bedeutung zukomme, zulässig.
[5] Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch – nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Nach ständiger Rechtsprechung erfolgt die Erteilung des Unterrichts hoheitlich (vgl RIS Justiz RS0049933; RS0022978). Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948).
[7] 2. Die von der Antragstellerin bekämpften Maßnahmen sind Ausfluss eines aufgrund der epidemiologischen Situation in Österreich normierten schulischen Sicherheitskonzepts. Sie beruhen auf einer entsprechenden Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID 19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2021/2022 (BGBl II 374/2021) bzw (bis 31. 8. 2021) auf einer solchen Verordnung für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 (BGBl II 208/2020).
[8] 3. Der Oberste Gerichtshof nahm zu der von der Revisionsrekurswerberin aufgeworfenen und von ihr als erheblich iSd § 62 Abs 2 AußStrG bezeichneten Rechtsfrage, ob ein im Wesentlichen vergleichbares Rechtsschutzbegehren einen privatrechtlichen Anspruch begründe, bereits zu 3 Ob 219/21h (Zak 2022/255) Stellung. Demnach sei der Rechtsweg für ein – auch hier erhobenes – Begehren, mit dem das Gericht einem „Rechtsträger“ ein bestimmtes hoheitliches Tun oder Unterlassen auftragen soll, unzulässig. Da einer gerichtlichen Rechtsdurchsetzung der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung entgegenstehe (vgl auch RS0010522 [T5]), könne ein Gericht einer Verwaltungsbehörde nicht verbieten, in einer Verwaltungsangelegenheit tätig zu werden oder in einer solchen Angelegenheit bestimmte Handlungen zu unterlassen (vgl RS0010522 [T3, T4, T6, T9, T11]).
[9] 4. Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung – ebenso wie bereits der 7. Senat zu 7 Ob 35/22f (vgl auch 4 Ob 222/21g) – an. Die Revisionsrekurswerberin vermag an dieser keine begründeten Bedenken zu wecken.
[10] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG.