JudikaturOGH

1Ob87/22h – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Verlassenschaft *, zuletzt wohnhaft in *, und 2. W*, beide vertreten durch Dr. Stefan Gloß ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. Ing. A* und 2. A*, vertreten durch die Hintermeier Brandstätter Engelbrecht Rechtsanwälte OG, St. Pölten, wegen Feststellung und Einverleibung einer Servitut sowie Unterlassung und Beseitigung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 15. Februar 2022, GZ 21 R 198/21g 26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Melk vom 13. Juli 2021, GZ 12 C 202/21s 21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.170,20 EUR (darin 195,03 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Kläger behaupten, dass zugunsten ihres Grundstücks ein Geh und Fahrrecht über einen bestimmten sich aus einem von ihnen vorgelegten Plan ergebenden Weg über das Grundstück der Beklagten bestehe. Sie leiten ihr auf Feststellung des Bestehens dieses Rechts, Zustimmung zu dessen Einverleibung im Grundbuch sowie auf Unterlassung und Beseitigung von „Behinderungen des Wegs“ gerichtetes Klagebegehren daraus ab, dass in einem zwischen den Parteien geführten Vorverfahren das Bestehen eines (durch Ersitzung erworbenen) Wegerechts „dem Grunde nach“ festgestellt worden sei. Im vorliegenden Prozess sei nur mehr dessen genauer Verlauf zu klären. Das im Vorverfahren ergangene Urteil sei dazu widersprüchlich geblieben und nicht exequierbar; eine von den Klägern erhobene Titelergänzungsklage sei erfolglos geblieben. Die Beklagten hätten ein ihr Grundstück belastendes Wegerecht auch – in einer gegen die Kläger erhobenen, auf Unterlassung des Begehens oder Befahrens ihres Grundstücks außerhalb eines konkret bezeichneten „Alternativwegs“ gerichteten Klage – „dem Grunde nach“ anerkannt. Trotz entsprechender Einwendungen der Beklagten erstatteten sie auch nach Erörterung durch das Erstgericht kein Vorbringen zu den Ersitzungsvoraussetzungen.

[2] Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts. Das im Vorverfahren ergangene Urteil entfalte keine Bindungswirkung „dem Grunde nach“. Die Feststellung eines Wegerechts habe sich (insbesondere bei einer – hier behaupteten – Ersitzung) auf eine konkrete Grundfläche zu beziehen, weshalb einer Entscheidung, mit der das Bestehen eines solchen Rechts festgestellt wird, nur hinsichtlich eines bestimmten Servitutswegs Bindungswirkung zukommen könne. Da die im Vorverfahren ergangene Entscheidung zum konkreten Verlauf des „festgestellten“ Geh und Fahrrechts widersprüchlich sei und ihr daher keine Bindungswirkung zukomme, hätten die Kläger im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen für die Ersitzung eines solchen Rechts am (nunmehr) konkret bezeichneten „Servitutsweg“ behaupten müssen. Da sie dazu kein Vorbringen erstatteten, sondern nur auf die Ergebnisse des Vorverfahrens verwiesen, habe das Erstgericht die Klage zu Recht als unschlüssig abgewiesen. Dem Klagebegehren komme auch insoweit keine Berechtigung zu, als es auf ein Anerkenntnis der behaupteten Servitut durch die Beklagten „dem Grunde nach“ gestützt wurde.

[3] Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 5.000 EUR aber nicht 30.000 EUR; die Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob auch bloß das Bestehen einer Wegeservitut „dem Grunde nach“ von der Bindungswirkung einer Entscheidung erfasst sein könne.

[4] Der dagegen erhobene – teilweise nur schwer verständliche – Revisionsrekurs der Kläger ist entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird:

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Die Kläger stehen auch in dritter Instanz auf dem Standpunkt, es sei im Vorverfahren bindend festgestellt worden, dass ihnen „grundsätzlich“ bzw „dem Grunde nach“ das Recht zustehe, über das Grundstück der Beklagten zu gehen und zu fahren. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich ihr Begehren im vorliegenden Verfahren auf einen konkret beschriebenen Servitutsweg bezieht. Dass sich die (widersprüchliche) Vorentscheidung (auch) auf diesen Wegverlauf bezog, behaupten die Revisionsrekurswerber gar nicht. Daraus, dass im Vorverfahren ein gänzlich unbestimmtes Wegerecht festgestellt wurde, ist für ihr nunmehriges Klagebegehren nichts zu gewinnen. Die Behauptung der Rechtsmittelwerber, mit dem im Vorverfahren ergangenen Urteil wäre ein Wegerecht an einem konkreten Weg festgestellt worden (dass dieser dem im vorliegenden Verfahren dargelegten Wegverlauf entspräche, wird allerdings nicht behauptet), widerspricht der im Titelergänzungsverfahren zu 3 Ob 1/20y ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, wonach dieses Urteil auch unter Berücksichtigung seiner Entscheidungsgründe offen lasse, welcher Wegverlauf festgestellt werden sollte. Eine der Rechtskraft fähige und daher – als deren Folge (vgl RIS Justiz RS0041567) – eine Bindungswirkung entfaltende Entscheidung über den Grund eines Anspruchs käme außerdem nur bei einem sowohl dem Grund als auch der Höhe nach strittigen Recht in Betracht, was ein auf Geld oder vertretbare Sachen gerichtetes Begehren voraussetzt (vgl Deixler-Hübner in Fasching / Konecny ³ § 393 ZPO Rz 3/1 mwN; siehe auch RS0106407). Ein solches ist im vorliegenden Fall aber nicht zu beurteilen.

[6] 2. Da die Kläger trotz Erörterung durch das Erstgericht kein Vorbringen zu den Voraussetzungen der behaupteten Ersitzung eines Geh und Fahrrechts an dem im vorliegenden Verfahren bezeichneten Weg erstatteten (ihre Bezugnahme auf den Akt des Vorverfahrens ersetzt ein konkretes Vorbringen nicht; vgl RS0017844 [insb auch T3 und T4 zu Hinweisen auf Vorakten]; RS0037915), sondern auf ihrem unzutreffenden Standpunkt beharrten, das ihnen zukommende Wegerecht sei im Vorverfahren bereits „dem Grunde nach“ bindend festgestellt worden, nahmen die Vorinstanzen ohne Fehlbeurteilung eine Unschlüssigkeit der Klage an.

[7] 3. Zu der in der Revision ebenfalls aufrecht erhaltenen Anspruchsgrundlage eines (konstitutiven) Anerkenntnisses ist anzumerken, dass ein solches zwar grundsätzlich ein tauglicher Titel für die Begründung einer Dienstbarkeit sein kann (vgl RS0101795). Hier scheitert die Annahme eines konstitutiven Anerkenntnisses als Rechtstitel für das von den Klägern behauptete Geh und Fahrrecht aber schon an der fehlenden Behauptung, dieses habe sich auf die von ihnen im vorliegenden Verfahren konkret bezeichnete Wegführung bezogen. Sie legen vielmehr unmissverständlich dar, dass sie der einzigen von der Beklagten angebotenen Trasse nicht zugestimmt haben.

[8] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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