JudikaturOGH

11Os37/22h – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Mai 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 10. Dezember 2021, GZ 11 Hv 88/21m 32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * R* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Wels vom 16. März 2021, AZ 38 Hv 14/21b, zu einer Zusatzstrafe verurteilt.

[2] Danach hat er am 6. März 2021 in E* eine wehrlose Person, und zwar die in Folge Alkoholkonsums widerstandsunfähige * H*, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf und eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vornahm, indem er zuerst mit dem Finger und schließlich mit seinem Penis vaginal in sie eindrang.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) stützt sich auf die Abweisung folgender Beweisanträge (ON 31 S 13 f):

„Vernehmung von * M* zum Beweis dafür, dass zwischen dem Angeklagten und H* bereits zuvor Geschlechtsverkehr stattgefunden hat und daher die Aussage von H* sowohl bei ihrer polizeilichen Vernehmung als auch bei der kontradiktorischen Vernehmung, dass es keinen Verkehr zwischen beiden gab, falsch ist. Die Vernehmung von M* sei daher geeignet, die Unschuld des Angeklagten zu beweisen.

Vernehmung von * O* und * S*; dies zum Beweis dafür, dass R* zu keiner Zeit Handlungen gegen den Willen einer anderen Person gesetzt hat und daher die Angaben von * K* nicht der Wahrheit entspricht. Dies ist ebenso geeignet dafür, dass der Geschlechtsverkehr zwischen R* und H* immer einvernehmlich erfolgt ist.“

[5] Der auf die angeblich fehlende Glaubhaftigkeit des Opfers und einer weiteren Zeugin abzielende Beschwerdeführer verkennt, dass der Bezugspunkt der Beurteilung der Erheblichkeit des Beweisthemas nicht in der Bewertung dieses Umstands liegt , sondern ausschließlich in entscheidenden Tatsachen (RIS Justiz RS0119422 [T2, T4, T6]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 398 ff [432]).

[6] Auch wenn eine Beweisführung über die Beweiskraft von schulderheblichen Beweismitteln, etwa zur Glaubhaftigkeit von Zeugen, durch sogenannte Kontrollbeweise angezeigt sein kann (RIS Justiz RS0028345, RS0120634) und bestimmte Umstände unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftigkeitsbeurteilung erhebliche Tatsachen darstellen können (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 340; RIS Justiz RS0120109), sind Voraussetzung einer solchen Erheblichkeit Anhaltspunkte für eine habituelle und demzufolge Aussagen im Strafverfahren erschütternde Falschbezichtigungstendenz des Zeugen oder für einen Zusammenhang früherer falscher Angaben mit dem aktuellen Verfahrensgegenstand. Anhaltspunkte dafür hat der Nichtigkeitswerber nicht dargetan.

[7] Zutreffend hat überdies bereits das Erstgericht erkannt, dass die Vernehmung des Zeugen M* schon deshalb unterbleiben konnte, weil die Tatsache eines früheren Geschlechtsverkehrs zwischen dem Angeklagten und dem (im Übrigen auch damals alkoholisierten) Opfer von den Tatrichtern ohnedies angenommen wurde (US 7 f; § 55 Abs 2 Z 3 StPO).

[8] Das – im Hauptverfahren aber unzulässige – Erkundungsziel des anderen Antrags zeigt sich schon darin, dass dieser keine Anhaltspunkte für derart umfassende („zu keiner Zeit“) Wahrnehmungen der beiden Zeuginnen darlegte und somit die Tauglichkeit dieser Beweismittel für das angestrebte Beweisthema im Dunkeln blieb.

[9] Die Verfahrensrüge musste somit erfolglos bleiben.

[10] Die Mängelrüge (Z 5) kritisiert, dass die Zusatzstrafe des angefochtenen Urteils ohne ausreichende Begründung lediglich teilbedingt nachgesehen wurde und erstattet sohin sinnfällig ein reines Berufungsvorbringen.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt sohin dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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