3Ob33/22g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J* GmbH, *, vertreten durch Dr. Karl Klein, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F* A*, vertreten durch Mag. Niki Zaar, Rechtsanwältin in Wien, wegen 119.056,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2021, GZ 13 R 145/21w 90, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mangel im erstinstanzlichen Verfahren, der in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurde, nicht mehr in der Revision erfolgreich gerügt werden (RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RS0042963 [T58]). Nur wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat, liegt ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vor, der als Feststellungsmangel in der Revision (mittels Rechtsrüge) geltend zu machen ist (RS0040597 [T3, T4]; RS0043086; RS0043166).
[2] 1.2 Das Erstgericht kam dem Beweisantrag des Beklagten, der Klägerin die Vorlage ihrer Bilanz aus dem Jahr 2018 aufzutragen, nicht nach. Das Berufungsgericht verneinte einen darin liegenden Verfahrensmangel im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Beweisantrag zu unkonkret und unsubstanziiert gewesen sei und den Anforderungen des § 303 Abs 2 ZPO nicht entsprochen habe. Schließlich sei der allgemeinen Behauptung des beklagten Werkbestellers, die klagende Werkunternehmerin habe aus einem anrechenbaren Ersatzprojekt „mehr als 90.000 EUR erworben“, nicht zu entnehmen, bei welchen Aufträgen mit welchen Vertragspartnern welche Gewinne erwirtschaftet worden seien. Davon, dass sich das Berufungsgericht mit der Verfahrensrüge nicht ausreichend befasst hätte, kann daher nicht gesprochen werden.
[3] 2.1 Eine bloß mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden (RS0043371). Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RS0043150). Das war hier der Fall.
[4] 2.2 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang die Beweiswürdigung zur Tatsache bekämpft, dass die Klägerin durch das Unterbleiben der Werkausführung für den Beklagten, der grundlos vom Vertrag zurücktrat, keinen Gewinn durch anderweitige Verwendung gemacht hat, wendet er sich unzulässig gegen den in dritter Instanz nicht mehr überprüfbaren Sachverhalt.
[5] 3.1 Eine – wie die außerordentliche Revision meint – unrichtige Auslegung der Bestimmung des § 1168 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB durch das Berufungsgericht ist nicht erkennbar: Die Regelung des § 1168 Abs 1 ABGB bezweckt, die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts für den Unternehmer zu erhalten. Er soll durch die Stornierung des Werkauftrags keine Schlechterstellung, allerdings auch keine Besserstellung auf Kosten des Vertragspartners erfahren (RS0021779). Nach dem Sachverhalt hat die Klägerin zwar rund eine Woche nach dem Rücktritt des Beklagten vom Werkvertrag die Errichtung eines Doppelhauses übernommen, allerdings hätte sie dieses Bauvorhaben auch realisiert, wenn sie das Betriebsgebäude des Beklagten vereinbarungsgemäß errichtet hätte; das zusätzliche Bauvorhaben war kein Ersatz für das vom Beklagten vereitelte Projekt. Entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers besteht kein Widerspruch zu der von ihm zitierten Entscheidung 3 Ob 126/11t, weil dort lediglich ausgesprochen wurde, dass es zu einer Anrechnung aufgrund eines Erwerbs durch anderweitige Verwendung vor allem dann kommen könne, wenn der Unternehmer einen Auftrag annimmt, den er wegen Vollauslastung seiner Leistungskapazität ohne Ausfall der Werkleistung nicht übernehmen hätte können. Im vorliegenden Fall steht allerdings das Gegenteil fest und der Beklagte hat nicht einmal behauptet, dass die Klägerin ohne den Entfall seines Bauvorhabens das andere Projekt wegen fehlender Kapazitäten nicht durchführen hätte können. Im Übrigen war auch ein Gewinn aus diesem Projekt nicht feststellbar. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist daher insgesamt nicht zu beanstanden.
[6] 3.2 Entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers ist dem Berufungsgericht auch im Zinsenzuspruch keine unrichtige rechtliche Beurteilung unterlaufen, denn bei Abbestellung des Werks tritt sofortige Fälligkeit des Werklohns ein (vgl RS0021845 [T2]) und bei allfälligen Mängeln der Rechnungslegung wirkt deren Behebung im Prozess auf den Zeitpunkt der Klagseinbringung zurück (8 Ob 149/02y mwN).
[7] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).