9Ob27/22v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei R* K*, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T* Limited, *, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.115 EUR und 78.486,26 US Dollar sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2022, GZ 12 R 104/21h 18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 27. September 2021, GZ 6 C 29/21f 12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.280,06 EUR (darin 380,01 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Beklagte ist eine Limited nach maltesischem Recht mit Sitz in Malta und verfügt über keine österreichische Glücksspielkonzession. Sie bietet in Österreich gewerbsmäßig die Möglichkeit an, über das Internet an Glücksspielen teilzunehmen. Die Kunden der Beklagten registrieren sich mit ihren persönlichen Daten auf der Online Plattform der Beklagten und überweisen der Beklagten Geld, das als Einsatz bei den Spielen dient. Die Beklagte ist an diesen Spielen nicht beteiligt. Sie weist die Spielgewinne aus den von den Verlierern einbezahlten Beträgen den jeweiligen Gewinnern zu. Der Kläger nahm im Zeitraum vom 20. 7. 2009 bis 20. 6. 2019 an von der Beklagten angebotenen Pokerspielen teil und verlor dabei 78.486,26 US Dollar. Außerdem zahlte er 2.115 EUR an die Beklagte, die er nicht zurück erhielt.
[2] Der Kläger begehrt von der Beklagten diese Beträge aus den Titeln der Bereicherung und Schadenersatz unter Hinweis auf die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge. Die Beklagte biete in unzulässiger Weise in Österreich Glücksspiel an, ohne im Besitz einer gültigen Konzession zu sein.
[3] Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren und wendet – sofern noch im Revisionsverfahren relevant – im We sentlichen ihre mangelnde Passivlegitimation ein. N icht mit ihr, sondern nur mit seinen Gegenspielern habe der Kläger Glücksspielverträge abgeschlossen. Eine allfällige Rückabwicklung bzw Inanspruchnahme wegen Schadenersatz habe daher nur zwischen den Spielern stattzufinden. Die Beklagte hebe nur aufgrund des mit den Kunden abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags eine Servicegebühr für das Bereitstellen der Poker Plattform ein. Sie beteilige sich aber nicht an den Spielen. Eine Bereicherung der Beklagten in Höhe der Spielverluste der Spielteilnehmer aus Pokerspielen liege daher nicht vor. Darüber hinaus erhob die Beklagte den Einwand des Mitverschuldens und wendete Gegenforderungen aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Verletzung der Nachforschungspflicht nach § 52 Abs 5 GSpG durch den Kläger sowie aus einem ihr zustehenden angemessenen Entgelt für den vom Kläger konsumierten Unterhaltungswert jeweils bis zur Höhe der Klageforderung ein.
[4] Das Erstgericht erachtete die Klageforderung als berechtigt (Spruchpunkt 1.) und die bis zur Höhe der Klageforderung eingewendete Gegenforderung (aus dem Titel des Schadenersatzes) als nicht berechtigt (Spruchpunkt 2.). Die für an den Kläger erbrachte Leistungen (Unterhaltungswert) eingewendete Gegenforderung wies es zurück (Spruchpunkt 3.) und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der Klagsbeträge (Spruchpunkt 4.).
[5] Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe, dass die Gegenforderung aus für den Kläger erbrachte Leistungen (Spruchpunkt 3.) nicht zu Recht besteht. Zur Frage der Passivlegitimation der Beklagten führt es zusammengefasst aus, dass die Beklagte zwar am Pokerspiel nicht selbst teilnehme, aber der Spieler mit der Beklagten jedenfalls einen die Organisation des Online Pokerspiels und die gesamte Zahlungsabwicklung umfassenden (Rahmen )Vertrag abschließe. Die Beklagte sei daher in Bezug auf die klagsgegenständlichen Rückabwicklungsansprüche passiv legitimiert. Aufgrund der Nichtigkeit der Glücksspielverträge wegen fehlender Konzession könne der Kläger seine Spieleinsätze zurückfordern.
[6] Die ordentliche Revision ließ es zu, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob der Betreiber von verbotenen Online Pokerspielen, der Einsätze entgegennehme und abzüglich einer Provision an Gewinner auszahle, für die Rückforderung solcher Einsätze aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung passiv legitimiert sei .
[7] Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[8] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112921). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht mehr im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich, wenn sie durch eine oder mehrere andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde ( RS0112921 [T5] ).
[9] 2. Zu den hier zu beurteilenden Rechtsfragen hat der Oberste Gerichtshof zuletzt ua in den ebenfalls die Beklagte betreffenden Verfahren 6 Ob 229/21a, 6 Ob 207/21s 3 Ob 197/21y, 9 Ob 79/21i und 9 Ob 16/22a kürzlich Stellung genommen.
[10] Dazu wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich die Rechtsfolgen der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Verbots und Sittenwidrigkeit nach einer Analogie zu § 877 ABGB richten. Die Passivlegitimation der Beklagten ergebe sich schon daraus, dass diese Empfängerin der Leistung des Klägers gewesen sei. Durch die wiederkehrenden Geldüberweisungen des Klägers sei die Beklagte unmittelbar bereichert worden, ganz unabhängig davon, dass es sich dabei jeweils noch nicht um die Leistung eines Spieleinsatzes im Rahmen eines unerlaubten Glücksvertrags gehandelt habe. Ein Belassen der Zahlung oder die Anwendung der § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB, auch wenn die Zahlung nicht geleistet werde, um das verbotene Spiel unmittelbar zu bewirken, sondern „nur“ um am Spiel überhaupt teilnehmen zu können, widerspräche überdies dem Verbotszweck der §§ 2 Abs 1 und 4 in Verbindung mit § 4 Abs 1 GSpG (vgl insb 6 Ob 229/21a [Pkt 5]).
[11] 3. Von diesen Grundsätzen abzugehen bietet die vorliegende Revision, die keine anderen Argumente für ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt vorbringt, als in den oben erwähnten Verfahren , keinen Anlass. Die klagsstattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit dieser Rechtsprechung im Einklang, sodass die Revision der Beklagten mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen war.
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).