9Ob26/22x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Allmayer Beck Stockert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T* Limited, *, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 13.881,14 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2022, GZ 3 R 411/21w 13, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 19. Oktober 2021, GZ 8 C 220/21y 9, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Die Beklagte ist eine Limited nach maltesischem Recht mit Sitz in Malta und verfügt über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority für Online Glücksspiele (Echtgeldpoker und Casinospiele). Eine Konzession für ihre Tätigkeiten in Österreich iSd § 12a GSpG für elektronische Lotterien hat sie nicht, bietet aber über ihre deutschsprachige Website in Österreich Internet Glücksspiel (Echtgeldpoker und Casinospiele) an. Der in Österreich wohnhafte Kläger richtete bei der Beklagten einen Account zur Teilnahme am Online Glücksspiel ein. Grundlage und Vertragsbestandteil für die zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit welchen sich der Kläger bei seiner Registrierung einverstanden erklärte. Der Kläger spielte zu privaten Zwecken von November 2011 bis Dezember 2015 diverse von der Beklagten angebotene Online-Glücksspiele, überwiegend Online Echtgeld Poker und erlitt dabei Spielverluste von insgesamt 13.881,14 EUR. Auf dem Spielerkonto des Klägers wurden sämtliche Zahlungsflüsse, insbesondere die Transferierung der eingelösten Wetteinsätze und erzielten Spielgewinne, zwischen dem Kläger und der Beklagten abgewickelt. Sowohl ein Nutzerkonto als auch ein Spielguthaben ist Voraussetzung für die Teilnahme an von der Beklagten angebotenem Glücksspiel.
[2] Der Kläger begehrt 13.881,14 EUR sA, weil die mit der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge mangels Konzession nach dem GSpG nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig seien und der saldierte Verlustbetrag bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln sei.
[3] Die Beklagte bestreitet und wendet – sofern noch im Revisionsverfahren relevant – im We sentlichen die fehlende Passivlegitimation ein, weil der dem Pokerspiel zugrundeliegende Vertrag zwischen den Spielern untereinander und nicht mit dem Anbieter der Website zustande gekommen sei. Die Beklagte hebe nur eine Servicegebühr für das Bereitstellen der Pokerplattform ein.
[4] Das Erstgericht gab der Klage statt .
[5] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten keine Folge und führte – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – aus, dass die Beklagte zwar am Pokerspiel nicht selbst teilnehme, aber die gesamte Organisation einschließlich der Einhebung der Einsätze und Auszahlung der Gewinne übernehme. Die Beklagte sei damit Vertragspartner des Klägers und in Bezug auf die Rückabwicklungsansprüche passivlegitimiert. Aufgrund der Nichtigkeit der Glücksspielverträge wegen fehlender Konzession, könne der Kläger seine Spieleinsätze zurückfordern.
[6] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines (verbotenen) Online Pokerspiels keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
[7] Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgericht (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht mehr iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblich, wenn sie durch eine oder mehrere andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (vgl 8 Ob 23/08b ua).
[9] 2. Zu den hier zu beurteilenden Rechtsfragen hat der Oberste Gerichtshof in den ebenfalls die Beklagte betreffenden Verfahren 6 Ob 229/21a, 6 Ob 207/21s, 3 Ob 197/21s und 9 Ob 79/21i kürzlich Stellung genommen.
[10] Dabei verwies er darauf , dass gemäß § 2 Abs 1 und 4 in Verbindung mit § 4 Abs 1 GSpG bereits das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspiel durch einen Unternehmer verboten sei; und zwar auch dann, wenn er nicht selbst am Spiel teiln ehme und etwa die Gewinne stelle, sondern nur auf sonstige Weise an der Durchführung des Spiels mitwirke. Vor diesem Hintergrund k önne keinem Zweifel unterliegen, dass der Vertrag, mit dem dem Kläger die Teilnahme an Online Pokerspielen auf der Website der Beklagten ermöglicht w orden sei , nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig sei .
[11] D ie Rechtsfolgen der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Verbots- und Sittenwidrigkeit richteten sich nach einer Analogie zu § 877 ABGB. Die Passivlegitimation der Beklagten ergebe sich schon daraus, dass diese Empfängerin der Leistung des Klägers gewesen sei . Durch die wiederkehrenden Geldüberweisungen des Klägers sei die Beklagte unmittelbar bereichert worden, ganz unabhängig davon, dass es sich dabei jeweils noch nicht um die Leistung eines Spieleinsatzes im Rahmen eines unerlaubten Glücksvertrags gehandelt habe. Ein Belassen der Zahlung oder die Anwendung der § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB, auch wenn die Zahlung nicht geleistet werde, um das verbotene Spiel unmittelbar zu bewirken, sondern „nur“ um am Spiel überhaupt teilnehmen zu können, widerspräche überdies dem Verbotszweck des § 2 Abs 1 und 4 in Verbindung mit § 4 Abs 1 GSpG (vgl insb 6 Ob 229/21a).
[12] 3. Von diesen Grundsätzen abzugehen bietet die vorliegende Revision keine Veranlassung. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang, sodass die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen war.
[13] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO (vgl RS0112921 [T6]) .