11Os25/22v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen * Ö* wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 13. Dezember 2021, GZ 17 Hv 65/21i 28, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Ö* des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens de r Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er nachts zum 25. Oktober 2021 in E*
I./ mit Gewalt gegen eine Person R* fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem er s ie an den Haaren riss, zu Boden zog, sich auf ihre Oberarme kniete und aus ihrer Handtasche eine Geldbörse samt 160 Euro sowie Gutscheine im Gesamtwert von 70 Euro an sich nahm,
II./ eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich die e card der R* mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis, eines Rechtsverhältnisses, konkret des Nachweises eines aufrechten Sozialversicherungsverhältnisses gebraucht werde.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung am 21. Dezember 2021 (ON 27 S 15 f) gestellten Anträge auf 1./ Vernehmung „ des Polizeibeamten * W* ... zum Beweis dafür, dass die Schilderungen [der Zeugin] immer wieder variieren“ und 2./ „… zum Beweis dafür, dass der Angeklagte um 0.03 Uhr gar nicht mehr in der Wohnung … gewesen ist und er sich nicht in der Nähe der Wohnung befunden hat, [auf] Auswertung der Standortdaten des Handys“ wurden – der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider – Verteidigungsrechte nicht verletzt.
[5] Das Beweisthema zu 1./ zielte im Hinblick auf die bestreitende Verantwortung des Angeklagten erkennbar darauf ab, die Glaub haftigkeit der Zeugin zu erschüttern (zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Beweisführung: RIS Justiz RS0098429, RS0028345; Ratz , WK StPO § 281 Rz 340 und 350; zu den – hier nicht erfüllten – Voraussetzungen: RIS Justiz RS0120109 [T3]). Ein Antrag auf Vernehmung von Zeugen muss auf Wahrnehmung von Tatsachen abzielen, nicht deren (allfällige) Bewertung (RIS Justiz RS0097540), sodass die Einschätzung des Beamten zu – im Übrigen bei der Antragstellung völlig im Dunkeln gelassenen (RIS Justiz RS0118060) – „Variationen“ in den gleichermaßen nicht konkretisierten und mit Wahrnehmungen des Zeugen in Zusammenhang gebrachten Aussagen des Opfers völlig unerheblich ist (s dazu US 7).
[6] Dem weiteren Antrag war nicht zu entnehmen, inwiefern das durch die begehrte Beweisaufnahmen angestrebte Ergebnis für die Schuld oder die Subsumtionsfrage relevant sein sollte (RIS Justiz RS0098557, ua [T5, T7]), zumal der Angeklagte seine Anwesenheit in der Wohnung des Opfers in der Tat nacht gar nicht in Abrede stellte (RIS Justiz RS0118444; Ratz , WK StPO § 281 Rz 330).
[7] Der Vorwurf der Mängelrüge, das Erstgericht habe „sich in keiner Weise mit den Aussagen des Angeklagten, wonach dieser keinerlei finanzielle Probleme hat, auseinandergesetzt“ spricht keine entscheidende Tatsache an (RIS Justiz RS0117499). Das weitere Vorbringen , das Urteil lasse zur subjektiven Tatseite (zu I./ und II./) „jegliche Begründung“ vermissen , nimmt nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß (US 7). Solcherart wird die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes verfehlt (RIS Justiz RS0119370). Ergänzend verbleibt anzumerken, dass der von den Tatrichtern gezogene Schluss vom objektiven Verhalten des Angeklagten auf sein zugrunde liegendes Wollen und Wissen (US 7) rechtsstaatlich ohne Weiteres vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch auch gar nicht zu ersetzen ist (RIS Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz , WK StPO § 281 Rz 452).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.