11Os21/22f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen * O* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 19. November 2021, GZ 18 Hv 15/21h 24, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * O* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (1) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (2) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in F* und anderen Orten Vorarlbergs
1) im Zeitraum Ende März bis Anfang April 2021 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten * U* als Mittäter unbekannte Drogenlieferanten im Ausland dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), in diesem Zeitraum vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) deutlich übersteigenden Menge, nämlich ca 3.000 Gramm Amphetamin (Reinsubstanzgehalt 224,778 Gramm – US 3), mittels Briefsendung aus den Niederlanden über Deutschland aus- und nach Österreich einzuführen, indem er mit * U* die von * U* durchgeführten Suchtgiftbestellungen im Internet/Darknet vereinbarte und das Geld für den Ankauf zur Verfügung stellte;
2) im Zeitraum Jänner 2016 bis Oktober 2020 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich ca 100 Gramm Amphetamin (Reinsubstanzgehalt 6 % – US 4) an * U* und ca 70 Gramm Marihuana (Reinsubstanzgehalt 13 % THC – US 3) an * S* durch Verkäufe und Übergaben einem anderen überlassen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Soweit der Rechtsmittelantrag auf gänzliche Urteilsaufhebung abzielt, der Schuldspruchpunkt 2 inhaltlich jedoch nicht angefochten wurde, blieb die Nichtigkeitsbeschwerde mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO).
[5] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung von Beweisanträgen Verteidigungsrechte nicht verletzt.
[6] Der Antrag auf Vernehmung des * B *, des K* H* und der N* H* zum Nachweis, dass kein Amphetamin in der Wohnung des Angeklagten war (ON 23 S 3) und dass entsprechende Angaben der V* K* zum Betreiben einer Indoor Anlage und dem Besitz größerer Mengen an Amphetamin durch den Angeklagten unwahr seien, ließ – abgesehen von der Sicherstellung der 3.000 Gramm Amphetamin in einem Paketverteilerzentrum in Deutschland (US 3 – vgl RIS-Justiz RS0116987) – nicht erkennen, inwiefern solcherart eine erhebliche Tatsache, mithin eine Tatsache, die nach den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht gänzlich ungeeignet ist, den Ausspruch über entscheidende Tatsachen, das heißt für Schuldspruch oder Subsumtion relevante Tatsachenfeststellung zu beeinflussen, angesprochen wird (RIS-Justiz RS0118319 [T3]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 340).
[7] Soweit damit die Glaubwürdigkeit des Angeklagten unterstrichen, „insbesondere dass [sie] er keine Bestellung von 3.000 Gramm Amphetamin in Auftrag gegeben hat“ (ON 23 S 3), werden sollte, wäre darzulegen gewesen, warum die genannten Zeugen die Möglichkeit zur lückenlosen Wahrnehmung des Verhaltens des Angeklagten zur Tatzeit gehabt haben sollten.
[8] Der Antrag auf Vernehmung der * St* zum Nachweis, dass (der in der Hauptverhandlung im Übrigen nicht vernommene) N* K* ihr gegenüber angekündigt habe, dem Angeklagten zu schaden, was ein Motiv für eine Falschbeschuldigung zeige (ON 23 S 2 f iVm ON 22 S 5), zielte – noch dazu ohne Bekanntgabe der nicht ohne weiteres erkennbaren Relevanz des Beweisthemas für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 321 und 327) – auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS-Justiz RS0099841, RS0099353).
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[10] In Bezug auf die Festellung zur subjektiven Tatseite (US 3 dritter Absatz) lässt eine Analyse unter Heranziehung des Tenors („in einer das 15-fache der Grenzmenge [§ 28b] deutlich übersteigenden Menge) und der Umstände, dass die Tatrichter die Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf das – die Bestimmung zur Aus- und Einfuhr von 3 kg Amphetamin mit einer Reinsubstanz von 224.778 Gramm umfassende – objektive Tatgeschehen gründen (US 6) und das vielfache Überschreiten der Grenzmenge als erschwerend werten (US 7), die (Text-)Beurteilung zu, dass die Tatrichter die entscheidende Tatsache – nämlich eines auf Überschreiten des Fünfzehnfachen der Grenzmenge gerichteten Vorsatzes – feststellen wollten ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 19).
[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.