2Nc14/22i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie den Hofrat MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Skribe Rechtsanwaelte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*, wegen 1.291,02 EUR sA, über den Ordinationsantrag der klagenden Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.
Text
Begründung:
[1] Die in Österreich wohnhafte Klägerin erhob gegen ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Serbien Klage auf Zahlung von 1.291,02 EUR aufgrund der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (EU FluggastVO). Das von der Klägerin angerufene Bezirksgericht Schwechat sprach rechtskräftig seine internationale Unzuständigkeit aus.
[2] Nunmehr beantragt die Klägerin eine Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN. Die Beklagte habe ihr aufgrund der Annullierung eines Flugs von Wien (über Belgrad) nach Australien die Ticketkosten gemäß Art 8 EU FluggastVO zu refundieren. Die Rechtsverfolgung in Serbien sei unzumutbar.
[3] Der Ordinationsantrag ist berechtigt .
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. An die rechtskräftige Verneinung der internationale n Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Bezirksgerichts Schwechat ist der Oberste Gerichtshof gebunden (2 Nc 12/19s mwN).
[5] 2. Die Klägerin begehrt eine Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN. Diese Bestimmung soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines inländischen Gerichtsstands ein Bedürfnis nach Gewährung von inländischem Rechtsschutz besteht, weil die Sache ein Naheverhältnis zum Inland aufweist und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland fehlt (RS0057221 [T4]). Letzteres wird insbesondere dann angenommen, wenn eine Exekution im Inland angestrebt wird, eine am Sitz des Beklagten ergangene Entscheidung hier aber nicht vollstreckt würde (RS0046148 [T17]).
[6] 3 . Auf dieser Grundlage hat der Oberste Gerichtshof Ordinationsanträgen bereits in mehreren Entscheidungen stattgegeben , wenn der Kläger Ansprüche nach der EU FluggastVO sonst – wie hier – in Serbien geltend machen müsste (6 Nc 1/19b ZVR 2019/114, 259 [ zust Mayr ]; 2 Nc 1/22b; 9 Nc 2/22a ua).
[7] 4 . Im vorliegenden Fall besteht am Inlandsbezug kein Zweifel, weil sowohl der Abflugsort als auch der Wohnsitz der Klägerin in Österreich liegen. Der Aufwand einer Klage und Vollstreckung in Serbien stünde außer Verhältnis zum relativ geringen Klagebetrag. Zudem könnten Urteile serbischer Gerichte in Österreich mangels verbürgter Gegenseitigkeit (§ 406 EO) nicht vollstreckt werden. Damit ist eine Klage in Serbien – wie von der Klägerin behauptet – unzumutbar. Im Hinblick auf das unionsrechtliche Gebot der Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die Durchsetzung von Ansprüchen aus der EU FluggastVO sind die Anforderungen an die Behauptungs und Bescheinigungspflicht der Klägerin (§ 28 Abs 4 JN) nicht zu überspannen (2 Nc 1/20z; 5 Nc 13/19k).
[8] 5. Dem Ordinationsantrag ist daher stattzugeben. Bei der Auswahl des zu bestimmenden Gerichts ist auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung an das Bezirksgericht Schwechat zu erfolgen (zuletzt 2 Nc 1/22b).