JudikaturOGH

12Os25/22a – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. März 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Kostersitz in der Strafsache gegen * S* und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * S* und * A* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 15. Oktober 2021, GZ 37 Hv 29/21x 50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch jene Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last, die nicht durch das unzulässige Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verursacht worden sind.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * S* und * A* je mehrerer Verbrechen der schweren Körperverletzung nach (richtig) §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 2 StGB (B./), der Erstgenannte zudem je eines Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (A./1./), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (A./2./) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (A./3./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat bzw haben in L*

A./ * S*

1./ am 29. Juni 2020 Gewahrsamsträgern der P* KG eine fremde bewegliche Sache mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht, indem er ein T-Shirt im W ert von 19,99 Euro anprobierte und seine Jacke darüber anzog, wobei er beim Verlassen des Geschäfts vom Ladendetektiv beobachtet und angehalten wurde,

2./ am 12. November 2020 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückt, indem er die beiden amtlichen Kennzeichentafeln * des * B* von dessen PKW abmontierte und auf seinen nicht zum Verkehr zugelassenen PKW montierte,

3./ am 20. November 2020 eine fremde Sache beschädigt, indem er auf den PKW des * K*, einschlug, wodurch der linke Außenspiegel, die Fahrertüre samt Fenster, der linke Kotflügel, die Motorhaube und die vordere Stoßstange beschädigt wurden und ein Schaden in Höhe von 4.271,60 Euro entstand,

B/ am 20. November 2020 * S* und * A* in verabredeter Verbindung mit dem abgesondert verfolgten * Kr* andere am Körper verletzt, indem sie * Ö* und * K* in eine Tiefgarage folgten, Kr* dem Ö* nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug unvermittelt einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, in weiterer Folge S*, Kr* und A* gemeinsam auf Ö* einschlugen, anschließend dem zu Hilfe eilenden K* zunächst Faustschläge gegen den Kopf versetzten, sodass K* zu Boden ging, wo S* und Kr* ihm Fußtritte gegen den Kopf und gegen den Rücken versetzten, während A* weiter auf Ö* einschlug und zuletzt Kr* mit einer Metallvorhangstange auf den Kopf von Ö* einzuschlagen versuchte, wobei Ö* den Schlag mit dem linken Unterarm abwehren konnte, wodurch * Ö* in Form einer Beule über dem rechten Ohr und Schmerzen im Kopfbereich und * K* in Form einer Schwellung des linken Ohrs und im Bereich der Wangenknochen sowie Schmerzen im Rückenbereich verletzt wurden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wenden sich die jeweils auf § 281 Abs 1 Z 10a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten * S* und * A*.

[4] Voranzustellen ist, dass die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen erfordert. Die argumentative Vernachlässigung entscheidender Sachverhaltskomponenten oder der Ersatz einer tatrichterlichen Feststellung durch eigene Modifikationen wird diesem Erfordernis nicht gerecht (RIS Justiz RS0124801).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * S*:

[5] D ie Rüge beschränkt ihre Argumentation ausschließlich auf den Schuldspruch ./B, lässt dabei aber außer Acht, dass dem Beschwerdeführer nach den Urteilsfeststellungen zu A./1./ bis A./3./ drei weitere strafbare Handlungen zur Last liegen. Solcherart entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * A*:

[6] Dessen Beschwerde verfehlt das Anfechtungskalkül , indem sie ohne Bezug zur gegenständlichen Urteilsbegründung und insbesondere ohne Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Schöffengerichts zu der einer diversionellen Erledigung entgegenstehenden, als „manifeste[s] Bedürfnis“ zur „Selbstjustiz“ beurteilten Einstellung des Beschwerdeführers (US 11), argumentiert. Zudem lieg t dem Rechtsmittelwerber die Begehung zweier Verbrechen mi t einem fünf Jahre Freiheitsstrafe erreichenden Strafrahmen zur Last, sodass schon die Tatbestandsverwirklichung ein hohes Maß an krimineller Energie sowie einen erheblichen sozialen St örw ert und damit einen gesteigerten Unrechtsgehalt indiziert. Davon ausgehend macht die Beschwerde nicht deutlich, welche besonderen unrechts- oder schuldmindernden Umstände vorliegen, aufgrund derer die Schuld des Angeklagten als nicht schwer anzusehen sein sollte (vgl Schroll/Kert , WK StPO § 198 Rz 28 f).

[7] Damit erübrigt sich aber ein Eingehen auf die Rechtsmittelausführungen in Bezug auf die weiteren Diversionsvoraussetzungen.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[9] Die Entscheidung über ihre Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Zur Berufung der Staatsanwaltschaft:

[10] Unmittelbar nach der Urteilsverkündung am 15. Oktober 2021 gab die Vertreterin der Staatsanwaltschaft keine Erklärung ab (ON 49 S 22). Die dreitägige Frist zur Anmeldung des Rechtsmittels der Berufung endete daher mit Ablauf des 18. Oktober 2021 (§ 294 Abs 1 iVm § 284 Abs 1 StPO). Solcherart ist die erst am 20. Oktober 2021 bei Gericht eingelangte Berufungsanmeldung (ON 52) verspätet.

[11] Die – ausgeführte – Berufung (ON 58) war daher gemäß § 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO zurückzuweisen (RIS Justiz RS0100042; Ratz , WK StPO § 296 Rz 5).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 8).

Rückverweise