14Os12/22d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30. März 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M., sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M., in der Strafsache gegen * N* wegen des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 6. Dezember 2021, GZ 42 Hv 93/21a 28, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * N* des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 8. November 2021 in N* mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, * T* durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung an seinem Körper und Körperverletzungen seiner Sympathiepersonen zur unverzüglichen Rücküberweisung von (dem Opfer rechtmäßig zustehenden, US 3) 1.000 Euro zu nötigen versucht, indem er dem Genannten telefonisch ankündigte, ihm 1.000 Euro auf sein Konto zu überweisen, und ihn gleichzeitig aufforderte, diesen Betrag sofort rückzuüberweisen, andernfalls er ihn und seine Kinder abschlachten werde.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Die Mängelrüge (nominell Z 5 erster, zweiter und vierter Fall) richtet sich zunächst gegen die Feststellung, der Angeklagte sei „in Rage“ geraten, als er erkannt habe, dass gegen ihn eine Gehaltsexekution geführt und vermutlich auch sein Arbeitgeber davon in Kenntnis gesetzt wird, und habe sich „vollkommen unüberlegt“ entschlossen, das Opfer mit unterdrückter Nummer anzurufen und zur Rede zu stellen (US 3). Sie spricht – weil die Konstatierungen lediglich die Gemütslage des Angeklagten vor dem Telefonat, sein Vorhaben sowie die Art des Anrufs (mit unterdrückter Rufnummer thematisieren – keine entscheidenden, also für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage maßgeblichen (vgl dazu RIS-Justiz RS0099497) Tatsachen an, die allein den gesetzlichen Bezugspunkt einer Mängelrüge bilden (RIS-Justiz RS0117499).
[5] Gleiches gilt, soweit die Beschwerdeeinwände die Annahme des Erstgerichts betreffen, es könne nicht festgestellt werden, woher der Angeklagte die Telefonnummer des Opfers gehabt habe (US 3).
[6] Die Feststellungen zu den sinngemäßen Äußerungen des Angeklagten betreffend die Aufforderung zur Rücküberweisung von 1.000 Euro (US 3) stützten die Tatrichter auf die Angaben der Zeugen T* und * F* (US 5 f).
[7] Indem die Beschwerde (nominell Z 5 erster, zweiter und vierter Fall) einerseits Aussagen der Genannten in der Hauptverhandlung sowie des Zeugen T* vor der Polizei wiedergibt und behauptet, die Konstatierungen zum Wortlaut der inkriminierten Drohung würden mit diesen nicht „vollständig“ übereinstimmen, und andererseits vermeint, das Erstgericht habe übergangen, dass das Telefonat länger als eine Minute gedauert und – nach einzelnen Aussagepassagen – noch andere Gesprächspunkte wie etwa die Exekutionsführung beinhaltet habe, zeigt sie eine undeutliche (RIS Justiz RS0089983 [T1]), unvollständige (RIS Justiz RS0118316) oder offenbar unzureichende Begründung (RIS Justiz RS0108609) nicht auf, sondern kritisiert die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung.
[8] Dies trifft auch für die Überlegungen zum übrigen Ablauf des Gesprächs und zur Beteiligung des Opfers an diesem zu.
[9] Entgegen der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) begründet das Unterbleiben einer Auseinandersetzung in der Beweiswürdigung mit dem Umstand, dass der Zeuge F* über eine das Telefonat abschließende Frage des Angeklagten, ob T* ihn verstanden habe, im Gegensatz zu Letzterem nicht berichtete, keine Nichtigkeit, weil es sich dabei nicht um eine erhebliche Tatsache, also ein Verfahrensergebnis handelt, das geeignet ist, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache maßgebend zu beeinflussen (RIS Justiz RS0116877 [T1]). Im Übrigen bleibt anzumerken, dass die Tatrichter „Abweichungen in Details“ der genannten Aussagen ohnehin nicht unberücksichtigt ließen, sondern die „grundsätzliche Glaubwürdigkeit“ des Opfers sowie des Zeugen F* „die verfahrensgegenständliche Äußerung des Angeklagten betreffend“ als dadurch nicht geschmälert erachteten (US 5 f).
[10] Warum das Erstgericht hinsichtlich der Feststellungen zum Inhalt des gegenständlichen Telefonats den Angaben der zuvor genannten Zeugen, nicht aber jenen des Angeklagten sowie der Zeugin * O* gefolgt ist, hat es – der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider – den Kriterien der Logik und Empirie entsprechend (RIS Justiz RS0116732) erörtert (US 4 ff). Indem der Beschwerdeführer mehrmals unter Hinweis auf seine Aussagen sowie jene der Zeugin O* kritisiert, dass die Tatrichter nicht seiner Verantwortung gefolgt sind, übt er in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik.
[11] Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite hat das Schöffengericht aus dem „objektiven Tatgeschehen“ sowie dem Wortlaut der Äußerung abgeleitet (US 7 f).
[12] Soweit die Beschwerde dazu zunächst auf die Ausführungen verweist, mit denen sie die Feststellungen zum objektiven Tatbild bekämpft, weil die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite „in ihrem Schicksal“ jenen zur objektiven Tatseite folgen würden, wird ein Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht prozessordnungskonform aufgezeigt.
[13] Gleiches gilt für die Überlegungen zu den Möglichkeiten einer Exekutionseinstellung und zur Sinnlosigkeit der nach den Feststellungen vom Angeklagten beabsichtigten Vorgangsweise.
[14] Wie bereits zur Mängelrüge ausgeführt, betrifft die Feststellung zum Entschluss des Angeklagten, das Opfer anzurufen und „zur Rede zu stellen“ (US 3), für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage unerhebliche Begleitumstände, weshalb die gegen diese Annahmen gerichtete Kritik der Tatsachenrüge (Z 5a) von vornherein ins Leere geht (RIS Justiz RS0117499).
[15] Durch Hinweise auf die Aussagen des Angeklagten sowie der Zeugin O* weckt sie beim Obersten Gerichtshof ebenso wenig erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen wie mit der Behauptung, es sei „schlichtweg nicht nachvollziehbar“, warum der Zeuge F* erstmals in der Hauptverhandlung Erwähnung findet (RIS Justiz RS0118780).
[16] Dies gelingt der Beschwerde auch nicht mit den Behauptungen, es bestünden massive Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen einerseits des Opfers, weil es unmittelbar nach dem Telefonat nicht mit seiner Familie in Kontakt getreten sei, um eine bestmögliche Absicherung seiner Kinder zu gewährleisten, andererseits des Zeugen F*, weil dieser das Ende des Telefonats abweichend vom Opfer geschildert habe und das Gespräch aufgrund lauter Arbeitsgeräusche für ihn gar nicht wahrnehmbar gewesen sei.
[17] Der von der Beschwerde ins Treffen geführte Zweifelsgrundsatz ist nicht Gegenstand der formellen Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO (RIS Justiz RS0102162).
[18] Nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) wendet die Beschwerde ein, das Gericht hätte die Angaben des Angeklagten sowie der Zeugin O*, sie hätten zur Begleichung der Kosten eines der gegenständlichen Tat vorangegangenen Strafverfahrens gegen den Angeklagten einen Kredit aufgenommen, nicht als unglaubwürdige Schutzbehauptung werten dürfen, sondern wäre bei Bedenken an der Richtigkeit der Aussagen verpflichtet gewesen, den Sachverhalt durch nähere Befragung der genannten Zeugin zu ermitteln. Sie legt jedoch nicht dar, wodurch die Verteidigung in der Hauptverhandlung an sachgerechter Wahrnehmung ihres Fragerechts (§ 249 Abs 1 StPO) gehindert war (RIS Justiz RS0115823 [T7, T8], RS0114036).
[19] Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet, das Erstgericht habe aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung einen Bereicherungsvorsatz festgestellt, verfehlt sie die gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0099810) und übt bloß in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik.
Die Überlegungen, der Angeklagte wäre mangels Bereicherung „allenfalls wegen gefährlicher Drohung oder Nötigung“ zu verurteilen gewesen, weil durch Zahlung und Rücküberweisung einer berechtigten Forderung diese nicht untergehen und eine Exekution ohne Zustimmung der betreibenden Partei nicht eingestellt würde, orientieren sich ebenfalls nicht an den getroffenen Feststellungen, denen zufolge der Angeklagte das Opfer zur Rücküberweisung eines diesem, nicht aber Ersterem rechtmäßig zustehenden Schmerzengeldes veranlassen wollte, um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen (US 3 f), und sind daher einer inhaltlichen Antwort ebenfalls nicht zugänglich (vgl im Übrigen zum strafrechtlich relevanten Bereicherungsvorsatz Eder-Rieder in WK 2 StGB § 144 Rz 30 f).
[20] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[21] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.