10Ob21/21t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber sowie die Hofräte Mag. Schober und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Mag. Klaus Hehenberger, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei T*, vertreten durch Dr. Markus Kaltseis, Rechtsanwalt in Thalheim bei Wels, wegen 6.612,40 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 12. Mai 2021, GZ 22 R 110/21i 22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 16. März 2021, GZ 40 C 54/21y 18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 912,41 EUR (darin enthalten 152,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.388,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt und 762 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die damalige Ehefrau des Klägers und nunmehrige Lebensgefährtin des Beklagten beschloss Anfang Dezember 2018, sich vo m Kläger zu trennen. Mitte Dezember 2018 teilte sie dies dem Kläger mit. Am 2. 1. 2019 zog sie aus dem gemeinsamen Haus aus und in eine eigene Wohnung. Ende Jänner 2019 ging sie eine Beziehung mit dem Beklagten ein. Am 13. 2. 2019 brachte der Kläger eine Scheidungsklage ein, in der er ihr unter anderem eine ehewidrige Beziehung zu einem anderen Mann vorwarf. Obwohl sich der Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichts bereits sicher war, dass seine damalige Ehefrau eine B eziehung zum B eklagten hat, erteilte er am 18. 4. 2019 einem Detektivbüro den Auftrag, seine damalige Ehefrau zu überwachen, um im Hinblick auf das anhängige Scheidungsverfahren Beweise für Eheverfehlungen zu er la ngen. Erst später gestand seine damalige Ehefrau ihre Beziehung mit dem Beklagten ein. Der Kläger, der den Beklagten nie mit dem Vorwurf einer außerehelichen Beziehung konfrontiert hat, begehrt nunmehr den Ersatz der De t ektivkosten von 6.612,40 EUR sA.
[2] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil der Beklagte „kein für die Notwendigkeit der Beweissicherung durch ein Detektivbüro ursächliches Verhalten“ gesetzt habe .
[3] Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es dem Klagebegehren – mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens – stattgab, weil die damalige Ehefrau des Klägers die Beziehung im Zeitpunkt der Beauftragung des Detektivbüros noch nicht zugestanden hatte und der Kläger angesichts der noch ungeklärten V erschuldensfrage im Scheidungsverfahren ein Interesse an der E rlangung von Beweisen gehabt habe . D as Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Haftung des Ehestörers für Detektivkosten von Teilen der jüngeren Lehre abgelehnt werde.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Revision des Beklagten ist zulässig und auch berechtigt.
[5] 1. Der Beklagte zieht in seiner Revision gar nicht in Zweifel, dass Auslagen, die durch die Überwachung des der Verletzung der ehelichen Treue verdächtigen Ehepartners entstanden sind, aus dem Titel des Schadenersatzes auch gegen Dritte geltend gemacht werden können, weshalb die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage die Zulässigkeit der Revision nicht begründen kann (RS0080388 [T1]). Die Revision ist aber dennoch zulässig, weil die vom Beklagten aufgeworfene Frage, ob dieser Anspruch auch dann besteht, wenn sich der betrogene Ehepartner nach Einbringen der Scheidungsklage bloß Beweise für den Fall verschaffen will, dass der untreue Ehepartner die außereheliche Beziehung im Scheidungsverfahren bestreitet, in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht beantwortet wurde.
[6] 2. Die Rechtsprechung billigt dem Ehegatten insbesondere auch im Hinblick auf ein bevorstehendes Scheidungsverfahren und die noch ungeklärte Verschuldensfrage ein berechtigtes Interesse daran zu, zur Abwehr unterhalts und vermögensrechtlicher Nachteile seinen Prozessstandpunkt durch Beobachtung durch einen Detektiv zur Erlangung von Beweisen für ein ehebrecherisches Verhältnis zu untermauern (RS0022959 [T9]; RS0022943 [T27]).
[7] Der Anspruch auf Ersatz von Detektivkosten findet aber dort seine Grenze, wo die Überwachung offenkundig überflüssig, von vorneherein aussichtslos, erkennbar unzweckmäßig oder rechtsmissbräuchlich ist (RS0022943 [T16]; RS0022959 [T7, T12, T14]).
[8] 3. Der Kläger hat einen Überwachungsauftrag erteilt, obwohl seine damalige Ehefrau ihre Beziehung zum Beklagten weder im Scheidungsverfahren bestritten noch eine solche Bestreitung angedroht hatte. Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich keine Obliegenheit zur Nachfrage beim Ehepartner oder Ehestörer besteht, weil durch die damit möglicherweise verursachten Heimlichkeiten der Zweck des Überwachungsauftrags gefährdet werden könnte (3 Ob 227/13y; 4 Ob 100/15g; 5 Ob 187/18p). Im vorliegenden Fall hat der Kläger seine damaligen Ehefrau aber schon in der Scheidungsklage mit dem Vorwurf einer außerehelichen Beziehung konfrontiert, weshalb es keinen Grund gab, ein Detektivbüro zu beauftragen, bevor sie dazu Stellung genommen hat.
[9] 4. Die Beweisrüge des Klägers, mit welcher er sich gegen die Feststellung richtete, dass er im Zeitpunkt der Beauftragung des Detektivbüros schon Gewissheit über die außereheliche Beziehung hatte, wurde vom Berufungsgericht nicht behandelt. Letztlich kommt dieser Feststellung aber keinen entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil der Kläger – auch wenn es sich damals noch um einen bloßen Verdacht gehandelt haben sollte – den Überwachungsauftrag erteilte, ohne eine Stellungnahme seiner damalige Ehefrau zum Vorbingen in der Scheidungsklage abzuwarten.
[10] 5. Das bloß vorsorgliche Bedürfnis an der Erlangung von Beweismitteln im Ehescheidungsverfahren kann jedoch so lange keine Haftung des Ehestörers für Überwachungskosten rechtfertigen, als der untreue Ehepartner den an ihn herangetragenen Vorwurf einer außerehelichen Beziehung nicht bestritten und eine solche Bestreitung auch nicht angedroht hat. Da die damalige Ehefrau des Klägers zum Vorbringen in der Scheidungsklage noch nicht Stellung genommen hatte, war die vorsorgliche Beauftragung des Detektivbüros durch den Kläger nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich, was zur Abweisung des auf Ersatz der damit verbundenen Kosten gerichteten Klagebegehrens führen muss.
[11] 6 . Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.