3Ob31/22p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei C* S.a.r.l, *, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die verpflichtete Partei B* GmbH, *, vertreten durch Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Erwirkung einer unvertretbaren Handlung (§ 354 EO) und Unterlassung (§ 355 EO), über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. Oktober 2021, GZ 47 R 142/21m bis 47 R 146/21z und 47 R 158/21i bis 47 R 160/21h 43, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 8. April 2021, GZ 62 E 1027/21a 3, vom 4. Mai 2021, GZ 62 E 1027/21a 7 und 8, vom 12. Mai 2021, GZ 62 E 1027/21a 9, und vom 5. Juli 2021, GZ 62 E 1027/21a 18, 19 und 20, abgeändert und der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 8. April 2021, GZ 62 E 1027/21a 2, zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss, der im Umfang der Zurückweisung des Rekurses gegen den Beschluss ON 2 als unangefochten unberührt bleibt, und die erstgerichtlichen Beschlüsse ON 3, 7, 8, 9, 18, 19 und 20 werden aufgehoben und dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Kosten des Exekutionsverfahrens.
Text
Begründung:
[1] Mit einem (in einer Firmenbuchsache ergangenen) Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 4. Juni 2020 wurde der Verpflichteten einerseits aufgetragen, der Betreibenden Einsicht in näher bezeichnete Unterlagen zu gewähren und alle in diesem Zusammenhang verlangten Aufklärungen und Auskünfte zu erteilen; andererseits wurde sie dazu verpflichtet, die Anfertigung von Ausdrucken, Abschriften und Kopien dieser Unterlagen zu dulden.
[2] Aufgrund dieses Titels bewilligte das Erstgericht der Betreibenden unter gleichzeitiger Androhung einer Geldstrafe von 10.000 EUR die Exekution gemäß § 354 EO (ON 3). Mit Beschluss vom selben Tag trug es der Verpflichteten hinsichtlich des Antrags gemäß § 355 EO die Äußerung zu den Strafzumessungsgründen auf (ON 2); in der Folge bewilligte es der Betreibenden auch die Exekution gemäß § 355 EO und verhängte eine Geldstrafe von 5.000 EUR über die Verpflichtete (ON 8). Aufgrund weiterer Strafanträge verhängte das Erstgericht weitere Geldstrafen über die Verpflichtete (ON 7 und ON 9, ON 18 bis ON 20).
[3] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Verpflichteten gegen den Beschluss ON 2 zurück; den Rekursen der Verpflichteten gegen die übrigen Beschlüsse gab es hingegen Folge und wies beide Exekutions und alle weiteren Strafanträge ab. Die Verpflichtete zeige zutreffend auf, dass die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Titels nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden sei, weil das Entscheidungsorgan entgegen § 150 Geo nicht genannt sei. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 54 Abs 2 EO (aF) seien die Exekutions und Strafanträge daher abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der gegen den abändernden Teil dieser Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Betreibenden ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt .
[5] 1. Gemäß § 54 Abs 2 EO in der – hier gemäß § 502 Abs 1 EO noch anzuwendenden – Fassung vor der GREx (jetzt § 54 Abs 3 EO) ist dem Exekutionsantrag (von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) eine Ausfertigung des Exekutionstitels samt Bestätigung der Vollstreckbarkeit anzuschließen.
[6] 2. Gemäß § 150 Abs 2 Geo ist für die Ausfertigung der Vollstreckbarkeitsbestätigung eine besondere Stampiglie zu verwenden. Die Bestätigung der Vollstreckbarkeit ist gemäß § 150 Abs 3 Geo unter Verwendung der Unterfertigungsstampiglie des Richters vom Leiter der Geschäftsabteilung zu unterschreiben.
[7] 3. Dass das Titelgericht im vorliegenden Fall nicht die in § 150 Abs 2 Geo vorgesehene Stampiglie („Diese Ausfertigung ist vollstreckbar.“) verwendete, sondern eine mit dem Wortlaut „Diese Ausfertigung ist rechtskräftig“, der handschriftlich um den Text „+ vollstreckbar“ ergänzt wurde, schadet entgegen der von der Verpflichteten in ihren Rekursen vertretenen Ansicht nicht, weil es sich bei § 150 Abs 2 Geo ersichtlich um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt.
[8] 4. Hingegen wurde die (Ausfertigung der) Vollstreckbarkeitsbestätigung, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, insofern nicht ordnungsgemäß ausgestellt, als sie zwar (offensichtlich) von einem Mitarbeiter der zuständigen Geschäftsabteilung des Titelgerichts unterschrieben wurde, allerdings ohne Verwendung der Unterfertigungsstampiglie des Richters. Aus der Ausfertigung ist daher nicht ersichtlich, ob überhaupt, und wenn ja welcher Richter des Titelgerichts die Urschrift der Vollstreckbarkeitsbestätigung unterfertigt hat. Entgegen der Ansicht der Betreibenden kann keine Rede davon sein, dass es sich (auch) bei § 150 Abs 3 Geo um eine bloße Ordnungsvorschrift handle. Die von der Betreibenden in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu 98/17/0310 ist hier nicht einschlägig, weil es dort um die Frage der Wirksamkeit der Zustellung einer bloßen Kopie der Urschrift eines (vom zuständigen Richter unterfertigten) Beschlusses ging.
[9] 5. Diese Mangelhaftigkeit der Vollstreckbarkeits-bestätigung kann allerdings entgegen der Auffassung des Rekursgerichts nicht zur sofortigen Abweisung sämtlicher Exekutions- und Strafanträge führen. Vielmehr ist gemäß § 54 Abs 3 EO idF vor der GREx (jetzt: § 54a Abs 1 EO) dann, wenn dem Exekutionsantrag das gesetzlich vorgeschriebene Vorbringen fehlt oder ihm – wie hier – nicht alle vorgeschriebenen Urkunden (ordnungsgemäß) angeschlossen sind, der Schriftsatz zur Verbesserung zurückzustellen.
[10] 6. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Betreibende zur Verbesserung ihrer Anträge durch Vorlage einer dem § 150 Abs 3 Geo entsprechenden Vollstreckbarkeitsbestätigung aufzufordern und anschließend neuerlich über die Anträge zu entscheiden haben.
[11] 7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO iVm § 78 EO.