JudikaturOGH

3Ob16/22g – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. März 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei G*, vertreten durch Dr. Sven Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei M* limited, *, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 60.466,10 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. November 2021, GZ 46 R 266/21i 15, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 4. August 2021, GZ 64 E 2622/21z 2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Die Betreibende beantragte – soweit im Revisionsrekursverfahren noch relevant –, ihr gegen die Verpflichtete zur Hereinbringung von Kapital und Kosten die „Forderungsexekution, Exekutionspaket § 20 EO“ zu bewilligen, und zwar durch ein an die Verpflichtete gerichtetes Verbot, „Apps bei den Drittschuldnern A* Gesellschaft m.b.H., der A* Limited direkt oder mit Hilfe von zwischengeschalteten Auftraggebern anbieten zu lassen, und ein Verbot an diese Drittschuldner zu erlassen, diese Leistung zu erbringen, sprich Apps der Verpflichteten in ihrem Onlinestore anzubieten“. Außerdem beantragte sie, die gepfändeten Vermögenswerte „mittels Zwangsverwaltung iSd § 334 EO zu verwerten“. Dazu brachte sie vor, die Verpflichtete habe das Urheberrecht an den Apps S*, M*, M* und M*, die die A* GmbH und die A* Limited in ihrem Onlinestore anbieten würden. Diese Apps stellten einen Vermögenswert dar, weil österreichische Kunden über den Appstore zugreifen, sich die Apps herunterladen und dann zu „Sport oder Glücksspieleinsätzen“ bei der Verpflichteten verwenden würden. Die Apps führten zu einer Erhöhung der Kundenzahlen der Verpflichteten in Österreich. Sie seien auch verwertbar, weil die Konkurrenz ein Interesse daran habe, dass die Verpflichtete keine (solchen) Apps mehr anbieten könne.

[2] Das Erstgericht bewilligte die Exekution, bestimmte die Kosten und trug der Betreibenden den Erlag eines Kostenvorschusses zur Deckung der Mindestentlohnung des zu bestellenden Verwalters auf.

[3] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Verpflichteten Folge, wies den Antrag auf Erlassung der beantragten Verbote an die Drittschuldner ab und die Anträge auf Bewilligung der Forderungsexekution sowie der Exekution gemäß § 20 EO zurück. Die Betreibende begehre nicht die Verwertung von übertragbaren Vermögensrechten, sondern ein für die Befriedung ihrer Geldforderung nicht geeignetes Werbeverbot. Es sei nicht erkennbar, wie die Betreibende daraus einen Erlös erhalten wolle. Mangels verwertbarer Vermögensrechte sei dieser Antrag abzuweisen. Soweit die Betreibende die Forderungsexekution gemäß § 289 EO und das erweiterte Exekutionspaket nach § 20 EO beantragt habe, fehle ein Sitz und Vermögen der Verpflichteten im Inland; aus dem Antrag ergebe sich nicht konkret, dass der Verpflichteten gegen die Drittschuldnerinnen Forderungen im Inland zustünden oder dass die Verpflichtete über weiteres bewegliches Vermögen im Inland verfüge. Nach der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der GREx sei eine ausreichende Inlandsbeziehung gegeben, wenn der Exekutionstitel aus dem Inland stamme. Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis im Inland sei aber grundsätzlich im Verhältnis zu Mitgliedstaaten der EU zu verneinen; der Antrag sei daher insoweit wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit zurückzuweisen.

[4] Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob ein Exekutionsantrag nach § 20 EO gegen ausländische Verpflichtete zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit die Behauptung inländischen Vermögens enthalten müsse, oder ob ein solcher Antrag alleine ausreiche und für den gemäß § 20 EO zu bestellenden Verwalter Nachforschungspflichten betreffend inländisches Vermögen auslöse.

[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Betreibenden wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Erlassung der begehrten Exekutionsbewilligung.

[6] Die Verpflichtete beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung , den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts – nicht zulässig, weil die Betreibende keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt.

[8] 1. Im Revisionsrekurs behauptet die Betreibende – allerdings nur im Rahmen ihrer Ausführungen zur angeblichen Verwertbarkeit der Apps – erstmals, dass die beiden Gesellschaften, gegen die das Verbot erlassen werden solle, ihren Sitz in Wien hätten. Dies ist allerdings unbeachtlich, weil das Neuerungsverbot auch im Bezug auf das Vorbringen von Tatsachen gilt, die gegen die Zurückweisung wegen fehlender internationaler Zuständigkeit angeführt werden (vgl RS0108589 [T5, T6]). Im Übrigen geht die Betreibende in ihrem Revisionsrekurs auf die vom Rekursgericht formulierte Zulassungsfrage nicht ein. Der Oberste Gerichtshof ist aber nicht dazu berufen, theoretisch zu einer Rechtsfrage Stellung zu nehmen, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht konkret aufgegriffen wird; auf die Zulassungsfrage ist daher nicht weiter einzugehen (RS0102059 [T18]).

[9] 2.1 Der Revisionsrekurs befasst sich inhaltlich mit dem Thema der Verwertbarkeit von Rechten und Pflichten aus Apps, die die Betreibende mit einer Internet-Domain gleichsetzt. Dabei übersieht die Betreibende allerdings, dass sie mit ihrem Exekutionsantrag – worauf das Rekursgericht bereits zutreffend hinwies – lediglich forderte, ein Verbot an die von ihr genannten Drittschuldnerinnen zu erlassen, diese Apps in ihrem Onlinestore anzubieten. Damit richtet sich aber der Antrag gerade nicht auf eine „Verwertung“ der Apps. Diese sind – wie im Exekutionsantrag ausdrücklich vorgebracht – für andere Anbieter (Konkurrenten) nur insofern von Interesse, als damit – wie die Betreibende selbst formuliert – „sichergestellt werden würde, dass dadurch die Verpflichtete (…) nicht mehr illegal in Österreich Glücksspiel anbieten würde“ (zu einer ähnlichen Zielsetzung eines Exekutionsantrags bereits 3 Ob 171/21z).

[10] 2.2 Die von der Betreibenden ins Treffen geführte Entscheidung 3 Ob 287/08i betrifft einen nicht vergleichbaren Sachverhalt.

[11] 2.3 Die Beurteilung des Rekursgerichts dahin, dass der hier von der Betreibenden gestellte Exekutionsantrag in Wahrheit auf ein für die Befriedigung der Geldforderungen nicht geeignetes Verbot der Verwendung von Apps der Verpflichteten hinauslaufe, um dadurch den Zugang zu den von der Verpflichteten angebotenen Glücksspielen zu verhindern, entspricht dem von der Betreibenden selbst bekundeten Ziel und begegnet somit keinen Bedenken (vgl wiederum 3 Ob 171/21z).

[12] 2.4 Die weiteren Ausführungen der Betreibenden in ihrem Revisionrekurs zur vermeintlichen „Verwertbarkeit“ zum Zweck der Befriedigung ihrer titulierten Geldforderungen sind durch den formulierten Exekutionsantrag nicht gedeckte Mutmaßungen über die wirtschaftlichen Interessen von Konkurrenzunternehmen der Verpflichteten, die durchwegs unzulässige Neuerungen darstellen (RS0002371).

[13] 2.5 Insgesamt zeigt die Betreibende keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Revisionrekurs ist somit nicht zulässig und daher zurückzuweisen.

[14] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO. Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ist das Exekutionsverfahren nach wie vor einseitig. Die von der Betreibenden erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist zwar mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen (RS0118686 [T11]), sie diente allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist daher nicht zu honorieren (RS0118686 [T12]).

Rückverweise