JudikaturOGH

11Os153/21s – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. März 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kostersitz als Schriftführer in der Strafsache gegen * P* wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 12. Juli 2021, GZ 11 Hv 31/21d 31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./), des Verbrechens des „schweren“ sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./), der Vergehen de s Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 [Z 1] StGB (III./) und der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach §§ 12 zweiter Fall, 207a Abs 1 Z 1 StGB (IV./) und nach § 207a Abs 3 [zweiter Satz] StGB (V./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz verkürzt wiedergegeben – zwischen August 2018 und Mitte 2019 in B* und andernorts

I./ mit seiner unmündigen, 2008 geborenen Enkeltochter A* dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er in zumindest sieben Angriffen sie je in ihrem nackten Geschlechtsbereich intensiv berührte und ihr je zumindest einen Finger in ihre Scheide einführte;

II./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen von einer unmündigen Personen an sich vornehmen lassen, indem er die Hand A*s auf seinen erigierten Penis legte;

III./ durch die zu Punkt I./ und II./ geschilderten Taten an einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, nämlich der 2008 geborenen Enkeltochter A* geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen;

IV./ in mehreren Angriffen seine 2008 geborene Enkeltochter A* dazu bestimmt, Nahaufnahmen ihrer nackten Scheide, sohin pornographische Darstellungen einer minderjährigen Person und zwar wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend Minderjähriger, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die seiner sexuellen Erregung dienen, selbst herzustellen und ihm zu überlassen, wobei er solche Fotos tatsächlich von ihr erhielt;

V./ in mehreren Angriffen durch die unter Punkt IV./ geschilderten Taten sich pornographische Darstellungen einer unmündigen minderjährigen Person verschafft und diese in weiterer Folge bis zur Löschung [der Dateien] besessen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Der Verfahrensrüge zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 12. Juli 2021 gestellten Antrags (ON 30 S 17) auf „Einholung eines forensisch-psychologischen Sachverständigengutachtens unter Einbeziehung des gesamten Akteninhalts, insbesondere der vorhandenen Videoaufzeichnungen“ (zur „Aussagetüchtigkeit, Aussagefähigkeit bzw. Aussageverlässlichkeit“ de r A* ; vgl ON 28) Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

[5] Denn zum einen hat der Antragsteller nicht dargelegt, dass das Tatopfer sowie dessen gesetzliche Vertreter die notwendige Zustimmung zu einer Untersuchung (zu deren Unabdingbarkeit ON 30 S 17) erteilt hätten oder eine solche erteilen würden (RIS-Justiz RS0097584, RS0108614 [T3]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 350). Zum anderen handelt es sich bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit der Angaben einer Zeugin um eine Frage der richterlichen Beweiswürdigung, die in der Regel der Hilfestellung durch einen Sachverständigenbeweis nicht bedarf. Ein aussagepsychologisches Gutachten ist nur dann geboten, wenn durch Beweisergebnisse aktenmäßig belegte Ansatzpunkte für eine nicht realitätsorientierte Aussage, etwa für eine Beeinflussung des Aussageverhaltens von unmündigen oder psychisch kranken Personen vorliegen (RIS-Justiz RS0097733, RS0097576). Solch qualifizierte Anhaltspunkte werden aber nicht dargelegt.

[6] Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe sind angesichts des sich aus dem Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

[7] Die – nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientierte (RIS-Justiz RS0119370) – Mängelrüge bekämpft mit Spekulationen zu einer „Neigung einer übertriebenen Belastungstendenz“, zu möglichen Auswirkungen einer angespannten Familiensituation sowie Überlegungen, aus welchem Grund das Mädchen einer bloßen „Aufforderung“ (IV./) hätte Folge leisten sollen, bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, ohne ein Begründungsdefizit aufzuzeigen.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise