JudikaturOGH

11Os8/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. März 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kostersitz als Schriftführer in der Strafsache gegen * F* wegen der Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. November 2021, GZ 96 Hv 72/21t 137, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * F* des Vergehens de s Diebstahls nach § 127 StGB (D./II./), des Ver gehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (E./II./) und zweier Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB, teils iVm § 15 StGB (F./II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in W* und andernorts

E./II./ im Zeitraum Anfang September 2019 bis 13. Oktober 2019 gegen T* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt durch Misshandlungen und vorsätzliche Verletzungen am Körper, Freiheitsentziehungen sowie Nötigungen ausgeübt, indem er

1./ ihr wiederholt, „in den letzten zwei Wochen“ bis zu mehrmals täglich – teilweise mit der Faust – gegen Kopf und Körper schlug, ihr Tritte versetzte, sie gewaltsam aufs Bett warf, sich auf sie setzte und an beiden Armen packte, sie bis zur Atemnot würgte und sie wiederholt „schubste“, an den Händen festhielt und zudrückte, wodurch sie Hämatome am Körper und Schmerzen erlitt;

2./ sie wiederholt, mindestens drei, maximal zehn Mal in Wohnungen widerrechtlich über mehrere Stunden gefangen hielt, indem er die Wohnungstür jeweils von außen versperrte;

3./ sie wiederholt durch die sinngemäße Äußerung, es werde „nichts Gutes“ für sie bedeuten, wenn sie weggehe, somit durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper (US 11), zu Handlungen, nämlich zum Verbleib bei ihm genötigt;

F./II./ zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz T* mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu Handlungen, nämlich zur Übergabe von Bargeldbeträgen an ihn genötigt und zu nötigen versucht, die T * am Vermögen schädigten und schädigen sollten, und zwar,

1./ indem er sie [Anfang September 2019] aufforderte, sich Geld von einer Bekannten zu leihen und an ihn zu übergeben, wobei er sagte, er werde sie andernfalls umbringen, sich mit einem großen Küchenmesser in der Hand neben sie setzte, in weiterer Folge nach ihrem erneuten „Widersetzen“ gewaltsam aufs Bett warf, sich auf sie setzte und an beiden Armen packte, zur (späteren) Übergabe eines Betrags von 250 Euro ;

2./ indem er sie [Ende September 2019] aufforderte, ihm [später] einen Betrag von 150 Euro zu übergeben, und nachdem sie d em zunächst nicht entsprach, zu ihr sagte, er werde sie umbringen, wobei er dazu ein großes Küchenmesser in der Hand hielt und sie fragte, wie er sie töten solle, ob mit den Händen oder mit einem Messer, sowie sie in der Folge bis zur Atemnot würgte, wobei es beim Versuch blieb (US 13).

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen die se Schuldsprüche richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 [lit] a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Behauptung der Mängelrüge (Z 5 erster Fall), dem Urteil sei zu E./II./ nicht zu entnehmen, „ab welchem Zeitpunkt und wie konkret sich die Gewalttaten steigerten, sohin Feststellungen zu wesentlichen Tatsachen, nämlich der tatbestandsmäßigen Frequenz, Dauer und Gewaltintensität des § 107b StGB“, nimmt nicht an den Entscheidungsgründen Maß (US 11). Solcherart verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0119370).

[5] Aus welchem Grund die im Rechtsmittel wiedergegebenen Angaben des Opfers („… er hat ein Messer gehabt …“, „… er ist mit dem Messer gekommen …“, „… er saß neben mir mit dem Messer …“) den Schluss „nahe legen“ sollten , dass „kein Messer im Spiel“ gewesen sei, bleibt un erfin dlich. Mit dem Vorbringen (zu F./II./1./ und 2./), der Angeklagte sei „nicht wütend“ gewesen und das Opfer habe „den Tod nicht gefürchtet“, werden keine entscheidenden Tatsachen angesprochen (RIS-Justiz RS0117499, RS0127353).

[6] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet die Tatbestandsmäßigkeit der dem Beschwerdeführer angelasteten Übergriffe nach § 107b Abs 1 StGB. Sie erklärt jedoch nicht, weshalb die – von ihr zum Großteil prozessordnungswidrig übergangenen (RIS-Justiz RS0099810) – Konstatierungen zu den vom Angeklagten von Anfang September bis 13. Oktober 2019 dem Opfer häufig versetzten Schläge und Tritte, die sich ab Anfang Oktober dergestalt steigerten, dass mehrmals täglich solche Angriffe stattfanden, wobei dies mit vorsätzlich herbeigeführten Verletzungen einherging, zum mehrfachen Versperren der Wohnungstür und zu den von ihm wiederholt geäußerten Drohungen bei der gebotenen einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung der Faktoren Dauer, Dichte und Intensität der Übergriffe (RIS Justiz RS0127377) die rechtliche Annahme einer fortgesetzten Gewaltausübung nicht tragen sollten (RIS-Justiz RS0116569).

[7] Die Subsumtionsrüge (zu F./II./; Z 10) legt nicht dar, aus welchem Grund – bei gebotener Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs – die Drohungen mit dem Messer und das Würgen bis zur Atemnot ungeeignet gewesen sein sollten, dem Opfer die begründete Besorgnis einzuflößen, der Angeklagte sei willens und in der Lage, das angekündigte Übel herbeizuführen (RIS-Justiz RS0092448, RS0092160; Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 27 und 32).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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