JudikaturOGH

11Os2/22m – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. März 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kostersitz als Schriftführer in der Strafsache gegen * M* wegen des Vergehens des Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 16. November 2021, GZ 36 Hv 77/19x 141, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Freispruch unberührt bleibt, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen F reispruch enthält, wurde * M* des Vergehens des Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S* zu nachfolgenden Zeiten in mehrfachen Angriffen mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten die A*-GmbH unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der J* GmbH und der E* GmbH durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich zur Gewährung von Warenkrediten samt Lieferung von Waren sowie Verfügungsberechtigte der J* GmbH „weiters zur Gewährung von Zahlungsplänen für Schulden aus vorangegangenen Lieferungen“ verleitet, die die genannten Gesellschaften in einem jeweils 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

1./ im Zeitraum von Anfang 2015 bis Jänner 2016 den Mitarbeiter der J* GmbH * A* durch die ihm gegenüber erfolgten wahrheitswidrigen Behauptungen, aufgrund des Verlassenschaftsverfahrens nach (seinem Vater) * Mu* würde keine unbeschränkte Verfügungsgewalt über das Geschäftskonto der A*-GmbH bestehen und es seien daher Berechtigungen für Bankeinzüge stillgelegt worden, was der Grund für die Rückbuchung der eingezogenen Rechnungsbeträge gewesen sei, [sowie durch] Verschweigen der wirtschaftlichen Krise und Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der A*-GmbH, [wodurch] die J* GmbH in Höhe von 111.453,10 Euro am Vermögen [geschädigt wurde];

2./ im Zeitraum von zumindest Oktober 2015 bis 2. Dezember 2015 den Mitarbeiter der E* GmbH * U* durch die ihm gegenüber erfolgten wahrheitswidrigen Behauptungen, er habe vorübergehend keinen Zugriff auf das Geschäftskonto der A*-GmbH, weil das Verlassenschafts-verfahren nach (seinem Vater) * Mu* noch nicht abgeschlossen sei, er erwarte nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens eine größere Geldsumme, mit der er „ganz locker“ die offenen Rechnungen der A*-GmbH bezahlen könne, [sowie durch] Verschweigen der wirtschaftlichen Krise und Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der A*-GmbH, [wodurch] die E* GmbH in Höhe von 23.072,75 Euro am Vermögen [geschädigt wurde].

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Schuldspruch eine dem Angeklagten zum Nachteil gereichende, von diesem nicht geltend gemachte Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet:

[5] Betrug (§ 146 StGB) liegt vor, wenn der Täter durch Täuschung über Tatsachen auf den Willen eines anderen einwirkt und diesen durch Irrtum veranlasst, selbst eine (diesen oder einen Dritten) schädigende Vermögensverfügung vorzunehmen ( Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 1; Leukauf/Steininger/Flora , StGB 4 § 146 Rz 1 ). Zwischen diesen Tatbestandselementen muss ein Kausalzusammenhang bestehen ( Kert , SbgK § 146 Rz 37).

[6] Unter „Täuschung“ ist ein Verhalten zu verstehen, welches in der Abgabe einer unwahren Erklärung gegenüber einem anderen besteht, einen Irrtum – demnach eine unrichtige Vorstellung von der Wirklichkeit – hervorrufen oder bestärken soll und für die Vermögensverfügung des Getäuschten zumindest mitbestimmend wird ( Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 17, 43 f und 55; § 146 Rz 17, 43 f und 55; Leukauf/Steininger/Flora , StGB 4 § 146 Rz 6, 28, 34; Kert , SbgK § 146 Rz 38, 146, 159; RIS-Justiz RS0117721).

[7] Nach den – wesentlichen – tatrichterlichen Konstatierungen zum Schuldspruchpunkt 1 (US 4 ff – zur subjektiven Tatseite vgl US 8) täuschte der Angeklagte im Zeitraum von Anfang 2015 bis Jänner 2016 den Verkaufsleiter der J* GmbH * A* mehrfachen durch die im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StGB) wiedergegebenen wahrheitswidrigen Behauptungen, d urch Verschweigen der wirtschaftlichen Krise sowie durch Vortäuschen der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der A*-GmbH und verleitete ihn „durch diese Täuschungen zur Gewährung von Warenkrediten samt Lieferung von Waren sowie das Eingehen von zwei Zahlungsplänen“, wodurch der J* GmbH ein Schaden in Höhe von 111.453,10 Euro entstand (US 7). „Aufgrund der anhaltenden Beziehung von Waren entwickelte sich ('für den Zeitraum 30. September 2015 bis 1. Februar 2016' – US 7) ein Schuldenstand der A* von 111.453,10 Euro“ (US 6).

[8] Hinsichtlich des festgestellten Erwirkens von „Zahlungsplänen“ am 21. Juli 2015 (Rückstand: 86.012,80 Euro) und 24. November 2015 (Rückstand: 79.711,96 Euro) für Schulden aus vorangegangenen Lieferungen (US 1, 6 ff) kommt – mangels Konstatierungen zu irgendeiner deshalb täuschungsbedingt vorgenommenen Vermögensverfügung – Betrugsstrafbarkeit nicht in Betracht.

[9] Denn durch die Gewährung einer Ratenzahlung entsteht in der Regel kein (zusätzlicher) Schaden ( Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 56).

[10] Da das Erwirken von Zahlungsplänen – demnach rechtlich verfehlt – als (mit-)kausal bei der Ermittlung des Schadensbetrages einbezogen wurde und dem Urteil konkrete Feststellungen, wann und in welcher Höhe der A*-GmbH Warenkredite täuschungsbedingt gewährt wurden und zu den Zeitpunkten und Werten der täuschungsbedingt veranlassten Warenlieferungen nicht zu entnehmen sind (vgl US 1, 5 ff), kann nicht gesagt werden, ob und in welcher Höhe der J* GmbH durch täuschungsbedingt veranlasste Vermögensverfügungen ein Vermögensschaden entstanden ist (oder entstehen sollte). Dass sich letztlich ein Schuldenstand der A*-GmbH von 111.453,10 Euro entwickelt hatte, gibt dazu keinen Aufschluss.

[11] Nach den – wesentlichen – tatrichterlichen Konstatierungen zum Schuldspruchpunkt 2 (US 8  auch zur subjektiven Tatseite) täuschte der Angeklagte den Verkaufsleiter der E* GmbH * U* – diesbezüglich abweichend vom Urteilsspruch – „von 2. September 2015 bis 2. Dezember 2015“ durch die im Referat der entscheidenden Tatsachen wiedergegebenen mehrfachen Behauptungen, durch Verschweigen der wirtschaftlichen Krise sowie durch Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der A*-GmbH und verleitete ihn „durch diese Irrtümer zur Gewährung von Warenkrediten samt Lieferung von Waren, wodurch der E* GmbH ein Schaden in Höhe von 23.072,75 Euro entstand“.

[12] „Ab August 2015 wurden fällige Rechnungen nicht oder nur zum Teil bezahlt. Ab Ende Oktober 2015 wurden keine Zahlungen mehr geleistet. Die letzte Bestellung, welche die E* GmbH an die A*-GmbH lieferte, war vom 30. November 2015. Im Zeitraum von 2. September 2015 bis 2. Dezember 2015 wurden 16 Ausgangsrechnungen nicht bezahlt. Verglichen mit den eingegangenen Verbindlichkeiten erfolgten Zahlungen lediglich in untergeordnetem Ausmaß. Der Gesamtbetrag der offenen Forderungen betrug 23.072,75 Euro“ (US 7).

[13] Davon ausgehend fehlen auch zu diesem Schuldspruchpunkt konkrete Feststellungen, wann und in welcher Höhe der A*-GmbH Warenkredite täuschungsbedingt gewährt wurden und zu den Zeitpunkten und Werten der täuschungsbedingt veranlassten Warenlieferungen (vgl US 1, 7 f).

[14] Da nämlich Täuschungshandlungen laut Tenor von „zumindest Oktober 2015“ für ab August 2015 und bis zum Beginn des Tatzeitraums entstandene Verbindlichkeiten nicht kausal sein können und der „Gesamtbetrag der offenen Forderungen“ keinen Aufschluss gibt, ob und in welcher Höhe der E* GmbH durch zufolge wahrheitswidriger Vorgaben im maßgeblichen Zeitraum veranlasste Vermögensverfügungen ein S chaden entstanden ist, musste auch der Schuldspruchpunkt 2 zufolge Rechtsfehlers mangels Feststellungen kassiert werden.

[15] Es war daher – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – das angefochtene Urteil, das im Freispruch unberührt zu bleiben hatte, aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) im Schuldspruch sowie demzufolge im Strafausspruch und im gemäß § 366 Abs 2 (zweiter Satz) StPO gefällten Adhäsionserkenntnis (RIS-Justiz RS0101303) aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

[16] Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen.

[17] Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

[18] Bleibt anzumerken, dass die Gutachtensaussage (vgl US 4), wonach Zahlungsunfähigkeit der A*-GmbH spätestens mit 16. Dezember 2015 objektiv eingetreten und dies den Verantwortlichen spätestens zum 30. Dezember 2015 subjektiv erkennbar war, erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) gegen eine bewusste Vortäuschung von Zahlungsfähigkeit bereits (zum Teil) lange davor (US 2, 7 f), steht. Dies gilt ebenso für geleistete (Raten )Zahlungen (US 6 f) im Verhältnis zu einem von Beginn an fehlenden Willen zu vollständiger Leistungserbringung (zur festgestellten Vortäuschung von Zahlungswilligkeit vgl US 2, 5, 7 und 8).

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