JudikaturOGH

3Ob26/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A* W*, vertreten durch Mag. Michael Bodmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) P* B*, 2) Mag. H* P*, 3) M* K*, 4) Dr. W* L*, 5) Ing. H* H*, 6) G* B*, 7) Dr. W* G*, 8) Dr. G* H*, 9) Dr. M* R*, 10) E* W*, 11) G* S*, 12) Ing. R* Z*, 13) Mag. M* D*, 14) I* A*, 15) M* W*, 16) Mag. N* G*, 17) C* E*, 18) R* GmbH, *, 19) Ing. R* E*, 20) E* N*, 21) Dr. R* F*, 22) Ing. H* L*, 23) H* D*, 24) R* T*, 25) M* T*, und 26) G* P*, alle vertreten durch Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 65.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2021, GZ 16 R 146/21i 53, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin war selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin der S* GmbH und kaufte von dieser mit Kaufvertrag vom 20. 6. 2013 deren Anteile an einer Liegenschaft.

[2] Die Klägerin macht nunmehr gegen die b eklagten Miteigentümer Schadenersatzansprüche geltend, weil sie nach dem Erwerb der Liegenschaftsanteile als nunmehrige Miteigentümerin die Kosten für den Abbruch des – von ihrer Rechtsvorgängerin konsenswidrig errichteten – Nebengebäudes im Hof der Liegenschaft getragen habe.

[3] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Klägerin zeigt mit ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[6] 1. Die behaupteten Verfahrensmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt wurden, können vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RS0042963). Das Vorliegen einer Ausnahme von diesem Grundsatz zeigt die Klägerin nicht auf.

[7] 2.1 Im erstinstanzlichen Verfahren stützte die Klägerin ihre Ansprüche auf die angeblich pflichtwidrige Weigerung der Beklagten zur Unterfertigung eines nachträglichen Bauansuchens (der Einreichpläne), wodurch der Abbruch des ohne Baubewilligung errichteten Nebengebäudes hätte verhindert werden können. Die Beklagten hätten aufgrund abgeschlossener Vereinbarungen solchen Bauansuchen zustimmen müssen.

[8] 2.2 Die Frage, ob den Beklagten die behauptete Vertragsverletzung angelastet werden kann, ist durch Vertragsauslegung zu beantworten, was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass nach der Vertragslage eine derartige vertragliche Verpflichtung der Beklagten nicht erkennbar sei, steht mit den Auslegungsgrundsätzen im Einklang.

[9] Warum Pkt V. der Vereinbarung vom 20. 12. 2006 für die Klägerin sprechen soll, ist nicht nachvollziehbar. Darin ist festgehalten, dass die Bautätigkeiten zum Turmtrakt (Hoftrakt) allein in der Verantwortlichkeit der Rechtsvorgängerin der Klägerin lagen und diese sämtliche Miteigentümer vollständig schad- und klaglos zu halten habe. Dadurch wird bestätigt, dass nach den zugrunde liegenden Vereinbarungen der Hoftrakt (Turm samt streitgegenständlichem Hofgebäude) der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Straßentrakt den Beklagten zugeordnet war. Die konsenswidrige Errichtung des von der Klägerin abgerissenen Hofgebäudes lag damit im alleinigen Verantwortungsbereich ihrer Rechtsvorgängerin. Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass sie alle Rechte und Pflichten ihrer Rechtsvorgängerin, deren selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin sie war, übernommen hat.

[10] 2.3 Soweit die Klägerin behauptet, dass der Abbruchbescheid gegenüber allen Miteigentümern der Liegenschaft ergangen sei, weicht sie von der Sachverhaltsgrundlage ab. Nach den Feststellungen wurde der Abbruchbescheid vom 14. 7. 2009 (nur) gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin erlassen. Dementsprechend richtete sich auch die Ankündigung der Vornahme eines Ortsaugenscheins zur Vorbereitung der Ersatzvornahme mit behördlicher Mitteilung vom 23. 11. 2016 wiederum nur an die Klägerin.

[11] 2.4 Bei dieser Ausgangslage ist auch die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass – selbst unter der Annahme einer solidarischen Haftung der Miteigentümer gegenüber der Baubehörde – nach Maßgabe der vertraglichen Regelung im Innenverhältnis ausschließlich die Klägerin zur Zahlung der Abbruchkosten verpflichtet ist, nicht korrekturbedürftig.

[12] 3.1 Zu der von den Vorinstanzen bejahten Verjährung der geltend gemachten Ansprüche beruft sich die Klägerin auf eine nicht vorhersehbare fortgesetzte Schädigung durch die Beklagten. Dementsprechend sei ihr der neue Schaden (Abbruchkosten) erst mit Beginn der Durchführung des behördlichen Auftrags am 13. 12. 2016 zur Kenntnis gelangt.

[13] 3.2 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ausgehend von den erstinstanzlichen Behauptungen der Klägerin nur eine einzige Schadenshandlung (Weigerung zur Unterfertigung des nachträglichen Bauansuchens) vorliege und es sich bei den Abbruchkosten um einen vorhersehbaren Folgeschaden (zu dem wegen des Rechtsmangels verminderten Verkehrswert der Liegenschaftsanteile bei Erwerb durch die Klägerin) handle, der mit dem Primärschaden verjähre (vgl RS0087613), steht mit den Rechtsprechungsgrundsätzen ebenfalls im Einklang.

[14] Nach den Feststellungen ist der Klägerin spätestens seit 20. 6. 2013 die beharrliche Weigerung der Beklagten zur Unterfertigung des nachträglichen Bauansuchens sowie der gegen ihre Rechtsvorgängerin erlassene Abbruchbescheid vom 14. 7. 2009 samt Vollstreckungsverfügung vom 1. 8. 2012 bekannt. Davon, dass die Belastung mit den Abbruchkosten für die Klägerin nicht vorhersehbar gewesen sei (vgl RS0034527), kann daher keine Rede sein.

[15] 3.3 Auch mit ihren Versuchen, weitere gesonderte Schadenshandlungen im Sinn einer fortgesetzten Schädigung (vgl RS0034536; 1 Ob 13/16t) geltend zu machen, zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[16] Wie sich aus den Ausführungen zur Verantwortlichkeit für das konsenswidrig errichtete Hofgebäude und zum Abbruchbescheid vom 14. 7. 2009 ergibt, haben die Beklagten weder einen „behördlichen Abbruchauftrag ignoriert“ noch „die Normen der Bauordnung für Wien gebrochen“.

[17] An der nach der Vertragslage alleinigen Verantwortlichkeit der Klägerin für das konsenswidrig errichtete Hofgebäude und ihrer daraus resultierenden alleinigen Zahlungspflicht für die Abbruchkosten kann auch der pauschale Hinweis der Klägerin auf „die Treue- und Interessenwahrungspflicht zwischen Miteigentümern“ nichts ändern.

[18] 4. Soweit sich schließlich die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision auf bisher nicht geltend gemachte Rechtsgründe stützt, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot.

[19] 5. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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