8ObA1/22p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K* Z*, vertreten durch die Mayrhofer Führer Rechtsanwälte OG in Waidhofen an der Thaya, gegen die beklagte Partei B* D* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Alice Gao, Rechtsanwältin in Wien, wegen 33.454,51 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 25. November 2021, GZ 10 Ra 94/21y 21, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Behauptete Mängel des Verfahrens erster Instanz (hier: Verletzung der Erörterungs und Anleitungspflicht nach §§ 182 f ZPO bezüglich der Voraussetzungen für die Geltendmachung der Anrechnung nach § 1155 ABGB durch den anwaltlich vertretenen Arbeitgeber), die nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens waren, können auch im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0042963 [T30]).
[2] 2. Die Behauptungs und Beweislast für die Anrechnungsvoraussetzungen nach § 1155 ABGB trifft den Arbeitgeber (RS0021543; RS0021599).
[3] Die Beklagte hat in erster Instanz keine Anrechnung eines tatsächlichen oder vorsätzlich unterlassenen anderweitigen Erwerbs des Klägers begehr t. Sie hat vorgebracht, dass er ein zumutbares und adäquates Beschäftigungsangebot eine s „Schwesterunternehmens“ der Beklagten unbegründet abgelehnt habe, dies jedoch nur zur Darlegung eines behaupteten rechtsmissbräuchlichen Führens von bloßen Scheinverhandlungen , mit dem er die Beklagte hinhalten und eine wirksame Beendigung des Dienstverhältnisses hinauszögern habe wollen.
[4] D as Berufungsgericht hat das erstmals in zweiter Instanz gestellte Anrechnungsbegehren gemäß § 1155 ABGB daher zutreffend als dem Neuerungsverbot widersprechend behandelt.
[5] 3. Davon ausgehend stellt sich aber auch die in der Revision als erheblich monierte Rechtsfrage nicht, ob und unter welchen Umständen einen Arbeitnehmer in der Lage des Klägers die „Obliegenheit“ zur Annahme einer angebotenen anderweitigen Beschäftigung trifft (vgl RS0028604; 9 ObA 90/13w mwN). Mangels eines entsprechenden erstinstanzlichen Vorbringens der Beklagten kommt eine Anrechnung eines versäumten anderweitigen Erwerbs von vornherein nicht in Betracht.
[6] Der Inhalt von Parteienaussagen kann fehlendes Prozessvorbringen nicht ersetzen (RS0040318 [T7]).
[7] 4. Im Übrigen entfernen sich die Revisionsausführungen zur Zumutbarkeit des abgelehnten Arbeitsplatzanbots in unzulässiger Weise von den für den Obersten Gerichtshof bindenden, im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbaren Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere von der Feststellung, dass es an die Bedingung eines Verzichts des Klägers auf rückständige Entgeltansprüche gegen die Beklagte geknüpft war.
[8] 5. Die Auffassung der Revision, das beharrliche Nichtbeachten des betriebsverfassungsrechtlichen Kündigungsschutzes durch die Beklagte und die Nichteinholung einer rechtzeitigen gerichtlichen Genehmigung beruhe auf einer vertretbaren Rechtsansicht im Sinn des § 49a ASGG, ist weder näher begründet noch nachvollziehbar.