2Ob230/21v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Parzmayr und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A*, vertreten durch bfp Brandstetter Feigl Pfleger Rechtsanwälte GmbH in Amstetten, gegen die beklagten Parteien 1. DI C*, und 2. DI (FH) A*, beide vertreten durch DUMFARTH KLAUSBERGER Rechtsanwälte GmbH Co KG in Linz, wegen Erfüllung eines Vermächtnisses (Streitwert: 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. November 2021, GZ 12 R 26/21m 39, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die Vorinstanzen haben das in der letztwilligen Verfügung zu Gunsten der Klägerin ausgesetzte Vermächtnis – wie bereits im Vorprozess (2 Ob 194/17v) – vertretbar als Gattungsvermächtnis qualifiziert, wovon nunmehr auch die Klägerin ausgeht. Nach dem hier noch anzuwendenden § 656 ABGB aF hatte mangels davon abweichender Anordnung durch den Erblasser der Erstbeklagte als Erbe das Recht der Auswahl. Der Erbe muss gemäß § 656 zweiter Satz ABGB aF ein Stück wählen, wovon der Legatar Gebrauch machen kann. Dazu gehört auch die Auswahl eines Stücks, das dem Willen des Erblassers entspricht und durch welches das Vermächtnis erfüllt wird. Hat der Erbe eine Wahl getroffen, so kann er davon nicht mehr abgehen, weil in sinngemäßer Anwendung des § 906 Abs 1 zweiter Satz ABGB angenommen werden muss, dass die Befugnis zur Rechtsgestaltung durch die einmal erfolgte Wahlerklärung des Erben verbraucht ist. Entspricht die vom Erben getroffene Wahl nicht dem Willen des Erblassers, so geht das Recht zur Auswahl auf den Bedachten über, der den Erben auf Leistung einer dem Willen des Erblassers entsprechenden Sache aus dem Nachlass klagen kann (5 Ob 284/65 SZ 38/221 mwN; 7 Ob 502/80).
[2] 2. Da das Wahlrecht in sinngemäßer Anwendung des § 906 ABGB auszuüben ist und nach dieser Bestimmung die Abgabe einer einseitig empfangsbedürftigen Willenserklärung ausreicht (3 Ob 131/01p), begegnet die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Erstbeklagte habe sein Wahlrecht durch die im Rahmen des Vorprozesses abgegebenen Erklärungen ausgeübt, keinen Bedenken. Da die Auswahl nach den Feststellungen noch vor Schluss der Verhandlung im Vorprozess erfolgte, stellt sich die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht, ob das Wahlrecht durch bloßes Stellen eines Berufungsantrags ausgeübt werden könne. Ob die Vorlage einer Urkunde in einem Prozess eine Willenserklärung darstellen könne, ist eine hier nicht zu lösende Rechtsfrage von nur theoretisch abstrakter Bedeutung, ging doch das Berufungsgericht nicht davon aus, dass die Wahl durch Vorlage einer Urkunde erfolgt wäre.
[3] 3. Die von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängige Frage, ob die Wahl des Erben dem Willen des Erblassers und den Vorgaben des § 656 ABGB aF entspricht, hat das Berufungsgericht unter Beachtung der zu Punkt 1. dargestellten Rechtsprechung vertretbar gelöst. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt die Klägerin in der Revision schon deswegen nicht auf, weil sie nicht konkret darlegt, aus welchen Gründen sie als Vermächtnisnehmerin von einem anderen Stück iSd § 656 zweiter Satz ABGB aF besseren Gebrauch hätte machen können. Außerdem zieht die Klägerin das Argument des Berufungsgerichts, wonach der Erbe auch Räume wählen könne, die erst mit Küche und Bad auszustatten seien, nicht mit nachvollziehbarer Begründung in Zweifel.
[4] 4. Ob ein echter Vertrag zu Gunsten Dritter vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu lösende Frage der Vertragsauslegung (7 Ob 79/15s; vgl RS0017145). Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zeigt die Klägerin in ihrer Revision schon deswegen nicht auf, weil erkennbarer Zweck des Übergabsvertrags die Überbindung der den Erstbeklagten aufgrund des Testaments gegenüber der Klägerin treffenden, nicht aber die Schaffung neuer Verpflichtungen war. Dass sich bereits aus der letztwilligen Verfügung ergebe, dass der Erbe die laufenden Betriebskosten für Wasser und Heizung zu tragen habe, erachtete der Senat bereits in der Vorentscheidung 2 Ob 194/17v als nicht überzeugend.
[5] 5. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass in den vom Erstbeklagten gewählten Räumen Heizung und Wasseranschlüsse vorhanden, zumindest aber mit geringem Aufwand herstellbar seien, erweist sich vor dem Hintergrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als zumindest vertretbar.
[6] 6. Das Berufungsgericht erachtete das Begehren auf Zahlung aller Lasten, Abgaben und Betriebs und Erhaltungskosten schon mangels Darlegung eines Feststellungsinteresses (für zukünftige Lasten und Kosten) bzw mangels Bezifferung der bereits fälligen Lasten und Kosten als nicht berechtigt. Da die Revision jede Auseinandersetzung mit dieser Argumentation unterlässt, gelingt es ihr auch in diesem Punkt nicht, eine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.
[7] Die Qualifikation des Begehrens auf Erhaltung „in gutem Stande“ als zu unbestimmt hat der Senat bereits in der Vorentscheidung 2 Ob 194/17v als nicht korrekturbedürftig erachtet.
[8] 7. Schließlich zeigt die Klägerin auch im Zusammenhang mit der Abweisung des Begehrens auf Einwilligung in die Einverleibung keine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht auf. Auf welcher Rechtsgrundlage dem (Haupt )Begehren auf Einverleibung des Wohnungsgebrauchsrechts nicht nur ob der von dieser Dienstbarkeit betroffenen Liegenschaft, sondern auch ob anderer verlasszugehöriger Liegenschaften stattzugeben sein sollte, legt die Klägerin nicht nachvollziehbar dar. Im Hinblick auf ihr Eventualbegehren auf Einwilligung in die Einverleibung erkennt sie selbst, dass dieses „nicht auf bestimmte Räumlichkeiten“ gerichtet und damit jedenfalls zu unbestimmt ist.