13Os124/21s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Rechtspraktikant Mag. Jäger BA, im Verfahren zur Unterbringung der * N* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. September 2021, GZ 52 Hv 14/21i 53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung der * N* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
[2] Danach hat sie in W* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer schizoaffektiven Störung sowie psychischer S törungen und Verhaltensstörungen durch Alkohol und Cannabinoide, beruht,
I) am 7. Februar 2021 die Polizeibeamten * K*, * S* und * M* durch gefährliche Drohung mit jedenfalls einer Verletzung am Körper (US 8), nämlich durch die sinngemäße Äußerung, sie werde alle drei umbringen, an einer Amtshandlung nach dem Unterbringungsgesetz (§ 9 Abs 2 UbG) zu hindern versucht,
II) am 20. Mai 2021 eine in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf tätige Person, nämlich den Pfleger der Klinik L*, * W*, während der Ausübung seiner Tätigkeit am Körper zu verletzen versucht, indem sie ihm mit d er Faust in den Brustbereich schlug,
III) am 20. Mai 2021 * W* gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem sie sinngemäß zu ihm sagte, sie werde ihn umbringen und ihm den Kopf abhacken,
und durch diese Taten je ein Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 (zu ergänzen ) erster Strafsatz StGB (I), der Körperverletzung nach (richtig) §§ 15, 83 Abs 1 und 3 Z 2 StGB (II) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (III) begangen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen.
[4] Der Kritik der Mängelrüge (Z 5) zur Anlasstat I zuwider steht die Aussage des Zeugen * M*, wonach die Betroffene die Äußerung, sie werde alle drei einschreitenden Polizeibeamten umbringen, auf dem Bett sitzend tätigte und auch danach herumschreiend und schimpfend sitzen geblieben sei (ON 52 S 15 f), nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch (Z 5 zweiter Fall) zu der – insoweit allein entscheidenden (vgl dazu Ratz , WK StPO § 281 Rz 398 f) – Feststellung, nach der die Betroffene durch diese Äußerung eine Amtshandlung nach dem Unterbringungsgesetz verhindern wollte (US 4).
[5] Die Aussage des Zeugen * K* (ON 52 S 18) wird in der Beschwerde sinnentstellend verkürzt wiedergegeben, sodass der Einwand ihrer unvollständigen Erörterung (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht (RIS Justiz RS0116504).
[6] In Ansehung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 3 bis 6) kritisiert die Beschwerde die unterbliebene Erörterung der – nach dem Beschwerdevorbringen „krass unrichtige[n]“ – Aussage der Betroffenen, sieben leibliche Kinder zu haben (ON 52 S 2 ), sowie der Depositionen der Sachverständigen Dr. * R*, wonach schizophren und schizoaffektiv kranke Personen handeln, „ohne das Gegenüber in seinem Verhalten wirklich wahrzunehmen“, sich „ihre innere Realität [...] mit der äußeren Realität“ vermische, „Verstand [...] hier nicht mehr angezeigt [ist] und auch die rationale Kontrolle nicht“, und wonach die Betroffene verfolgungswahnhafte Symptome aufweise ([richtig] ON 52 S 19 f). D iese Verfahrensergebnisse sind jedoch bezogen auf das – Schuldfähigkeit nicht voraussetzende ( Reindl/Krauskopf in WK 2 StGB § 5 Rz 4) – festgestellte Wissen und Wollen der jeweiligen Tatb ild verwirklichung (vgl Reindl/Krauskopf in WK 2 StGB § 5 Rz 3) nicht erheblich.
[7] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116565), weshalb zur Anlasstat I die geforderten Feststellungen, wonach einer der einschreitenden Polizeibeamten immer bei der Betroffenen gestanden sei, sie beobachtet und „die Sicherungsposition übernommen“ habe, die Betroffene lediglich 163 cm groß sei und 55 Kilo wiege und wonach die Polizeibeamten während der Amtshandlung bewaffnet gewesen seien, die Besorgniseignung der gefährlichen Drohung (vgl dazu RIS Justiz RS0092753; Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 33 f) unter der gebotenen Anlegung eines objektiv individuellen Maßstabs ( dazu RIS Justiz RS0092255, RS0092413) ausschließen sollten.
[8] Gleiches gilt in Ansehung der zur Anlasstat III vermissten Feststellungen, wonach die Betroffene die inkriminierte Äußerung tätigte, während sie „ins Risikozimmer gebracht und dort fixiert worden“ sei, „in einem untergebrachten Status auf der Klinik“ gewesen sei und wonach „Untergebrachten in geschlossenen psychiatrischen Abteilungen keine 'Mordwaffen' wie insbesondere Messer zur freien Verfügung“ stünden.
[9] Mit der Bestreitung der Ernstlichkeit (vgl RIS Justiz RS0092437 ) der Drohungen zu I und III orientiert sich die Rüge nicht an den diese bejahenden Feststellungen (US 5, US 4 iV m US 8 und 10).
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.