6Ob195/21a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O*, vertreten durch JEANNÉE Rechtsanwalt GmbH in Wien, wider die beklagte Partei X* D*, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 47.364,49 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. Juli 2021, GZ 5 R 79/21f 33, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. März 2021, GZ 23 Cg 34/20v 27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen .
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.227,50 EUR (darin enthalten 371,25 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung:
[1] Eine GmbH nahm bei einer Bank einen Kredit auf. Damit die Kreditnehmerin diesen erhielt, mussten sich die beiden Gesellschafter der GmbH, ebenfalls GmbHs, und die Gesellschafter dieser GmbHs, sechs natürliche Personen, darunter die Beklagte, als Bürgen und Zahler für den Kredit verpflichten. Die Kreditnehmerin verfiel in Konkurs; eine der beiden Gesellschafterinnen tilgte in der Folge den Kredit, wobei die Beklagte mit 5 % an der Zahlerin beteiligt war.
[2] Die Klägerin macht den ihr von der Zahlerin abgetretenen, auf §§ 1359 iVm 896 ABGB gestützten Regressanspruch (= 1/8 der Tilgungszahlung) geltend.
[3] Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es liege unter den Solidarschuldnern ein „besonderes Verhältnis“ nach § 896 ABGB vor. Die Zahlerin habe aufgrund ihrer Gesellschafterstellung bei der Kreditnehmerin – verglichen mit der Beklagten – ein unmittelbares Eigeninteresse am aufgenommenen Kredit; die Beklagte hingegen sei mit lediglich 5 % an der Zahlerin beteiligt. Die Haftungsübernahme der Gesellschafter der Zahlerin und der zweiten Gesellschafterin der Kreditnehmerin habe – mangels anderer Sicherheiten – offenkundig dazu gedient, der Kreditgeberin zusätzlich zu den Gesellschafter-GmbHs der Kreditnehmerin auch natürliche Personen als Mithaftende zur Verfügung zu stellen; sie sei daher primär im Interesse der Kreditnehmerin und ihrer Gesellschafter-GmbHs gelegen gewesen. Ein (kopfteiliger) Regress der Zahlerin gegen ihren Gesellschafter widerspräche dieser Interessenlage. Aber auch ein Regress entsprechend der Beteiligung der Beklagten komme im Verhältnis Gesellschaft/Gesellschafter nicht in Betracht, liefe dies doch im Ergebnis auf eine primäre Haftung der Gesellschafter und eine gänzliche Befreiung der Gesellschaft (Zahlerin) hinaus. Diese Sichtweise stehe im Einklang mit der Rechtslage beim Regress unter den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Gesellschaft.
[4] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage des Rückgriffs einer GmbH gegen ihren Gesellschafter, der als Mitbürge die Haftung für eine Schuld einer – wenn auch nicht mehrheitlich beherrschten – Tochtergesellschaft der GmbH übernommen hat, fehlte.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
[6] 1. Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Berufungsgericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059).
[7] Die Revision, die als einzigen Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht, erschöpft sich über weite Strecken in der mit verschiedenen Wendungen wiederholten, jedoch letztlich begründungslosen Behauptung, die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts sei unrichtig. Soweit überhaupt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Begründung des Berufungsgerichts stattfindet, ist Folgendes auszuführen:
[8] 1.1. Dass die Gesellschaftsverträge der beiden Gesellschafterinnen der Kreditnehmerin (für einen von dieser aufgenommenen Kredit für den Fall der Bürgschaft auch der Gesellschafter der Gesellschafterinnen der Kreditnehmerin) diesen keinen Haftungsanteil zuweisen, ist für das tragende Argument des Berufungsgerichts irrelevant. Dieses stellt nicht auf (ohnehin kaum jemals zu erwartende) Vertragsklauseln in den Gesellschaftsverträgen der Gesellschafter-GmbHs der Kreditnehmerin ab, sondern darauf, dass das Interesse der an der Kreditnehmerin unmittelbar beteiligten Gesellschafter an deren Wohlergehen und somit an der Rückführung des Kredits „primär“, somit unmittelbarer und stärker, ist als das Interesse der nur mittelbar an der Kreditnehmerin beteiligten Gesellschafter.
[9] 1.2. Dass – wie die Revision meint – sich die hier ergebenden Probleme bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgrund deren mangelnder Rechtsfähigkeit nicht stellten, verkennt ebenfalls die Problemstellung. Die Vergleichbarkeit zwischen den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der hier vorliegenden Konstellation liegt darin, dass sowohl die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die Gesellschaftsschulden (§ 1199 Abs 1 ABGB) als auch hier die unmittelbaren und die (auf erster Stufe) mittelbaren Gesellschafter der Kreditnehmerin – kraft der rechtsgeschäftlich eingegangenen Verpflichtung als Bürge und Zahler – für den Kredit jeweils solidarisch haften.
[10] 1.3. Die Begründung des Berufungsgerichts macht hinsichtlich der Haftungsverhältnisse zwischen den mehreren Bürgern und Zahlern auch keinen Unterschied zwischen natürlichen und juristischen Personen, sondern stellt nur die mutmaßlichen Motive der Bank dar, auch natürliche Personen als Mithaftende haben zu wollen.
[11] 1.4. Das Berufungsgericht verneint nicht ein Eigeninteresse der mittelbaren Gesellschafter der Kreditnehmerin an der Kreditgewährung, hält aber das Interesse der unmittelbaren Gesellschafter der Kreditnehmerin für „primär“, also stärker. Warum dies nicht zutreffend sein sollte, ist den Revisionsausführungen nicht zu entnehmen. Dass die Ansicht des Berufungsgerichts dazu führt, dass im Innenverhältnis der hier als Bürgen Mithaftenden die unmittelbaren Gesellschafter kraft des „besonderen Verhältnisses“ iSd § 896 ABGB den Ausfall zur Gänze, die mittelbaren Gesellschafter aber gar nicht tragen sollen, trifft zu; warum diese Konsequenz aber „eigenartig“ sein soll, ist nicht ersichtlich.
[12] 1.5. Dass die Beklagte nur mit 5 % an der Zahlerin beteiligt ist, ist für das Berufungsgericht für ihre verneinte Haftung kein tragendes Argument.
[13] 1.6. Das Berufungsgericht argumentiert auch nicht mit „Konstruktionen und Analogien“ aus die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die offene Gesellschaft betreffenden Vorschriften, sondern hat unter Heranziehung von Rechtsprechung zu vergleichbaren Interessenlagen im Recht der genannten Gesellschaftstypen ein „besonderes Verhältnis“ iSd § 896 ABGB in der hier gegebenen Konstellation von unmittelbaren und bloß mittelbaren Gesellschaftern der Kreditnehmerin gesehen. Warum dies unzutreffend sein sollte, zeigt die Revision nicht auf.
[14] 2.1. Die Klägerin meint, der Verkauf des „O*“ (von der Zahlerin an einen Dritten) sei weder zulässig noch notwendig gewesen; Ziel der Beklagten und ihres Partners sei schlichtweg gewesen, sich selbst die Kontrolle über das florierende Unternehmen zu sichern, wenngleich nach außen hin der Anschein erweckt werden sollte, dass das Unternehmen von anderen Personen kontrolliert werde. Ohne den rechtswidrigen und unter kollusivem Zusammenwirken zustande gekommenen Verkauf des „O*“ wäre es überhaupt nicht zur Fälligstellung des Kredits und zum nachfolgenden Bürgenregress gekommen. Dieses Verhalten der Beklagten sei als Verschulden zu werten, das im Rahmen des Regresses nach § 896 ABGB zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen gewesen wäre und zu deren Haftung führe.
[15] 2.2. Entgegen den Ausführungen der Revisionsbeantwortung handelt es sich bei diesem Vorbringen zwar um keine unzulässige Neuerung (vgl mündliche Streitverhandlung vom 17. 2. 2021, ON 18, 22).
[16] 2.3. Das dargestellte Vorbringen ist aber mit den Feststellungen nicht in Einklang zu bringen: Danach langte der Kaufpreis (für den Verkauf des „O*“) am 22. 1. 2018 am Konto der Zahlerin ein. Die Bank fror das Konto ein und stellte die Kreditverbindlichkeiten der Kreditschuldnerin mit Schreiben vom 22. 1. 2018 fällig. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 24. 1. 2018 wurde über die Kreditnehmerin der Konkurs eröffnet.
[17] Durch die Konkurseröffnung über die Kreditnehmerin zwei Tage nach der Fälligstellung durch die Bank wäre der Kredit auch ohne diese Fälligstellung fällig geworden (§ 14 Abs 2 IO). Die Frage des Bürgenregresses hätte sich somit auch ohne den von der Klägerin inkriminierten Verkauf des „O*“ gestellt.
[18] 3. Das weitere Revisionsvorbringen, wonach eine den Geschäftsbetrieb zum Laufen bringende weitere (allfällige) Kreditaufnahme durch die Kreditnehmerin durchaus möglich gewesen wäre, wenn der Bank das florierende Unternehmen „O*“ als Sicherheit erhalten geblieben wäre, verstößt hingegen tatsächlich gegen das Neuerungsverbot; solches wurde auch nicht festgestellt.
[19] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.