JudikaturOGH

2Ob199/21k – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. G*, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. C*, und 2. W*, beide vertreten durch BRANDL TALOS Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen jeweils 10.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. Juli 2021, GZ 3 R 72/21k 29, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 18. März 2021, GZ 5 Cg 52/17t 25, (nur im Zinsenpunkt) abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 1.465,54 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 244,26 EUR USt) binnen 14 Tagen zu gleichen Teilen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Streitteile sind im Rahmen eines Bauherrenmodells (schlichte) Miteigentümer einer Liegenschaft und (als solche) Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR). Das Modell wurde in drei Phasen abgewickelt, wobei an den ersten beiden Phasen nur die „Gründungsmitglieder“ beteiligt waren und erst in der dritten Phase der Abschluss eines „Miteigentümervertrags“ mit (zahlreichen) zusätzlichen „Mitgliedern“ erfolgte.

[2] Zentraler Streitpunkt im Verfahren ist die Frage, ob die Beklagten als Gesellschafter der GesbR eine Kapitaleinlage zu leisten haben oder ihren Verpflichtungen bereits durch Erbringung von als Sacheinlage zu berücksichtigenden Planungs und Akquiseleistungen nachgekommen sind.

[3] Der Kläger begehrt von den Beklagten im Rahmen einer actio pro socio die Zahlung von jeweils 10.000 EUR sA an Kapitaleinlage auf ein Konto der Miteigentümergemeinschaft. Es liege keine (schlüssige oder ausdrückliche) Vereinbarung der Gesellschafter vor, wonach zum Stammvermögen auf andere Weise als durch Barleistungen beigetragen werden könne.

[4] Die Beklagten argumentieren, dass eine (konkludente) Vereinbarung über die Anrechnung von Vorarbeiten als Sacheinlagen vorliege. Es existiere nur eine einzige Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die bereits mit dem Zusammenschluss der Gründungsgesellschafter entstanden sei. Da Letztere ihre Vorleistungen vor der dritten Phase erbracht hätten, erübrige sich eine – jedoch ohnehin konkludent erfolgte – Vereinbarung über die Abgeltung von Sachleistungen mit den späteren Gesellschaftern.

[5] Die Beklagten wenden eine auf Bereicherungsrecht gestützte Gegenforderung ein, weil die GesbR durch die erbrachten und angemessen abzugeltenden Arbeitsleistungen der Beklagten bereichert wäre, sollten diese nicht ohnehin als Sacheinlage Berücksichtigung finden.

[6] Die Vorinstanzen erkannten die Klageforderung als jeweils zu Recht, die eingewendete Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend und gaben dem Klagebegehren (unter teilweiser Abweisung des Zinsenbegehrens) statt. Sie orientierten sich in ihrer rechtlichen Beurteilung an den in einem Parallelprozess ergangenen Entscheidungen 6 Ob 45/18p und 6 Ob 190/20i.

[7] Das Berufungsgericht führte aus, dass mit dem „Miteigentümervertrag“ nicht etwa ein bereits bestehender Vertrag über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts abgeändert, sondern vielmehr eine neue GesbR gegründet worden sei. Die zuvor stattgefundenen Aktivitäten der Beklagten könnten damit nur der (gesondert zu beurteilenden) „Vorgründungsgesellschaft“ zugeordnet werden.

[8] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass der Entscheidung 6 Ob 45/18p, auf die sich das Berufungsgericht weitgehend gestützt habe, ein anderes Vorbringen der Beklagten als im vorliegenden Fall zugrunde liege.

[9] Die Revision der Beklagten strebt eine Abänderung des Urteils des Berufungsgerichts im Sinn einer Abweisung der Klage an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[10] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig , weil keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist.

[12] 1. Die Begründung des Berufungsgerichts zur nachträglichen Zulassung der Revision erschöpft sich mangels nachvollziehbarer Auseinandersetzung mit den Argumenten im Abänderungsantrag in einer Scheinbegründung (RS0111729). Worin konkret die erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bestehen soll, ist der Begründung des Zulassungsausspruchs nicht ausreichend zu entnehmen.

[13] 2. Auch die Beklagten zeigen das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht auf. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit den auch hier zu klärenden Rechtsfragen bereits in den ausführlich begründeten Entscheidungen 6 Ob 45/18p und 6 Ob 190/20i befasst, die auch nach Ansicht der Beklagten ein „ähnliches Bauherrenmodell“ betrafen. Die tragenden Gründe dieser Entscheidungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

[14] 2.1. Gemäß § 1182 ABGB aF besteht das Kapital (der Hauptstamm des Vermögens) einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus der Summe aller dem gemeinsamen Geschäftsbetrieb gewidmeten vermögenswerten Einlagen der Gesellschafter; es kann dabei zwischen Bar und Sacheinlagen unterschieden werden. Die Zugehörigkeit einer Sache zum Hauptstamm wird durch die einvernehmliche Widmung begründet, die auch durch schlüssiges Verhalten der Gesellschafter vorgenommen werden kann. Es steht den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts frei, was sie im Gesellschaftsvertrag einem Mitglied an Beitragsleistungen anrechnen und mit welchem Betrag. Fehlt eine vertragliche Festsetzung, hat gemäß dem dispositiven § 1184 ABGB aF jeder Gesellschafter einen gleichen Anteil zum gemeinschaftlichen Hauptstamm beizutragen; es soll also der Wert der Beiträge gleich hoch sein.

[15] 2.2. Der Oberste Gerichtshof ging im Parallelverfahren vom Vorliegen zweier Gesellschaften bürgerlichen Rechts (Vorgründungsgesellschaft und Miteigentümergesellschaft) aus. Er verneinte weiters zu 6 Ob 190/20i das Vorliegen einer konkreten (allenfalls auch konkludenten) Vereinbarung der Gesellschafter der Miteigentümergesellschaft über die Beitragspflicht der Gesellschafter bzw die Anrechnung von Sacheinlagen, sodass die Beklagten nach § 1184 ABGB aF im Verhältnis der ihnen zugewiesenen Miteigentumsanteile zum gemeinschaftlichen Hauptstamm durch Kapitaleinlage beizutragen hätten.

[16] 2.3. Den auch im Parallelprozess auf bereicherungsrechtlicher Grundlage eingewendeten Gegenforderungen hielt der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 190/20i entgegen, dass die Beklagten die von ihnen behaupteten Arbeitsleistungen in Erfüllung einer Verpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag über die „Vorgründungsgesellschaft“ erbracht hätten, sodass keine irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld vorliege. Da für den Kläger und die anderen Gesellschafter nach den Feststellungen gar nicht erkennbar gewesen sei, dass sich die Beklagten für die von ihnen behaupteten Arbeitsleistungen eine Gegenleistung erwarteten, bestehe auch eine auf § 1435 ABGB gestützte Forderung nicht zu Recht.

[17] 3. Dass im vorliegenden Verfahren eine von den dargestellten Grundsätzen abweichende rechtliche Beurteilung vorzunehmen wäre, legen die Beklagten mit ihren Ausführungen nicht dar. Es mag zutreffen, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 45/18p die Beurteilung der Vorinstanzen, es lägen zwei getrennte Gesellschaften bürgerlichen Rechts vor, deswegen als „nicht zu beanstanden“ qualifizierte, weil die dort Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren selbst von dieser Prämisse ausgegangen waren (Punkt 3.1.). Daraus ist aber nicht zu schließen, dass bei entsprechendem Vorbringen der Beklagten über das Vorliegen bloß einer einzigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts deren Standpunkt jedenfalls zu folgen wäre.

[18] Vielmehr ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob vom Vorliegen einer oder mehrerer Gesellschaften bürgerlichen Rechts auszugehen ist. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen bei Beantwortung dieser Frage zeigen die Beklagten schon vor dem Hintergrund nicht auf, dass der (seinem Text nach unstrittige) „Miteigentümervertrag“ ohne jede Bezugnahme auf erbrachte Vorarbeiten oder eine bereits bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts regelt, dass die „Miteigentumsgemeinschaft“ mit dem Tag der letzten Unterschriftsleistung auf dem Vertrag beginnt.

[19] Geht man aber von der Prämisse des Vorliegens mehrerer Gesellschaften bürgerlichen Rechts aus, können die unter Punkt 2. dargestellten Erwägungen des 6. Senats ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden.

[20] 4. Die Revision der Beklagten war damit zurückzuweisen.

[21] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Die Beklagten als formelle Streitgenossen haften für die Kosten im Verhältnis ihrer Beteiligung am Verfahren (RS0125635).

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