3Ob165/21t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* Z*, vertreten durch Mag. Josef Hofinger und Dr. Roland Menschick, LL.M., Rechtsanwälte in Eferding, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Michael Witt, Rechtsanwalt in Wien, wegen 12.589,57 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 18. März 2021, GZ 36 R 263/20y 40, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 30. August 2020, GZ 3 C 750/18x 36, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 939,24 EUR (darin 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte bei der Beklagten, die das „Autohaus L*“ betreibt, am 6. 12. 2017 einen am 14. 1. 2016 erstzugelassenen PKW der (zum R* Konzern gehörenden) Marke „D*“ mit einem Kilometerstand von 39.500 zu einem Preis von 11.500 EUR. Im Kaufvertragsformular wurde der mechanische Zustand des Fahrzeugs mit „Gut – Klasse 2: geringe Verschleißerscheinungen. Kein Reparaturbedarf. Kleinere Einstellarbeiten oder Inspektionen erforderlich.“ angegeben und neben dem Wort „Gewährleistungsfrist“ handschriftlich „NW Garantie bis 01.2019“ vermerkt (Beilage ./A). Weiters bekam der Kläger beim Kauf ein Schreiben zur D* 3 Jahres-Garantie, in der für 36 Monate bzw 100.000 km, je nachdem welcher Fall zuerst eintritt, eine Neuwagengarantie angeführt ist. Am Ende dieses Schreibens wurde im Feld „Ihr Händler“ der Firmenstempel der Beklagten angebracht. Am Ende des anschließenden Kleingedruckten stand „R* GmbH, *. www.d*.at“ (Beilage ./1). Der Kläger bekam auch das „Garantie- und Serviceheft“ übergeben, in welchem die Neuwagengarantie näher ausgeführt und diese dabei als „Garantie des Herstellers“ bezeichnet wird (Beilage ./6).
[2] Rund neun Monate später brachte der Kläger aufgrund von Motorgeräuschen das Fahrzeug bei einem nunmehrigen Kilometerstand von 56.296 in eine Werkstätte, wo sich das Vorliegen eines schweren Motorschadens herausstellte.
[3] Das Verfahren ergab, dass der Motorschaden „durch die keramischen Teile, die durch eine thermische Überbelastung im Inneren des Motors entstanden sind, [verursacht] und durch den Kraftstoffanteil im Öl begünstigt wurde“, ein entsprechendes Schadensbild den Herstellern bekannt ist, die erhöhte thermische Belastung im Inneren des Motors aus dessen Konstruktion resultiert und vom Kunden nicht beeinflusst werden kann, und dass die Kosten für die fachgemäße Reparatur mit 12.519,57 EUR „technischerseits angemessen“ sind. Zum Zeitpunkt des Entstehens des Schadens und ob dieser „zum Zeitpunkt des Kaufs bereits begonnen hat“, traf das Erstgericht eine negative Feststellung.
[4] Nach Verweigerung der Verbesserung durch die Beklagte erhob der Kläger gestützt auf Gewährleistung und Schadenersatz sowie die Neuwagengarantie Klage auf Zahlung von 12.519,57 EUR (Deckungskapital für Reparatur) zuzüglich 70 EUR (pauschaler Ersatz für Unkosten).
[5] Das Berufungsgericht wies ausgehend vom eingangs genannten Sachverhalt die Klage ab. Es ließ die Revision nachträglich zur Frage zu, „ob bei einem Gebrauchtwagenkauf eine gewisse Gesamtlaufleistung im Rechtsverkehr allgemein erwartet wird und somit als zugesichert gilt“.
Rechtliche Beurteilung
[6] Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Revision ist der Oberste Gerichtshof an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Zurückweisung der gegen das zweitinstanzliche Urteil erhobenen Revision des Klägers wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
[7] 1. Die Parteien und auch das Berufungsgericht gehen zutreffend davon aus, dass Gewährleistungsansprüche nur wegen Mängeln erhoben werden können, die im Zeitpunkt der Übergabe der Sache zumindest latent vorhanden waren (vgl RS0018498).
[8] 1.1. Nach bereits vorliegender Rechtsprechung begründet eine Konstruktionsschwäche eines Motors nur dann eine Gewährleistungspflicht des Verkäufers, wenn diese bei nahezu sämtlichen Motoren des betreffenden Typs mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vor Ablauf der durchschnittlichen Lebensdauer des betreffenden Konstruktionsteils den aufgetretenen Schaden herbeiführt (vgl 4 Ob 150/10b; 8 Ob 19/12w [Pkt 5.2.]; Brenn , Glosse zu 1 Ob 71/15w in EvBl 2016/131). Dass nach den Feststellungen die erhöhte thermische Belastung im Inneren des Motors aus dessen Konstruktion resultiert, reicht folglich allein noch nicht für die Bejahung eines gewährleistungsrechtlichen Mangels aus. Hierzu wäre überdies erforderlich, dass dieser Umstand bei nahezu sämtlichen Motoren des betreffenden Typs mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vorzeitig, also vor Ablauf der durchschnittlichen Lebensdauer zu einem Motorschaden wie im Fall des Klägers führt; solches wurde hier vom Kläger weder behauptet noch vom Erstgericht festgestellt.
[9] 1.2. Der Oberste Gerichtshof verneinte in 1 Ob 71/15w (= ecolex 2015/401 [ Schoditsch ] = EvBl 2016/131 [ Brenn , Karner ] = ZVR 2015/200 [ Chr. Huber ]), dass ein neuer Motor, der nach weniger als zwei Jahren und ca 65.000 Kilometern Laufleistung – und bei regelmäßigem Service – seine Funktionsfähigkeit verliert, iSd § 922 Abs 1 Satz 2 ABGB die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat. Aus dieser Entscheidung ist für den Kläger nichts zu gewinnen, war sein Fahrzeug bei Eintritt des Motorschadens doch bereits mehr als zwei Jahre in Betrieb.
[10] Beim Erwerb eines Gebrauchtwagens bei einem gewerblichen Kraftfahrzeughändler gilt im Allgemeinen die Fahrbereitschaft des Fahrzeugs und damit seine Verkehrs- und Betriebssicherheit als schlüssig zugesichert (vgl RS0110191; RS0018502; RS0016189; 9 Ob 10/20s [Pkt 3.]). Welche weitere Laufleistung von einem Gebrauchtwagen erwartet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Fahrzeugtype, dem Alter und dem Kilometerstand des Fahrzeugs (vgl RS0018466) sowie dessen Präsentation beim Verkauf. Die Frage lässt sich damit wegen ihrer Einzelfallabhängigkeit nicht generell beantworten und ist folglich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass es sich beim erworbenen Fahrzeug um ein solches aus dem Niedrigpreissegment handle und dies auch Abstriche bei der Qualität mit sich bringe. Wenn es darauf aufbauend die Ansicht vertrat, die Feststellungen gäben keinen (hinreichenden) Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte von einer noch verbleibenden Laufleistung des Motors in einem bestimmten Ausmaß ausgegangen und dies auch nicht konkludent zum Inhalt des Vertrags geworden sei, so bedarf dies keiner höchstgerichtlichen Korrektur.
[11] 2. Die Garantieerklärung findet sich bei der Herstellergarantie meist auf der Verpackung der Ware oder auf einer eigenen Urkunde, die der Garant der Sache beilegt und die der letzte Verkäufer dem Käufer als Bote übermittelt und die in der Regel stillschweigend angenommen wird. Ein Zugang der Annahmeerklärung wird nach der Verkehrssitte nicht erwartet (RS0125520). Die Auslegung einer Garantieerklärung ist eine Frage des Einzelfalls und wirft damit nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn das Berufungsgericht in wesentlicher Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielte (RS0017670 [T15]; 5 Ob 94/21s [Rz 8]).
[12] Wenn das Berufungsgericht die Beilage ./1 als von der R* GmbH stammende Händlergarantie (Neuwagengarantie) und die Worte im Kaufvertrag „NW Garantie bis 01.2019“ bloß als Verweis auf ebendiese qualifizierte, ist dies aufgrund der feststehenden Übergabe auch der Beilagen ./1 und ./6 an den Kläger im Zuge des Kaufs, welche als Aussteller die R* GmbH erkennen lassen bzw explizit von einer Herstellergarantie sprechen, nicht zu beanstanden.
[13] 3. Da es dem Kläger mit seinen Ausführungen nicht gelingt, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, war die Revision zurückzuweisen.
[14] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.