JudikaturOGH

3Nc1/22k – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der zu AZ 32 Nc 45/19m des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien anhängig gewesenen Ablehnungssache des Antragstellers Dr. H* F*, Rechtsanwalt, *, über den Ablehnungsantrag des Antragstellers gegen drei namentlich genannte sowie alle weiteren Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, alle Richter des Oberlandesgerichts Wien und sechs Richter des Obersten Gerichtshofs den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Ablehnungsantrag wird, soweit er „alle Richter des Oberlandesgerichts Wien “ betrifft, zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Ablehnung aller Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien wird die Sache dem dafür zuständigen Oberlandesgericht Wien überwiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Antragsteller lehnte in dem gegen ihn geführten Exekutionsverfahren AZ 64 E 4364/18x des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien in der Tagsatzung vom 6. 6. 2019 die zu dessen Führung zuständige Richterin des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien wegen behaupteter Befangenheit ab. Diese Ablehnung wurde mit Beschluss der Vorsteherin des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 12. 6. 2019 zu GZ 32 Nc 45/19m 4 zurückgewiesen. Dem dagegen erhobenen Rekurs des Antragstellers gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht mit dem Antragsteller am 13. 12. 2021 zugestellten Beschluss vom 18. 11. 2021 zu AZ 47 R 235/21p nicht Folge.

[2] Daraufhin lehnte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. 12. 2021 einerseits namentlich die drei an der Fassung des Beschlusses vom 18. 11. 2021 beteiligten Mitglieder der Senatsabteilung 47 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien und darüber hinaus – jeweils „in Ansehung der Entscheidung über diesen Ablehnungsantrag“ – alle Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien sowie sechs namentlich genannte Richter des Obersten Gerichtshofs – hierunter kein Mitglied des erkennenden Senats – wegen angeblicher Befangenheit ab.

[3] Zur von ihm behaupteten Befangenheit aller Richter des Oberlandesgerichts Wien führt der Antragsteller wie folgt aus: An diesem Gericht werde nach seinen Erfahrungen die gemäß § 183 Geo vorgeschriebene Vorgangsweise nicht eingehalten. Entgegen dieser Bestimmung werde ein einlangender Ablehnungsantrag nicht dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien vorgelegt, sondern in den Akt des Ausgangsverfahrens einjournalisiert. Darüber hinaus sei es „ nach Beobachtung des Antragstellervertreters [= Antragstellers; Anm] auch im Bereich des Oberlandesgerichts Wien Usus, den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien in Bezug auf Ablehnungsanträge vollständig zu umgehen “. Dies könne nur mit dessen Duldung selbst erfolgen. Die Duldung sei auch tatsächlich zumindest wissentlich erfolgt, weil der vormalige Präsident des Oberlandesgerichts Wien von der missbräuchlichen Umgehung der Bestimmung des § 183 Geo nachweislich in Kenntnis gewesen und nicht dagegen eingeschritten sei. Der Antragsteller vertritt die „ Interpretation […] dass die Einhaltung dieser Vorgangsweise anscheinend unbedingt erforderlich ist, um einer rechtsstaatsfeindlichen Verbindung Macht, Dominanz und Kontrolle über die Rechtsprechung der Republik Österreich zu sichern “. Seiner Ansicht nach bestehe „ somit in Bezug auf das gesamte Oberlandesgericht Wien der lückenlose Anschein einer amtsmissbräuchlichen Vorgangsweise in Bezug auf die Behandlung von Ablehnungsanträgen “. Insofern wäre nach Ansicht des Antragstellers „ von einer Befangenheit respektive Ausgeschlossenheit sämtlicher RichterInnen des Oberlandesgerichts Wien in Bezug auf die geschäftsordnungsgemäße Behandlung des gegenständlichen Ablehnungsantrags in Ansehung der abgelehnten RichterInnen auszugehen “.

[4] Der Vorsitzende der Senatsabteilung 47 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien legte den – bei diesem Gericht zu AZ 47 Nc 11/21f registrierten – Ablehnungsantrag vom 27. 12. 2021 dem Obersten Gerichtshof „im Hinblick auf die darin erklärte Ablehnung aller Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien“ vor.

[5] Der Ablehnungsantrag ist (jedenfalls) indem im Spruch bezeichneten – der Kognition des Obersten Gerichtshof unterliegenden – Umfang nicht berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

[6] 1.1. Wird ein Gerichtshof durch eine Ablehnung beschlussunfähig, so entscheidet über eine Ablehnung nach § 23 JN der zunächst übergeordnete Gerichtshof.

[7] 1.2. Hier lehnt der Antragsteller nicht nur sämtliche Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, sondern auch des Oberlandesgerichts Wien ab. Die Entscheidung über den Ablehnungsantrag vom 27. 12. 2021 kommt daher zumindest zunächst dem Obersten Gerichtshof zu (vgl 3 Nc 8/21p).

[8] 1.3. Aus den Ausführungen des Ablehnungswerbers ergibt sich keine Befangenheit von Richtern des Oberlandesgerichts Wien.

[9] 1.3.1. Wie vom Obersten Gerichtshof bereits wiederholt ausgeführt ist eine Entscheidung über eine mögliche Befangenheit nicht als Akt der Justizverwaltung, sondern als Akt der unabhängigen Rechtsprechung anzusehen. Dementsprechend wurde mit der Geo Novelle 1999, BGBl II 1999/69, § 511 Abs 2 Geo, demzufolge Ablehnungsanträge in das Jv Register einzutragen waren, ersatzlos aufgehoben. § 183 Abs 1 und 3 sowie dem § 509 Abs 1 Z 3 Geo wurde im gegebenen Zusammenhang dadurch derogiert. Ablehnungsanträge und Befangenheitsanzeigen in bürgerlichen Rechtssachen sind seither nur mehr in das Nc Register einzutragen (RS0132677; 3 Nc 15/21t [Rz 7]). Die vom Antragsteller beanstandete Vorgangsweise ist rechtens und damit keinesfalls taugliche Grundlage einer erfolgreichen Ablehnung (vgl 1 Ob 37/21d [Rz 9]).

[10] 1.3.2. Im Übrigen übersieht der Antragsteller, dass die pauschale Ablehnung eines ganzen Gerichts respektive aller seiner Richter unzulässig ist. Eine Ablehnung kann nur aus persönlichen Gründen gegen die bestimmte Person eines Richters erfolgen (RS0046005 [T2]). Eine Mehrzahl von Richtern kann nur durch Ablehnung jedes einzelnen von ihnen sowie durch Angabe detaillierter konkreter Ablehnungsgründe in Ansehung jedes einzelnen Richters erfolgreich abgelehnt werden (RS0046005 [T8]). Der Ablehnungsantrag genügt dem nicht.

[11] 1.4. Der Ablehnungsantrag vom 27. 12. 2021 vermag daher in Ansehung der (pauschalen) Ablehnung aller Richter des Oberlandesgerichts Wien nicht zu überzeugen. Soweit er „alle Richter des Oberlandesgerichts Wien“ betrifft, ist er zurückzuweisen.

[12] 2. Dadurch ist das Oberlandesgericht Wien in der Lage, über die im Ablehnungsantrag ebenfalls enthaltene Ablehnung aller Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien zu entscheiden (vgl RS0109137 [T4]; 3 Nc 8/21p). Insoweit kommt dem Obersten Gerichtshof keine Kognition zu.

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