1Ob210/21w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei H* GmbH, *, vertreten durch Dr. Thomas Bründl, Rechtsanwalt in Straßwalchen, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 9. Juli 2021, GZ 22 R 141/21w 21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 24. März 2021, GZ 4 C 191/20d 17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,79 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger ist zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 Eigentümer einer aus einem Weggrundstück bestehenden Liegenschaft. Die Streitteile sind darüber hinaus jeweils Hälfteeigentümer einer (anderen) Liegenschaft mit zwei inneliegenden Grundstücken, darunter (wiederum) eine „Wegparzelle“. Die beklagte Gesellschaft will zu der auf ihrem (in ihrem Alleineigentum stehenden) Grundstück befindlichen behördlich bewilligten Bodenaushubdeponie eine Zufahrt errichten. Dieser Zufahrtsweg würde nur den im (ideellen) Hälfteeigentum der Streitteile stehenden Weg queren, den anderen Weg aber nicht berühren.
[2] Das Erstgericht wies die (nach Einschränkung eines Feststellungsbegehrens noch zur Entscheidung übrig gebliebene) vorbeugende Unterlassungsklage, die Beklagte schuldig zu erkennen, eine (ohne seine Zustimmung erfolgende) Nutzung dieser beiden Wege als Aufschließungsstraße für die Bodenaushubdeponie zum Zweck der Ablagerung von „Bodenaushub“ zu unterlassen, ab. Es sah das Unterlassungsbegehren als nicht berechtigt an, weil die (geplanten) an Werktagen regelmäßig stattfindenden Querungen überhaupt nur eine der beiden Wegparzellen betreffen. Auch dieser Weg werde nicht als „Aufschließungsstraße“ genutzt, sondern bloß gequert, wodurch der Kläger als in gleicher Weise wie die Beklagte berechtigter ideeller Miteigentümer von dessen Nutzung nicht ausgeschlossen (oder in einer einem Ausschluss nahekommenden Weise beeinträchtigt) werde. Es sei daher kein Grund zu sehen, warum diese Verkehrsfläche nicht von beiden Seiten im Sinne einer Nutzung des Wegs zu Fahrzwecken verwendet werden könne.
[3] Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts. Aus der Querung des Wegs durch den Zufahrtsweg zur Deponie (der danach parallel zum Weg geführt werde) ergebe sich keine „Veränderung der gemeinsamen Sache“. Die ordentliche Revision erklärte es nachträglich für zulässig. Es bestehe noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob die Verwendung eines ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Wegs als Zufahrtsweg zu einer Deponie als derart gravierende Nutzungsänderung anzusehen sei, dass ein Eingriff in die dinglich geschützte Rechtsposition des anderen Miteigentümers vorliege.
[4] Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.
[5] Dies bedarf nur einer kurzen Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Voraussetzung einer „vorbeugenden Unterlassungklage“ ist die konkrete Besorgnis einer drohenden Rechtsverletzung (RIS Justiz RS0010479; RS0012061). Nach dem festgestellten Sachverhalt wird bei der Errichtung der Zufahrstraße zur Deponie eines der beiden Weggrundstücke gar nicht „tangiert“. Der Kläger legt zu diesem Weg weder dar, warum er hier e ines Schutzes (vor einem gar nicht drohenden Eingriff) bedürfte, noch wieso sich zu diesem Weg eine erhebliche Rechtsfrage stellen sollte.
[7] 2.1. Zum zweiten Weggrundstück stützt er sich auf eine „praktisch ausschließlich landwirtschaftliche Nutzung“ (tatsächlich erfolgte darüber hinaus die Nutzung durch Nutzfahrzeuge zur Verlegung einer Gasleitung und als Zufahrt zum Wohnsitz einer bestimmten Familie, dies auch zur Verrichtung handwerklicher Arbeiten oder sonstiger Renovierungstätigkeit [mit Bussen von Handwerkern oder sonstigen kleineren Nutzfahrzeugen]). Der Kläger behauptet, es komme (durch die von der Beklagten geplante Verwendung des gemeinsamen Wegs) zu einer eigenmächtigen Veränderung der bisherigen Benützungsverhältnisse, wobei er argumentiert, die Beklagte habe die Miteigentumsrechte am Weggrundstück ausschließlich deswegen erworben, um eine „solche Umwidmung“ zu erreichen. Darin liege eine Substanzveränderung, die nur durch einstimmige Vorgangsweise aller Miteigentümer beschlossen werden könne. Mit seiner Behauptung zum Erwerb der Miteigentumsanteile ausschließlich zur Erreichung einer „Umwidmung“, entfernt er sich aber vom festgestellten Sachverhalt. Die Rechtsrüge ist insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043603 [T2]). Warum im Befahren des Wegs zu anderen als zu landwirtschaftlichen Zwecken eine Substanzveränderung des Wegs liegen sollte, ist nicht verständlich. Grundsätzlich ist jeder Teilhaber allein aus seiner Stellung als Miteigentümer berechtigt, die gemeinsame Sache zu nutzen (s 1 Ob 45/12y; RS0013197).
[8] 2.2. Zur Beurteilung des Berufungsgerichts, er sei als Miteigentümer des Wegs durch die Querung von Fahrzeugen über diesen Weg in seinem Gebrauch weder behindert, noch würden dadurch ins Gewicht fallende Interessen (die einen „Eingriff in die dinglich geschützte Rechtsposition“ des Klägers erkennen ließen) berührt, kann er in der Revision keine erhebliche Frage aufzeigen. Die von ihm in der Revision zitierten Entscheidungen betreffen fast alle die anderen Miteigentümer ausschließende Nutzungen der gemeinsamen Sache (MietSlg 8.532 = 6 Ob 419/60 [verfrühte Räumungsklage des Mehrheitseigentümers gegen die Mieter nach Beginn von konsenslosen Arbeiten am gemeinsamen Haus]; LGZ Graz, MietSlg 38.039 [alleinige Benützung der Wohnung]; 10 Ob 53/08d [Eigennutzung statt Vermietung]; 1 Ob 213/07s [keine Veränderung der bisherigen Alleinnutzung bestimmter Räumlichkeiten]), nicht aber Fälle, in denen – wie regelmäßíg bei Wegen – eine Nutzung durch alle Miteigentümer „nebeneinander“ möglich bleibt.
[9] 2.3. Der Kläger verweist zwar darüber hinaus auf eine Entscheidung, nach der eine umfangreichere Nutzung einer gemeinschaftlichen Sache auch ohne den Ausschluss der anderen von ihrer Nutzung als unzulässige eigenmächtige Veränderung gewertet wurde (1 Ob 128/06i), führt dazu aber selbst aus, dass dies im konkreten Fall wegen einer erhöhten Belastung der anderen Miteigentümer durch Lärm, Abgase und möglicher rechtlicher Nachteile aufgrund von Ansprüchen Dritter ausgesprochen worden sei. Unerwähnt lässt er, dass diese Beeinträchtigungen deshalb Berücksichtigung fanden, weil sie in der besonderen Konstellation des Anlassfalls die Parteien als (jeweilige Allein-)Eigentümer von Liegenschaften (etwa mit dem darauf befindlichen Wohnhaus), zu deren Gutsbestand das realrechtlich verbundene Miteigentum am (gemeinsamen) Hofraum gehörte, trafen. Zum einen fehlt hier – worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat – eine derartige realrechtliche Verknüpfung mit (beeinträchtigten) Liegenschaften des Klägers; zum anderen behauptet der Revisionswerber auch gar nicht, dass (und wo) er durch erhöhten Lärm oder Abgase gestört wäre. Bei seiner (allgemein gehaltenen) Berufung auf ein „wesentlich erhöhtes Verkehrsaufkommen“ übergeht er, dass die Deponiefahrzeuge ja nicht den gesamten Miteigentumsweg benützen, sondern ihn lediglich an einer Stelle queren. Auch zu möglichen rechtlichen Nachteilen aufgrund von Ansprüchen Dritter (gegenüber ihm als Miteigentümer des Wegs) führt er in der Revision nichts aus und kann daher insgesamt mit seinen Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen .
[10] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen. Ihre Rechtsmittelgegenschrift ist daher als eine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderliche Maßnahme anzusehen. Im Revisionsverfahren war allein über das (verbliebene) Unterlassungsbegehren zu entscheiden. Bemessungsgrundlage für die Kosten des Verfahrens dritter Instanz sind daher (nur) 3.500 EUR.