JudikaturOGH

3Ob185/21h – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Dezember 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei P* Kft., *, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 23 Cg 65/18t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 29. September 2021, GZ 3 R 109/21f 12, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Wurde eine Wiederaufnahmsklage – wie hier – bereits vor Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen, so unterliegt der Revisionsrekurs trotz des bestätigenden Beschlusses des Rekursgerichts nicht dem Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, weil die Wiederaufnahmsklage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (RS0125126 [T2]).

[2] 2. Ob im Einzelfall ein Vorbringen zur Darstellung eines Wiederaufnahmsgrundes ausreicht oder nicht, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO dar, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre (RS0044411 [T19]).

[3] 3.1 Gemäß § 530 Abs 2 ZPO ist die Wiederaufnahme aus dem hier geltend gemachten Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen. Die Behauptungs- und Beweislast für den Mangel des Verschuldens trägt der Wiederaufnahmskläger (RS0044633; RS0044558 [T11, T12]). Sinn und Zweck der Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist es, eine unrichtige Tatsachengrundlage des mit der Wiederaufnahmsklage angefochtenen Urteils zu beseitigen, nicht aber, Fehler der Partei bei Führung des Vorprozesses zu korrigieren (RS0039991).

[4] 3.2 Ein Verschulden des Wiederaufnahmsklägers kann nur dann verneint werden, wenn er von der neuen Tatsache trotz sorgsamer Prozessvorbereitung und Beweismittelbeschaffung erst nach Schluss der Verhandlung des Vorprozesses Kenntnis erlangt (RS0044533). Ob der Wiederaufnahmskläger die ihm zumutbare Sorgfalt angewendet hat und ob die Klageangaben geeignet sind, ein mangelndes Verschulden im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO darzulegen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, sodass sich im Regelfall erhebliche Rechtsfragen von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO nicht stellen (RS0111578; RS0044633 [T7]; vgl RS0044619 [T5]; RS0109743 [T2]).

[5] 3.3 Dem Rekursgericht ist keine aus Gründen der Rechtssicherheit ausnahmsweise aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen: Der Wiederaufnahmskläger brachte lediglich vor, er habe erst nach Abschluss des Verfahrens, in dem er nach Wandlung des Kaufvertrags über einen gebrauchten Schwimmbagger zur Rückzahlung des erhaltenen Kaufpreises verpflichtet wurde, auf einem defekten Laptop gespeicherte E-Mails wieder aufgefunden, die zu anderen Ergebnissen des Beweisverfahrens geführt hätten. Er erklärte allerdings – worauf bereits das Rekursgericht in seiner Begründung zutreffend hinweist – weder die näheren Umstände über den Defekt seines Computers noch darüber, dass und wann er (allenfalls) welche Versuche unternommen hätte, um während des laufenden Verfahrens diese Korrespondenz wieder auffinden und vorlegen zu können; auch zu dem beantragten Zeugen erstattete er – abgesehen vom fehlenden konkreten Beweisthema – kein Vorbringen, aus dem hervorginge, weshalb er diesen erst jetzt namhaft machen konnte. Angesichts des langen Zeitraums zwischen der Zustellung der Klage im Dezember 2018 und den Beweisaufnahmen, die in den Verhandlungen des Erstgerichts im April, September und November 2019 sowie im März 2020 stattfanden, wäre – wie das Rekursgericht aufzeigte – ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, um entsprechende Schritte zur Erlangung dieser Beweismittel zu setzen. Wenn das Rekursgericht schließlich darauf verweist, dass selbst das ergänzende Vorbringen im Rekurs zu unkonkret sei und keinen Anhaltspunkt dafür biete, dass von einer unverschuldeten Nichtverfügbarkeit der nun angebotenen Beweismittel ausgegangen werden könne, so hält sich dies im Rahmen des ihm dabei einzuräumenden Beurteilungsspielraums.

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