3Ob157/21s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K* KG, *, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die verpflichtete Partei o* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (§ 355 EO), über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. August 2021, GZ 47 R 47/21s und 47 R 55/21t bis 47 R 59/21f-22, mit denen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien jeweils vom 3. März 2021, GZ 69 E 401/21v 9 bis 13, abgeändert wurden, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Beschlüsse des Erstgerichts wiederhergestellt werden.
Die Kosten des Revisionsrekurses werden mit 2.597,80 EUR (darin 366,30 EUR USt und 400 EUR Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung:
[1] Die Parteien sind Medieninhaberinnen, die im Anzeigenverkauf in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Mit einstweiliger Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 21. Jänner 2021 wurde der Verpflichteten untersagt, im geschäftlichen Verkehr das Abonnement für „o*“ mit den wörtlichen oder sinngleichen falschen Behauptungen zu bewerben, dass jeder Abonnent 10 EUR im Monat „Cash zurück“ erhalte, obwohl Abonnenten lediglich die Möglichkeit haben, an einem Gewinnspiel („CLICK WIN“) teilzunehmen, wofür Geldbeträge (zum Beispiel 15 EUR im Monat) in Aussicht gestellt werden, sofern der Nutzer Inhalte der Website der Verpflichteten in bestimmtem Umfang oder bestimmter Dauer abruft.
[2] Die Betreibende beantragte aufgrund dieses Titels die Bewilligung der Exekution nach § 355 EO sowie die Verhängung einer Geldstrafe. Der Beschluss des Handelsgerichts Wien sei gemäß § 89d Abs 2 GOG seit dem 3. Februar 2021 vollstreckbar, die Verpflichtete habe seither in ihrer Eigenwerbung dagegen verstoßen, indem sie am 3. Februar 2021 in den Tageszeitungen „Ö*“ und „o*“ jeweils ein (im Antrag abgebildetes) Inserat veröffentlicht habe, das unter der Überschrift „Was dir ein o*-Abo bietet – starte in die neue Internet-Ära“ auch den Schriftzug „FÜR JEDEN CLICK gibt´s Geld – 10 Euro im Monat. Nur bei o* erhältst du für jeden Click Geld – 10 Euro im Monat“ enthält. Die Ausgabe der Tageszeitung werde seit dem 3. Februar 2021 und daher auch am 4. Februar 2021 über Apps für iOS und Android verbreitet, deren Medieninhaberin die Verpflichtete sei. In der Folge erhob die Betreibende vier weitere Strafanträge, in denen sie dieselben (näher genannten) Verstöße gegen die Einstweilige Verfügung jeweils für den 5., 6., 7. und 8. Februar 2021 behauptete.
[3] Das Erstgericht bewilligte – nach Einräumung einer Äußerungsmöglichkeit zu den Strafzumessungsgründen – am 3. März 2021 die Unterlassungsexekution und verhängte in insgesamt fünf Beschlüssen (ON 9 bis ON 13) jeweils Geldstrafen über die Verpflichtete.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betreibenden, in dem diese eine Erhöhung einer der Geldstrafen beantragte, nicht Folge (gemeint offenbar: verwies auf die Abweisung des Exekutionsantrags), dem Rekurs der Verpflichteten hingegen Folge und wies den Exekutionsantrag sowie die Strafanträge ab.
[5] Dem Exekutionsantrag sei gemäß § 54 Abs 2 EO eine Ausfertigung des Exekutionstitels samt Bestätigung der Vollstreckbarkeit anzuschließen; die von der Betreibenden ihrem Antrag vorgelegte Ausfertigung weise aber keine dem § 150 GeO entsprechende Bestätigung auf, ein Entscheidungsorgan für diese Bestätigung sei nicht genannt und es fehle eine Unterschrift oder elektronische Signatur.
[6] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Betreibenden wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache an das Rekursgericht, hilfsweise an das Erstgericht, zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt .
[8] 1.1 Gemäß § 54 Abs 2 EO idF vor der Gesamtreform des Exekutionsrechts – GREx, BGBl I Nr 86/2021, welche Bestimmung gemäß § 502 Abs 1 EO aufgrund des vor dem 1. Juli 2021 eingelangten Exekutionsantrags anzuwenden ist, hat der Betreibende dem Exekutionsantrag eine Ausfertigung des Exekutionstitels samt Bestätigung der Vollstreckbarkeit anzuschließen.
[9] 1.2 Gemäß § 150 Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Geo) sind vollstreckbare Ausfertigungen solche, denen eine Prüfung durch den Richter oder Rechtspfleger und darüber ein urschriftlicher Amtsvermerk voran ging, und für die grundsätzlich eine besondere Stampiglie zu verwenden ist. Die Bestätigung der Vollstreckbarkeit ist vom Leiter der Geschäftsabteilung zu unterschreiben (§ 150 Abs 3 Geo).
[10] 1.3 Gemäß § 79 Abs 1 GOG bedarf die Ausfertigung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung, die mittels ADV erstellt wurde, keiner Unterschrift oder Beglaubigung.
[11] 2.1 Die Betreibende legte ihrem Exekutionsantrag als (eine von zwei) Beilage(n) ./A eine – erkennbar im ERV zugestellte – Ausfertigung der Einstweiligen Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 21. Jänner 2021 (zu 57 Cg 72/20v) bei, auf deren erster Seite sich der Vermerk findet: „Die einstweilige Verfügung ist seit dem 3.2.2021, 00.00 Uhr, vollstreckbar (Zustellung an den BV gem. § 89d Abs GOG am 3.2.2021)“. Am Ende der Begründung dieses Beschlusses sind das Datum der Entscheidung (21. Jänner 2021), die Gerichtsabteilung und der Name der Erstrichterin angegeben. Außerdem findet sich zusätzlich auf dieser dritten Seite der Beschlussausfertigung unter dem neuerlich angeführten Namen der Erstrichterin der Hinweis auf „qualifiziert elektronisch signiert“. Damit erweist sich die Begründung der Entscheidung des Rekursgerichts, nach der eine dem § 150 Abs 3 Geo entsprechende Bestätigung der Vollstreckbarkeit fehle, als aktenwidrig. Die Betreibende legte darüber hinaus ihrem Revisionsrekurs ergänzend eine (weitere) Bestätigung des Handelsgerichts Wien bei, in der die bereits in der Einstweiligen Verfügung namentlich genannte Erstrichterin am 3. Februar 2021 (neuerlich) bestätigte, dass die „Ausfertigung (...) mit 03.02.2021 vollstreckbar“ sei.
[12] 2.2 Der vom Rekursgericht herangezogene Abweisungsgrund einer fehlenden (vollständigen) Vollstreckbarkeitsbestätigung lag daher nicht vor. Die im Rekursverfahren von den Parteien aufgeworfenen, vom Rekursgericht bisher nicht behandelten Rechtsfragen sind daher im Folgenden zu beantworten; eine Verbesserung des Rechtsmittels durch Ergänzung eines Abänderungsantrags ist entbehrlich (vgl RS0116707).
[13] 3.1 Die Verpflichtete argumentierte im Wesentlichen, die Betreibende habe sowohl im Exekutionsantrag als auch in den Strafanträgen jeweils „keine konkrete Behauptung eines Titelverstoßes“ erhoben; das darin erstattete Vorbringen sei unschlüssig und die Anträge seien aus diesem Grund abzuweisen gewesen. Außerdem mangle es der Betreibenden am Rechtsschutzbedürfnis und am Vollstreckungsinteresse, weil sie aufgrund einer weiteren einstweiligen Verfügung gegen die Verpflichtete ein inhaltlich deckungsgleiches Exekutionsverfahren führe. Die vom Erstgericht verhängten Strafen seien „bei weitem überhöht“ und die Beschlüsse des Erstgerichts wegen fehlender Begründung nichtig.
[14] 3.2 Die Betreibende erstattete – wie eingangs wiedergegeben – hinreichendes Vorbringen zu den Titelverstößen: In der Einstweiligen Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 21. Jänner 2021 wurde der Verpflichteten die Unterlassung der konkreten Werbemaßnahme aufgetragen, die sie nach dem schlüssigen, durch Abbildungen der veröffentlichten Werbung ergänzten Vorbringen im Exekutionsantrag sowie in den Strafanträgen – neben anderen Aussagen – auch an den von der Betreibenden genannten Tagen (unter anderem) auf ihrer Homepage verwendete („FÜR JEDEN CLICK gibt´s Geld – 10 Euro im Monat“). Inwiefern dieses Vorbringen der Betreibenden – wie die Verpflichtete meint – unschlüssig sein sollte, ist nicht nachvollziehbar.
[15] 3.3 Auch ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis oder Vollstreckungsinteresse ist nicht erkennbar: Ein Vollstreckungsinteresse ist zwar Exekutionsvoraussetzung (RS0106938; RS0000101 [T3]), es ergibt sich aber im Regelfall schon aus der Behauptung, dass der titulierte Anspruch noch nicht erfüllt sei (vgl 3 Ob 172/07a) oder der Verpflichtete – wie hier – gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen habe. Das fehlende Vollstreckungsinteresse des betreibenden Gläubigers müsste sich aus dem Exekutionsantrag oder dem Akteninhalt ergeben und wäre etwa zu verneinen, wenn zu erwarten wäre, dass die Exekutionsführung erfolglos, also zwecklos, sein würde (vgl RS0084555 [T3]; 3 Ob 172/07a mwN). Davon kann allerdings hier keine Rede sein, zumal die Verpflichtete selbst vorbringt, dass „die inkriminierte Äußerung ab dem 9. Februar 2021 nicht mehr abrufbar gehalten“ worden sei. Die Behauptung, dass die Betreibende in einem anderen Verfahren einen weiteren Exekutionstitel gegen die Verpflichtete erwirkt und diesen angeblich inhaltlich deckungsgleichen Unterlassungstitel sowie einen dritten, gegen eine andere Mediengruppe gerichteten, ebenfalls in Exekution gezogen haben soll, ist eine durch die Aktenlage nicht gedeckte unzulässige Neuerung und vermag ein fehlendes Vollstreckungsinteresse für den vorgelegten Unterlassungstitel nicht aufzuzeigen.
[16] 3.4 Auch ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot ist nicht erkennbar: Eine Unterlassungsklage zielt (nur) darauf ab, dass dem Beklagten künftig eine bestimmte Handlung untersagt (verboten) wird; damit ist noch keine Bestrafung für die bisherigen (rechtswidrigen) Handlungen verbunden. Nur ein Verstoß gegen eine titelmäßig gedeckte Unterlassungsverpflichtung kann zur Verhängung einer Geldstrafe im Wege des Exekutionsverfahrens führen. Wenn die Verpflichtete der Auffassung ist, dass ihr dasselbe Verhalten durch eine deckungsgleiche weitere Entscheidung verboten worden sein sollte, so hätte sie dies allenfalls im Titelverfahren geltend machen können (vgl RS0114774 [T3]). Soweit die Verpflichtete meint, sie habe die verbotene Äußerung „sogar noch bevor die Strafanträge zugestellt worden“ seien, geändert, erhebt sie ebenfalls keinen tauglichen Einwand gegen die Bewilligung der beantragten Unterlassungsexekution sowie gegen die mit den angefochtenen Beschlüssen verhängten Geldstrafen. Sollte die Verpflichtete mit ihrem Verhalten tatsächlich gegen mehrere Unterlassungstitel verstoßen haben, so hätte dies allenfalls im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden müssen (dazu Höllwerth in Deixler Hübner , Exekutionsordung § 355 Rz 47 mwN), allerdings sind dafür die Behauptungen im Rekurs zu wenig konkret.
[17] 3.5 Der zur Unterlassung Verpflichtete kann nicht erfolgreich fordern, dass mehrere Titelverstöße in nur einem gemeinsamen Strafantrag oder durch einen einheitlichen Strafbeschluss über mehrere Anträge geahndet werden. Dass die vom Erstgericht verhängten Strafen dem wirtschaftlichen Nutzen der verbotenen Werbung nicht entsprächen, weil die Veröffentlichung „äußerst klein“ gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar. Das Erstgericht hat seine Entscheidungen inhaltlich ausreichend begründet, die Behauptung, es handle sich um eine bloße „Scheinbegründung“ ist unzutreffend.
[18] 4. Auch die Betreibende erhob Rekurs, allerdings nur gegen die Strafhöhe im ersten Strafbeschluss des Erstgerichts (ON 9). Zu den Strafzumessungsgründen erstattete sie allerdings keinerlei Vorbringen, sondern beschränkte sich auf den Hinweis, dass das Rekursgericht „in vergleichbaren Fällen“ höhere Strafen verhängt habe. Ein Anlass für eine Abänderung dieses Beschlusses folgt daraus nicht.
[19] 5. In Exekutionssachen ist das Rechtsmittelverfahren auch in dritter Instanz an sich einseitig, was auch für das Bewilligungsverfahren gilt, sofern nicht der Oberste Gerichtshof im Einzelfall eine Rechtsmittelbeantwortung für geboten hält. Im vorliegenden Fall hat die Verpflichtete ihre Argumente bereits im Rekurs vorgetragen, weshalb es keiner Freistellung einer Revisionsrekursbeantwortung bedurfte (vgl 3 Ob 50/21f mwN).
[20] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO.