JudikaturOGH

11Os126/21w – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Frank als Schriftführerin in der Strafsache gegen * L* und * S* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten L* sowie über die Berufung des Angeklagten S* gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 16. Juni 2021, GZ 29 Hv 40/21i-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

A us deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung beider Angeklagter je im Verfallsausspruch auf gehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landes gericht Innsbruck verw iesen.

Die Akten werden vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe übermittelt.

Mit seiner gegen den Verfallsanspruch gerichtete Berufung wird der Angeklagte S* auf die Aufhebung verwiesen.

Dem Angeklagten L* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten * L* und * S* je des Verbrechens des Suchtgifthandels nach (§ 12 zweiter Fall StGB,) § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB (1./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 3 SMG (2./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz verkürzt wiedergegeben – im Jahr 2020 in S* und ander norts im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Amphetamin

1./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge (insgesamt 48,68 Grenzmengen) als Bestimmungstäter durch mehrere Bestellungen bei unbekannten „Vendoren“ auf dem Darknetmarktplatz „E*“ aus Deutschland und den Niederlanden nach Österreich eingeführt und einzuführen versucht (Reinsubstanz 486,89 g);

2./ in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, und zwar insgesamt 2.500 g mit einem Reinsubstanzgehalt von 10 % (250 g Reinsubstanz, entsprechend 25 Grenzmengen) anderen überlassen und verschafft, indem sie eine Teilmenge der zu 1./ genannten Suchtgiftmenge von insgesamt 1.000 g Amphetamin von den „Vendoren“ direkt an * P* (750 g Amphetamin) und * R* (250 g Amphetamin) liefern ließen und eine weitere Menge von insgesamt 1.500 g Amphetamin an die Vorgenannten und andere Personen verkauften und übergaben.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 [lit a] und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten L*.

[4] Der Beschwerdeführer übersieht in seiner Mängelrüge (Z 5), dass abgesehen vom Erfordernis der Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen und der Verpflichtung des Gerichts zur bestimmten, aber gedrängten Darstellung der Gründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), bei deren Ausführung zu beachten ist, dass die Beweisergebnisse in ihrer Gesamtheit zu betrachten sind (§ 258 Abs 2 StPO), widrigenfalls sie ihren gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt (RIS Justiz RS0119730; Ratz , WK StPO § 281 Rz 455).

[5] Insoweit der Beschwerdeführer kritisiert, es sei nicht eindeutig erkennbar, „wann, wo, wie und mit welcher Absicht der Angeklagte Suchtgift einführte“, die Ableitung der inneren Tatseite aus dem äußerem Geschehen stelle eine Scheinbegründung dar, das Erstgericht habe nicht festgestellt oder begründet, „woher das Suchtgift kam und woher der Angeklagte wissen oder erahnen konnte“, welche Menge Suchtgift betroffen sein konnte und „woraus sich ergibt, dass er diese veräußern, einführen etc will“, übergeht er die erstgerichtlichen Erwägungen hiezu zur Gänze (US 10, 11, 12, 13, 18, 19). Insgesamt übt er – überdies unter mehrmaliger Bezugnahme auf den Zweifelsgrundsatz (dazu RIS-Justiz RS0102162) – bloß eine im schöffengerichtlichen Verfahren in dieser Form unzulässige Beweiswürdigungskritik und verfehlt solcherart den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0098471 [T1]).

[6] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

[7] Die Kritik, die subjektive Tatseite sei nicht hinreichend festgestellt, ebensowenig, worin sich der Vorsatz des „schamlos von seinem Freund ausgenützten“ Angeklagten manifestierte, sowie „wann und wie der Angeklagte Kenntnis über Quantität und Qualität des Suchtgifts“ erlangt hätte, übergeht die diesbezüglichen erstgerichtlichen Konstatierungen (insb US 7, 8). Der weiters erhobene Vorwurf des „substanzlosen Gebrauchs der 'verba legalia'“ legt nicht dar, warum es den insoweit getroffenen Feststellungen (US 6 f) am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS Justiz RS0119090 [T3]).

[8] Die Sanktionsrüge (Z 11) macht mit den Vorwürfen, die Strafe sei „völlig überhöht“ und das Zusammentreffen zweier Verbrechen hätte nicht erschwerend gewertet werden dürfen, bloß Berufungsgründe geltend (RIS Justiz RS0099920, RS0099911). Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf einer Doppelverwertung bleibt bei Blick auf den in Rede stehenden Tatbestand (§ 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG) unverständlich.

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe folgt (§ 285i StPO).

[10] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend aufzeigte – von einer nicht geltend gemachten, den Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit betreffend d ie Verfallserkenntnisse (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO):

[11] Sind Vermögenswerte mehreren Personen zugekommen, so ist bei jedem Empfänger nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären. Solidar- oder Kumulativhaftung ist nicht vorgesehen ( Fuchs/Tipold in WK² StGB § 20 Rz 34; RIS Justiz RS0129964).

[12] Das Erstgericht erklärte gemäß § 20 Abs 3 StGB bei beiden Angeklagten je einen Geldbetrag von 15.000 Euro für verfallen (US 4), ohne (hinreichend differenzierte) Feststellungen zur Höhe dieses Betrages (s etwa US 8: „Die Angeklagten … erzielten einen Erlös von zumindest 15.000 Euro …“; US 10, 20) zu treffen.

[13] Die die Verfallserkenntnisse betreffende Nichtigkeit war bereits vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen. Dem Berufungsgericht ist nämlich zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung der d iesen Ausspruch betreffenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO zugunsten des Angeklagten L*, dessen Berufung lediglich ein gegen die Strafe gerichteter Anfechtungswille zu entnehmen ist, verwehrt (RIS Justiz RS0119220 [T9, T10]; Ratz , WK-StPO § 294 Rz 10, § 295 Rz 7). Um eine gemeinschaftliche Erledigung in diesem Punkt zu ermöglichen, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde auch den S* betreffenden Verfallsausspruch aufzuheben, wenngleich dieser eine Berufung wegen des Verfallsausspruchs angemeldet (ON 53) hat (§§ 285e erster Fall, 289, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[14] Einer Aufhebung auch des S* betreffenden Einziehungserkenntnisses (Einziehung einer Tablette Viagra und von neun Ampullen Testosteron gemäß § 34 SMG; US 3) bedurfte es im Hinblick auf den vom Angeklagten – im Beisein seines Verteidigers – abgegebenen Verzicht auf Ausfolgung dieser sichergestellten Gegenstände (ON 50 S 15) nicht, weil ein Nachteil in der Bedeutung des § 290 Abs 1 StPO nicht gegeben ist (RIS-Justiz RS0088201 [T11, T14]).

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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