JudikaturOGH

9ObA141/21g – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon. Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Prof. Dr. Klaus Mayr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * M*, vertreten durch Klein, Wuntschek Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch Kuhn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 5.079,28 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Oktober 2021, GZ 6 Ra 60/21x 26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 1 ZPO mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin arbeitet seit 1. 10. 2004 in einer Behinderteneinrichtung, deren Rechtsträger die Beklagte ist. Auf ihr Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag der konfessionellen Krankenanstalten Steiermark in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

[2] Die Klägerin war zunächst als Pflegehelferin (Pflegeassistentin) in der Verwendungsgruppe 4 des Entlohnungsschemas SII (SII/4) des Kollektivvertrags eingestuft. Seit dem Jahr 2015 wird sie in einer Wohngruppe und einer Tageswerkstätte eingesetzt. Im Jahr 2016 schloss sie das Bachelorstudium „Pädagogik“ ab. Seit 1. 8. 2016 ist sie in die Verwendungsgruppe 3 des Entlohnungsschemas SII (SII/3) eingestuft. Beim Bachelorstudium der Klägerin handelt es sich um eine wissenschaftliche Grundausbildung, die der Vorbereitung auf weitere Karrierewege in diesem Fachbereich, etwa auf die Mitarbeit an Forschungsprojekten, in der Lehre oder für die Arbeit mit spezifischen Zielgruppen dient. Durch Absolvierung eines Masterstudiums kann der Berufsabschluss „Sozialpädagoge“ erreicht werden.

[3] Die Klägerin begehrte von der Beklagten zuletzt die Zahlung von 5.079,28 EUR brutto sA an Entgeltdifferenzen für die Zeit von September 2019 bis einschließlich November 2020, weil sie – zusammengefasst – als Behindertenpädagogin in spezifischer Verwendung mit Studienabschluss anzusehen und aufgrund ihrer Tätigkeit und Qualifikation in das Entlohnungsschema SII/1 einzustufen sei.

[4] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, weil die kollektivvertraglichen Voraussetzungen für eine solche Einstufung nicht gegeben seien.

Rechtliche Beurteilung

[5] In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[6] Die Klägerin bringt vor, der Kollektivvertrag unterscheide nicht zwischen Bachelor- und Masterstudium, die Einstufung in SII/1 verlange daher keinen Masterabschluss. Auch werde nicht der Abschluss eines Studiums in Sozial- oder Behindertenpädagogik verlangt, es handle sich bloß um eine exemplarische Aufzählung. Die Einstufung in das Entlohnungsschema SII/3 beziehe sich auf Tätigkeiten ohne Studium. Sie arbeite auch mit behinderten Menschen zusammen und fördere deren Entwicklung, dies stelle eine spezifische Verwendung dar.

[7] 1. Der Auslegung von Kollektivverträgen kommt zwar regelmäßig eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu (RS0109942, RS0042819). Sie begründet aber dann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, wenn die Auslegung klar und eindeutig ist (RS0109942 [T1]). Davon ist auch hier auszugehen.

[8] Allgemein ist der normative Teil eines Kollektivvertrags nicht nach §§ 914, 915 ABGB, sondern nach §§ 6, 7 ABGB auszulegen (RS0008807). In erster Linie ist bei der Auslegung eines Kollektivvertrags der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089). Bei der Auslegung von kollektivvertraglichen Bestimmungen ist davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, verbunden mit einem gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen (RS0008828, RS0008897).

[9] 2. Das im genannten Kollektivvertrag vorgesehene Entlohnungsschema SII sieht folgende Verwendungen vor:

- für die Verwendungsgruppe SII/1:

Musiktherapeut In mit Studium (spezifische Ausbildung und spezifischer Verwendung)

Kunsttherapeut In mit Studium (spezifische Ausbildung und spezifischer Verwendung)

Tanztherapeut In mit Studium (spezifische Ausbildung und spezifischer Verwendung)

Pädagoge/ in in spezifischer Verwendung mit Studium wie z.B. Behinderten- Sozialpädagogin, Sportpädagogin/e, Musikpädagogin/e.

- für die Verwendungsgruppe SII/3:

Diplomsozialbetreuer In

Sportpädagogin/e ohne Studium

Musikpädagogin/e ohne Studium

Kunsttherapeut In ohne Studium

Tanztherapeut In ohne Studium

[10] 3. Richtig ist zwar, dass die Liste betreffend die Einstufung SII/1 nicht ausdrücklich von einem Masterstudium spricht. Sowohl die beispielhafte Anführung von Behinderten-SozialpädagogInnen, Sport- und MusikpädagogInnen als auch der Vergleich mit der Verwendungsbeschreibung für Musik-, Kunst- und TanztherapeutInnen zeigt aber, an welche Art von spezifischer Verwendung und welche Ausbildung die Kollektivvertragsparteien bei der konkreten Verwendungsbeschreibung für PädagogInnen gedacht haben. Es geht daraus hervor, dass es sich um ein solches Studium handeln muss, das eine Verwendung von der Spezifikation einer (beispielsweise) Behinderten SozialpädagogIn, einer Sport- oder einer MusikpädagogIn auch ermöglicht. Auf ein Bachelorstudium der Pädagogik trifft dies noch nicht zu, weil es sich dabei, wie vom Erstgericht festgestellt, um eine Grundausbildung in Pädagogik handelt, die auf die Arbeit mit spezifischen Zielgruppen (zB Masterstudium, Berufsabschluss Sozialpädagogik) erst vorbereiten soll.

[11] 4. Davon ausgehend reicht es auch für das Kriterium einer spezifischen Verwendung nicht aus, grundsätzlich mit behinderten Menschen in einer Behinderteneinrichtung zusammenzuarbeiten, träfe dieser Umstand doch auf eine Reihe von Dienstnehmern zu, die unter anderen Verwendungsgruppen erfasst werden. Hier hat das Erstgericht festgestellt, dass die Klägerin in das Team der von einem Diplomsozialbetreuer geleiteten Wohngruppe eingebunden ist und dort alle zur Betreuung und Begleitung der schwer behinderten Bewohner erforderlichen Arbeiten von pflegerischen Basisleistungen bis zum Verfassen von Berichten verrichtet. Sie wird aber nicht bereichsübergreifend zur Bearbeitung spezifischer Problemstellungen (zB Prüfen von Hinweisen auf sexuellen Missbrauch, Erstellen von Trainingskonzepten im Eskalationsmanagement und dergleichen) eingesetzt, wie sie mit einer spezifischen Ausbildung einhergehen. Sie hat auch keinen besonderen Auftrag, der über die Erfüllung der Aufgaben des Wohngruppenkonzepts hinausgeht. Danach haben die Vorinstanzen die Einstufung der Klägerin in die Verwendungsgruppe SII/1 in nicht weiter korrekturbedürftiger Weise verneint.

[12] 5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf die Zurückweisung nicht.

Rückverweise