JudikaturOGH

7Nc21/21d – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Dezember 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. E***** A***** S*****, vertreten durch die Dr. Roland Gabl Rechtsanwalts KG in Linz, gegen die beklagte Partei T***** Anonim Sirketi, *****, wegen 457,77 EUR, infolge Ordinationsantrags nach § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Mit der an das Bezirksgericht Traun gerichteten Klage vom 9. August 2021 begehrt die Klägerin, das beklagte Flugunternehmen mit Sitz in der Türkei zur Zahlung von 457,77 EUR zu verurteilen. Sie stützt sich dabei auf die Verordnung 261/2004/EG über Fluggastrechte (in der Folge: EU FluggastrechteVO). Der bei der Beklagten gebuchte Flug habe von L***** nach A***** geführt und pandemiebedingt abgesagt werden müssen . Die Beklagte habe zwar die Rückzahlung des Flugpreises zugesagt, allerdings bislang keine Zahlung geleistet .

[2] Mit Beschluss vom 18. Oktober 2021 erklärte sich das Erstgericht für international unzuständig . Die EuGVVO 2012 sei wegen des Sitzes der Beklagten in einem Drittstaat nicht anwendbar. Auch die Voraussetzungen für die Wahlgerichtsstände gemäß §§ 87, 88 JN würden nicht vorliegen.

[3] Mit ihrem – für diesen Fall erhobenen, an den Obersten Gerichtshof gerichteten – Ordinationsantrag gemäß § 28 JN beantragt die Klägerin die Ordination an ein sachlich zuständiges inländisches Gericht . D ie Rechtsverfolgung in einem Drittstaat sei unzumutbar, wie dies der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals in vergleichbaren Fällen erkannt habe.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

[5] 1. Gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN hat der Oberste Gerichtshof, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinne dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn unter anderem der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.

[6] 2. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Ordinationsantrag unzulässig, bevor die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit und der Zuständigkeit in einem bereits anhängigen ordentlichen Verfahren rechtskräftig entschieden wurde (RS0046450). Anders als bei einer Ordination nach § 28 Abs 1 Z 1 JN (vgl 4 Nc 8/19t) kommt eine Ordination nach Z 2 leg cit auch dann in Betracht, wenn – wie hier – im Rahmen des Zuständigkeitsstreits die internationale Zuständigkeit Österreichs verneint wurde (§ 28 Abs 2 JN). D er Antrag ist daher zulässig.

[7] 3. In einer vergleichbaren Konstellation (ebenfalls türkische Luftfahrtunternehmen betreffend) hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst in mehreren Entscheidungen zusammengefasst ausgeführt, dass die sich aus der EU FluggastrechteVO ergebenden Rechte für sich allein genommen keine Grundlage dafür bieten, eine allenfalls fehlende Zuständigkeitsvorschrift nur aus dem Grund des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes generell und unabhängig vom Einzelfall zu ersetzen. Denn es können durchaus Fälle denkbar sein, in denen die Rechtsverfolgung auch von Rechten aus der EU FluggastrechteVO in einem Drittstaat weder unmöglich noch unzumutbar ist (ua 9 Nc 14/19m und 10 Nc 28/19b).

[8] Ein solcher Fall liegt auch hier vor:

[9] 3.1. Nach der Rechtsprechung kann eine Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland auch vorliegen, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt würde (RS0046644; RS0046148), dies allerdings unter der weiteren Voraussetzung, dass überhaupt eine Exekutionsführung im Inland geplant ist (RS0046148 [T17, T18]). Die Klägerin stellt aber gar keine dahingehenden Behauptungen auf. Darüber hinaus – und dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt von jenen der Entscheidungen 6 Nc 1/19b (Serbien), 4 Nc 11/19h (Vereinigte Arabische Emirate), 2 Nc 12/19s (Ägypten), 7 Nc 21/19a (Ukraine), 9 Nc 65/19m (Russische Föderation) und 4 Nc 20/20h (Mexiko; Ordination jeweils bejaht) – besteht zwischen Österreich und der Türkei ein Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in Zivil und Handelssachen (BGBl 1992/571; vgl dazu schon 8 Nc 27/09a).

[10] 3.2. Auch dass ein Verfahren in der Türkei kostspieliger als im Inland wäre (zu diesem allenfalls eine Unzumutbarkeit einer ausländischen Verfahrensführung mitbegründenden Argument siehe etwa 6 Nc 1/19b, 2 Nc 12/19s), hat die Klägerin nicht behauptet.

[11] 4. Insgesamt vermögen die Ausführungen des Antrags die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 JN nicht darzustellen. Der Ordinationsantrag ist daher abzuweisen.

Rückverweise