JudikaturOGH

9Ob23/21d – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei * P*, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei * P*, vertreten durch Dr. Stefan Gloß ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unterhalt (Revisionsinteresse: 970 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2021, GZ 23 R 456/20m 24, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 6. November 2020, GZ 18 C 22/20p 19, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 335,64 EUR (darin 55,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der Oberste Gerichtshof ist an den – hier nachträglich erfolgten – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Zurückweisung der Revision des Beklagten kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[2] Mit Kaufvertrag vom 27. 3. 2012 übertrugen die Streitteile eine in ihrem Miteigentum stehende Liegenschaft ihrem Sohn ins Alleineigentum. Dieser räumte ihnen an je einer Wohnung ein lebenslanges und unentgeltliches, nicht übertragbares Wohnungsgebrauchsrecht ein und verpflichtete sich, sämtliche Betriebs- und Erhaltungskosten zu tragen. Das unentgeltliche und lebenslange Wohnungsgebrauchsrecht ist mit einem Betrag von jeweils 5.000 EUR pro Jahr bewertet. Weder die Klägerin noch der Beklagte haben für die Benützung ihrer Wohnungen Ausgaben.

[3] Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 29. 9. 2017 wurde die Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden. Beide Streitteile befinden sich in Pension.

[4] Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von seit 1. 11. 2017 rückständigem sowie laufenden monatlichen Unterhalt. Die Vorinstanzen haben das Wohnungsgebrauchsrecht der Klägerin als bedarfsmindernd beurteilt (Wohnkostenersparnis, s RS0047254). Das Berufungsgericht bezog darüber hinaus das Wohnungsgebrauchsrecht des Beklagten in die Unterhaltsbemessungsgrundlage mit ein und gab dem Klagebegehren teilweise Folge.

Rechtliche Beurteilung

[5] In seiner dagegen gerichteten – hier nachträglich zugelassenen – Revision zeigt der Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[6] 1. Der Beklagte richtet sich gegen die Einbeziehung des ihm zukommenden Wohnungsgebrauchsrechts in die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Eine pauschale Gleichsetzung der Wohnungsgebrauchsrechte der beiden Streitteile sei nicht gerechtfertigt. Das ihm zukommende Wohnungsrecht sei höchstpersönlicher Art und in Geld nicht verwertbar. Wenn er berechtigterweise aus dieser Wohnung ausziehe, beziehe er daraus keinen wirtschaftlichen Nutzen.

[7] Nach ständiger Rechtsprechung zählen zum als Unterhaltsbemessungsgrundlage dienenden Einkommen alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann (RS0107262; s auch RS0013386). Bloß freiwillig geleistete, jederzeit widerrufliche Zuwendungen von Familienangehörigen, die ohne rechtliche Verpflichtung aus familiären Gründen erbracht werden, fallen nicht darunter (RS0107262 [T10, T12, T20]; RS0129468). In diesem Zusammenhang wurde die in der kostenlosen Wohnmöglichkeit liegende Ersparnis daher nicht als regelmäßiges Einkommen angesehen (RS0107262 [T10, T12]). Diese Rechtsprechung ist in der Literatur insofern auf Kritik gestoßen, als freiwillige Leistungen ungeachtet des für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Leistungsfähigkeitsprinzips ausgeklammert werden, wodurch eine Ungleichbehandlung von Unterhaltsberechtigten und verpflichteten entstehen kann ( Gitschthaler , Unterhaltsrecht 4 Rz 305 f; Schwimann/Kolmasch Unterhaltsrecht 9 21 ff). Eine derartige Zuwendung liegt hier aber nicht vor, weil der Beklagte – nicht anders als die Klägerin – einen Rechtsanspruch auf das ihm eingeräumte Wohnungsgebrauchsrecht hat. Unter dem Aspekt der Gleichbehandlung ist ein anderes Ergebnis gerade im vorliegenden Fall, in dem beiden Streitteilen gegen Übertragung des (Mit-)Eigentums an der Liegenschaft jeweils das Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt wurde, umso weniger geboten.

[8] 2. Das Vorbringen, dass es nach Neuordnung der Unterhaltsverhältnisse im Jahre 2012 zu keiner Änderung der Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse gekommen sei und die Klägerin bei Scheidung der Ehe im September 2017 bei überwiegendem Verschulden des Beklagten unterhaltsmäßig vollkommen gleichgestellt wie vor der Scheidung gewesen sei, könnte nur dann beachtlich sein, wenn im Jahr 2012 eine bindende Unterhaltsvereinbarung zwischen den Streitteilen auch für den Fall geänderter Verhältnisse (zur Umstandsklausel RS0018900, RS0018984) und auch einer Scheidung getroffen worden wäre. Das Vorliegen einer solchen Vereinbarung wurde vom Beklagten in erster Instanz nicht behauptet, das entsprechende Revisionsvorbringen ist daher unzulässig (RS0042025).

[9] 3. Soweit der Beklagte meint, dass sich die Klägerin auch Betriebskosten von monatlich wenigstens 250 EUR erspart habe, woraus sich eine höhere Bemessungsgrundlage für die Klägerin ergebe, wurde diesbezüglich Punkt 4.5. des Kaufvertrags erörtert, infolge dessen der Gesamtwert des Wohnungsgebrauchsrechts mit 5.000 EUR pro Jahr festgestellt wurde. Dass die Übernahme der Betriebskosten durch den Sohn einer gesonderten Bewertung bedurft hätte, geht daraus nicht hervor.

[10] 4. Da der Beklagte danach insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist seine Revision zurückzuweisen.

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