JudikaturOGH

3Ob186/21f – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der widerklagenden Partei S* H*, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die widerbeklagte Partei E* H*, Vereinigtes Königreich, vertreten durch Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der widerklagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. September 2021, GZ 48 R 118/21i 6, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Im – nach wie vor anhängigen – Unterhaltsverfahren zu AZ * des Erstgerichts begehrte die in London wohnhafte frühere Ehegattin des jetzigen Widerklägers (nach zwischenzeitlich rechtskräftiger Scheidung) die Zahlung eines monatlichen Geldunterhalts.

[2] Mit Widerklage vom 11. 3. 2021 zu AZ * des Erstgerichts begehrte der Widerkläger , der Widerbeklagten (bis zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung des Erstgerichts vom 23. 5. 2016 zu GZ *) zu verbieten, die Villa „H*“ in Frankreich im Zeitraum vom 1. 2. bis zum 31. 7. eines jeden Jahres zu betreten und dort Gegenstände, insbesondere ihre Kleidung zurückzulassen.

[3] Das Erstgericht wies die Widerklage mangels ausreichenden Zusammenhangs nach § 96 JN a limine zurück.

[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] Mit dem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[6] 1.1 Der Widerkläger übersieht zunächst, dass der Gerichtsstand der Widerklage nach § 96 JN nicht zur Verfügung steht, wenn das angerufene Gericht für die Widerklage unprorogabel (sachlich, örtlich oder international) unzuständig ist. Im Fall der unprorogablen internationalen Unzuständigkeit ist auch eine Heilung nach § 104 Abs 3 JN ausgeschlossen (vgl Simotta in Fasching/Konecny 3 § 96 JN Rz 5).

[7] 1.2 Nach dem autonomen österreichischen Recht besteht eine solche unprorogable internationale Unzuständigkeit unter anderem in Rechtssachen nach § 81 JN, also in Streitigkeiten um unbewegliches Gut ( Simotta in Fasching/Konecny 3 § 96 JN Rz 5/6).

[8] Dieser Gerichtsstand gilt unter anderem für Eigentums- und Eigentumsfreiheitsklagen (vgl RS0046617), gleichgültig, ob sie in Form einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage erhoben werden, einschließlich Klagen, mit denen die Unterlassung von gegen Besitz und Eigentum an Liegenschaften gerichteten Störungen geltend gemacht wird (vgl RS0046598), sowie Abwehrklagen des Miteigentümers gegen angeblich eigenmächtige Eingriffe eines anderen Miteigentümers und für Besitzstörungsklagen ( Simotta in Fasching/Konecny 3 § 81 JN Rz 7 ff).

[9] 1.3 Im Anlassfall stützt sich der Widerkläger auf einen eigentumsrechtlichen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung einer Liegenschaft in Frankreich; die Widerbeklagte greife eigenmächtig in sein ausschließliches Nutzungsrecht ein. Für diese auf das Eigentumsrecht gestützte Klage zur Abwehr eines eigenmächtigen Eingriffs in das behauptete ausschließliche Nutzungsrecht steht § 96 JN nicht zur Verfügung, zumal sich die Liegenschaft, auf die sich der Anspruch bezieht, in Frankreich befindet und gemäß § 81 JN der internationale (Zwangs-)Gerichtsstand auf Frankreich verweist.

[10] 2.1 Der Widerkläger bezieht sich in seinem Rechtsmittel ausschließlich auf § 96 JN. Dazu geht er – so wie auch die Vorinstanzen – zutreffend davon aus, dass für eine hier fragliche Konnexität der Ansprüche auch ein tatsächlicher Zusammenhang genügt (4 Ob 231/98y), der gegeben ist, wenn sich die Begehren beider Klagen auf dieselben Tatsachen stützen oder aus demselben Tatsachenkomplex ableiten ( Simotta in Fasching/Konecny 3 § 96 JN Rz 4).

[11] 2.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass zwischen dem hier zu beurteilenden Unterlassungsbegehren und dem im ersten Verfahren geltend gemachten Unterhaltsanspruch der Widerbeklagten kein ausreichender Zusammenhang besteht, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung. Die frühere Ehe der Streitteile allein reicht dafür nicht aus. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 167/36 (JBl 1936, 258), auf die sich der Widerkläger beruft, ist nicht einschlägig. Anders als im hier vorliegenden Fall betrafen sowohl Klage als auch Widerklage die Vermögensauseinandersetzung zwischen den Streitteilen nach Ungültigerklärung ihrer Dispensehe.

[12] 3. Angemerkt wird, dass die EuUVO keinen Widerklagegerichtsstand enthält und selbst Art 8 Nr 3 EuGVVO 2012 (vgl dazu 6 Ob 38/07t) für konnexe Verfahren (wenn das erste Verfahren vor, das zweite Verfahren hingegen nach Ablauf der Übergangszeit nach Art 126 des Austrittsabkommens des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union, ABl L 29 vom 31. 1. 2020, S 7, am 1. 1. 2021 eingeleitet wurde) nach Art 67 Abs 1 des Austrittsabkommens nicht weiter anwendbar ist. Davon abgesehen kommt Art 8 Nr 3 EuGVVO 2012 nur dann zur Anwendung, wenn sich die internationale Zuständigkeit auch für die Vorklage nach der EuGVVO richtete ( Simotta in Fasching/Konecny 3 § 96 JN Rz 13), was hier nicht der Fall ist.

[13] 4. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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