3Ob138/21x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K* GmbH, *, vertreten durch Graf Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. P* AG, *, und 2. D*, beide vertreten durch Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 2. Juli 2021, GZ 22 R 169/21s, 22 R 170/21p, 22 R 171/21k, 22 R 172/21g 23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Betreibende erzeugt unter der Marke K* Fahrräder. Konzerngesellschaften der Erstverpflichteten, deren Vorstand der Zweitverpflichtete ist, erzeugen unter derselben Marke Motorräder. Die Rechtsvorgänger der Streitteile erwarben im Jahr 1991 jeweils die Sparte Fahrrad (Betreibende) und Motorrad (Erstverpflichtete) aus der Insolvenz der K* AG; die Rechtsvorgängerin der Erstverpflichteten erhielt die K* Markenrechte übertragen und diese räumte dem Rechtsvorgänger der Betreibenden eine auf die Herstellung von Fahrrädern eingeschränkte, zeitlich unbeschränkte und ausschließliche Lizenz für die Marke K* ein. Im Jahr 2017 erwarb die Erstverpflichtete eine Beteiligung von 49,9 % an einem in der Fahrradbranche tätigen Unternehmen. Aufgrund des vollstreckbaren Urteils des Landesgerichts Wels vom 19. Februar 2019 zu AZ 6 Cg 4/18x hat die Erstverpflichtete im geschäftlichen Verkehr die Verwendung des Zeichens K* zur Bewerbung von Produkten eines in der Fahrradbranche tätigen Unternehmens zu unterlassen.
[2] Das Erstgericht bewilligte der Betreibenden gegen die Verpflichteten antragsgemäß die Unterlassungsexekution und verhängte mehrere Geldstrafen. Die Betreibende hatte dazu vorgebracht, dass die Verpflichteten in einer Pressemitteilung angekündigt hätten, in der K* Motohall die Sonderausstellung „THE FUTURE OF ELECTRIC MOBILITY“ zu eröffnen; die Veranstaltung sei durchgeführt und im Rahmen der Ausstellung seien Elektrofahrräder mit den Bezeichnungen G* und H* unmittelbar neben „Zweiradfahrzeugen mit der Bezeichnung K*“ ausgestellt worden; außerdem habe eine lokale Zeitung über diese Sonderausstellung berichtet.
[3] Das Rekursgericht wies die beantragte Unterlassungsexekution sowie die Strafanträge ab. Die Sonderausstellung sei in einem nur dem Motorradbereich zugehörigen Veranstaltungsort angekündigt und durchgeführt worden; dort habe die Erstverpflichtete nur (unter anderem) Elektrofahrräder der beiden anderen Marken neben ihren eigenen Motorrädern ausgestellt; eine Bewerbung von Fahrrädern mit der Marke K* habe nicht stattgefunden.
[4] In ihrem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs vermag die Betreibende keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1.1 Die Auslegung des Exekutionstitels und die Frage, ob ein aus dem Vorbringen der betreibenden Partei entnehmbares konkretes Verhalten der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel verstößt, gehen in der Regel nicht über den konkreten Einzelfall hinaus und werfen – von im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf (RS0000595 [T10]; RS0004662 [T4]; RS0000205 [T13]).
[6] 1.2 Ob der Betreibende dem Erfordernis genügt hat, im Exekutions (Straf-)antrag nach § 355 EO den Titelverstoß schlüssig und ausreichend bestimmt zu bezeichnen, bildet ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage (RS0004745 [T1]). Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen das im Titel ausgesprochene Unterlassungsgebot vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst streng vom Wortlaut des Exekutionstitels auszugehen; ist der Wortsinn des zu vollziehenden Spruchs nicht eindeutig, so sind auch die Entscheidungsgründe zur Auslegung heranzuziehen (RS0000300 [T16, T20]).
[7] 1.3 Nur ein Verhalten, das eindeutig gegen das im Exekutionstitel ausgesprochene Unterlassungsgebot verstößt, rechtfertigt Exekutionsschritte gemäß § 355 EO (RS0000595). Nur wenn die reine Wortinterpretation des Spruchs zu keinem sinnvollen Ergebnis führt, darf zu seiner Auslegung auch die der Entscheidung beigegebene Begründung herangezogen werden. Jede danach verbleibende Unklarheit des Exekutionstitels geht zu Lasten des Betreibenden (vgl RS0000845 [T11]; RS0000205 [T10]).
[8] 2.1 Entgegen der Rechtsansicht der Betreibenden hält sich die Beurteilung des Rekursgerichts, nach der die von den Verpflichteten angekündigte und durchgeführte Veranstaltung („Sonderausstellung“) zur allgemeinen Entwicklung und Zukunft der einspurigen Elektromobilität in einem ausschließlich dem Motor (rad )sport zugeordneten Veranstaltungsort keinen Titelverstoß darstellte, im Rahmen des Beurteilungsspielraums: Der Vorwurf, das Rekursgericht habe den Titel entgegen seinem Wortlaut einschränkend ausgelegt, ist insofern unberechtigt, als auch nach dem Vorbringen der Betreibenden in der inkriminierten Ankündigung sowie bei der Veranstaltung selbst keine Bewerbung von Elektrofahrrädern mit der Marke „K*“ stattgefunden hat. Die Interpretation des Rekursgerichts, dass die Verpflichteten durch das Ausstellen ihrer eigenen, mit anderen Marken bezeichneten Elektrofahrräder neben (ebenfalls eigenen) Motorrädern der Marke K* im Rahmen der angekündigten und durchgeführten Sonderausstellung keine titelwidrige Verwendung des Zeichens K* für die Fahrradbranche vornahmen, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.
[9] 2.2 Die Betreibende argumentiert, das Rekursgericht habe versucht, in den Titelspruch zusätzliche Elemente „künstlich hineinzulesen“, und zur „Reichweite“ des Unterlassungstitels sei eine Klarstellung geboten. Dem ist zu erwidern, dass die Beurteilung, ob das behauptete Verhalten einen Titelverstoß darstellt, vom konkret behaupteten Vorgang abhängt und eine Klarstellung, „wie der Titel auch in Hinkunft exekutionsrechtlich zu verstehen ist“, nicht erfolgen kann. Das Rekursgericht verweist darauf, dass der Verpflichteten die mit der Marke K* verbundenen Ausschließungsrechte für den Motorradbereich zur Gänze zustehen und dass eine Sonderausstellung in einer mit diesem Schlagwort bezeichneten Halle sowie eine Präsentation von Fahrrädern anderer Marken neben ihren Motorrädern noch nicht als eine „Verwendung“ des Zeichens K* zur Bewerbung des Fahrradbereichs anzusehen sei. Die dabei erfolgte Bezugnahme auf den der Titelentscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt schränkt den Wortlaut des Titelspruchs nicht ein, sondern erläutert nur dessen Zweckrichtung, worin kein Widerspruch zur oben dargestellten Rechtsprechung zu erkennen ist.
[10] 3. Die Entscheidung ist daher hier nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängig. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 78 EO iVm § 528a und § 510 Abs 3 ZPO).