3Ob119/21b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Familienrechtssache des Minderjährigen C*, geboren * 2014, Vater Di*, vertreten durch Dr. Günter Wappel, Rechtsanwalt in Wien, Mutter Ma*, vertreten durch Dr. Andrea Wukovits, Rechtsanwältin GmbH in Wien, wegen Obsorge und Kontaktrechts, aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 10. Juni 2021, GZ 20 R 70/21z 595, mit dem der Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Mattersburg vom 27. Jänner 2021, GZ 4 Ps 164/14k 558, zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Der Beschluss des Erstgerichts betreffend die Regelung der Obsorge und das Kontaktrecht für den Minderjährigen wurde dem Vater nach der Aktenlage am 1. Februar 2021 durch Zustellung an einen Mitbewohner mit gleichem Familiennamen an seiner Wohnadresse zugestellt.
[2] Das Rekursgericht wies den vom Vater erhobenen Rekurs als verspätet zurück und begründete dies zusammengefasst damit, dass das Rechtsmittel – als bloßes Fragment – erst am 15. Februar 2021 und damit am letzten Tag der Rekursfrist ab 23:16 Uhr beim Erstgericht per Telefax eingebracht worden sei. In Anbetracht der zahlreichen, vom Vater in diesem Verfahren erhobenen Rechtsmittel seien ein Verbesserungsverfahren wegen der fehlenden Unterschrift und auch Erhebungen zur Zustellung nicht erforderlich, habe doch der Rechtsmittelwerber seine Ortsabwesenheit nur unsubstanziiert für den 14. Februar 2021 behauptet.
[3] In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, Verfahrensmängeln und unrichtiger rechtlicher Beurteilung behauptet nun der Vater erstmals konkret, dass er schon in der Zeit zwischen 30. Jänner bis zum 5. Februar 2021 berufsbedingt ortsabwesend gewesen sei und „auch in der Folge (...) nicht an seinem Hauptwohnsitz genächtigt“ habe; dazu legt er Bescheinigungsmittel vor.
Rechtliche Beurteilung
[4] Über den außerordentlichen Revisionsrekurs kann derzeit noch nicht entschieden werden.
[5] 1. Die Zustellvorschriften sind zwingendes Recht; ihre Einhaltung hat das Gericht von Amts wegen zu überprüfen (RIS Justiz RS0036440). Rechtsmittelausführungen, die Umstände betreffen, die jederzeit von Amts wegen wahrzunehmen sind, verstoßen nicht gegen das Neuerungsverbot (vgl RS0108589 [T1], RS0006957 [T3]). Der – hier von einem als „Mitbewohner“ bezeichneten Übernehmer mit dem Nachnamen des Empfängers unterzeichnete, vom Zusteller gemäß § 22 Abs 1 ZustellG beurkundete – Zustellnachweis ist, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, eine öffentliche Urkunde mit den dieser zukommenden Wirkungen und macht zunächst vollen Beweis darüber, dass der darin beurkundete Zustellvorgang eingehalten wurde. Der Gegenbeweis ist allerdings zulässig (RS0040471; vgl auch RS0006957). Hat nun eine Partei – wie hier der Vater – Umstände vorgebracht, die im Hinblick auf eine zeitweilige Ortsabwesenheit Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorgangs aufkommen lassen, so ist dieser zu überprüfen. Dass sich das Verfahren bereits im Revisionsrekursstadium befindet, ändert daran nichts; das Neuerungsverbot steht dem nicht entgegen (6 Ob 93/09h mwN).
[6] 2. Das Revisionsrekursverfahren gegen die Zurückweisung des Rekurses ist zwar einseitig (RS0132250, RS0120614 [T2]; vgl auch RS0120860). Allerdings kann dem Gegner insbesondere dann eine Äußerungsmöglichkeit einzuräumen sein, wenn das Rechtsmittel zulässige Neuerungen enthält (1 Ob 126/19i mwN).
[7] 3. Dem Erstgericht werden daher zur Klärung des Zeitpunkts der wirksamen Zustellung seines Beschlusses vom 27. 1. 2021 an den Vater die Durchführung zweckdienlicher Erhebungen aufgetragen zu der vom Vater behaupteten Ortsabwesenheit in der Zeit von Samstag 30. 1. 2021 bis zum Freitag 5. 2. 2021. Dabei wird insbesondere E* G*, offenbar der Geschäftsführer der T* GmbH, zu befragen sein, in dessen Caravan der Vater angeblich in dieser Zeit genächtigt haben soll (vgl dessen Erklärung vom 30. 6. 2021). Zu den Erhebungsergebnissen über den Aufenthalt des Vaters in der Zeit von 30. 1. 2021 bis 5. 2. 2021 wird dann auch der Mutter Gelegenheit zur Äußerung einzuräumen sein. Anschließend werden die Akten neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.