12Os136/21y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Kontr. Fleischhacker in der Strafsache gegen ***** K***** und andere Beschuldigte wegen Verbrechen der terroristischen Straftat nach § 278c Abs 2 iVm Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 331 HR 225/20y, über die Grundrechtsbeschwerde des ***** F***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 15. Oktober 2021, AZ 21 Bs 317/21b, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des ***** F***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. September 2021 (ON 1395) nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der vom Landesgericht mit Beschluss vom 6. November 2020 (ON 171, 223) verhängten und mehr fach fortgesetzten Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO an.
[2] Das Beschwerdegericht erachtete den Beschuldigten dringend verdächtig, er habe
I./ zu „der“ terroristischen Straftat des Mordes des im Zuge der Tatbegehung am 2. November 2020 getöteten ***** Fe*****, der, bewaffnet mit einer Schusswaffe der Kategorie B (§ 2 Abs 1 Z 2 WaffG; AK 47 Sturmgewehr, Pistole Tokarev), in W***** wahllos auf Passanten schoss und zumindest vier Personen tötete und zahlreiche weitere Personen teils lebensgefährlich verletzte, wobei die Tat geeignet war, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens herbeizuführen, mit dem Vorsatz beigetragen, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern und die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen Österreichs ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören, indem er – aufgrund gemeinsamer Zugehörigkeit zur radikal islamistischen Szene und zur Terrororganisation „IS – Islamischer Staat“ – die Ausführung der Taten durch die am 21. Juli 2020 ( demnach einen Tag nach der Abreise von aus Deutschland und der Schweiz am 16. Juli 2020 zwecks Treffen mit ***** Fe***** angereisten Mitgliedern des IS ) mit dem späteren Attentäter zum Zweck des Erwerbs von Munition für ein AK 47 Sturmgewehr in einem Waffengeschäft unternommene Reise in die Slowakei „ermöglicht, erleichtert, abgesichert bzw. in anderer Weise psychisch gefördert“ habe,
II./ sich seit einem noch festzustellenden Zeitpunkt bis laufend in dem Wissen, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert, als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB) beteiligt zu haben, nämlich an der in der UN Sanktionsliste (Q:UN Sanktionslisten, www.un.org, Punkt QDe.115, 135) aufscheinenden Terrororganisation „IS – Islamic State“, die aus der seit zumindest 2004 bestehenden Terrororganisation Al Quaida im Irak hervorging und als ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung laufend eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) betrieben wird, indem er die unter I./ beschriebene Tat durch Bestärkung des Tatentschlusses, daher durch psychischen Tatbeitrag, beging bzw er durch Leisten von Chauffeurdiensten seine logistische und tatkräftige Unterstützung des „IS – Islamic State“ und seiner Ziele bekundete,
III./ sich durch die unter Punkt I./ und II./ näher bezeichneten Handlungen in dem Wissen, dass er dadurch die Organisation oder deren strafbare Handlungen fördert, als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, nämlich an der mehrere tausend Mitglieder aufweisenden, international agierenden terroristischen Vereinigung „IS – Islamic State“, beteiligt zu haben, die – wenn auch nicht ausschließlich – auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, sowie schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs unter anderem mit Kampfmitteln, insbesondere im tatsächlichen kriegerischen Einsatz erlangter Waffen, ausgerichtet ist, indem sie seit Sommer 2011 durch ihre Kräfte unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB die Zerstörung des syrischen und irakischen Staates betreibt, in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet und vertreibt, sich deren Vermögen aneignet, durch Geiselnahme große Geldsummen erpresst, die vorgefundenen Kunstschätze veräußert und Bodenschätze, insbesondere Erdöl und Phosphat, zu ihrer Bereicherung ausbeutet sowie weltweit, insbesondere in den letzten Jahren auch in Europa, terroristische Anschläge auf Andersgläubige verübt, die durch all diese Straftaten eine Bereicherung in großem Umfang durch Erzielung von Einnahmen sowie durch Ausstattung mit Waffen und Kampfmitteln anstrebt und andere, insbesondere politische Verantwortungsträger und alle sonstigen ideologischen Gegner korrumpiert und durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge, insbesondere in Syrien und im Irak, aber auch in Europa, einschüchtert und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaus, ihrer Finanzstruktur, der personellen Zusammensetzung und der internen Kommunikation gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abschirmt.
[3] Diese Verdachtslage subsumierte das Oberlandesgericht den Verbrechen der terroristischen Straftaten nach §§ 12 dritter Fall, 278c Abs 2 iVm Abs 1 Z 1 StGB (I./), dem Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (II./) und dem Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (III./).
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen diesen Beschluss richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des ***** F*****.
[5] Diese behauptet, das Oberlandesgericht habe weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht Sachverhaltsannahmen zur Kausalität der Handlung des Beschwerdeführers für die Ausführung der Tat durch ***** Fe***** am 2. November 2020 getroffen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).
[6] Solcherart sei die rechtliche Beurteilung, ob durch die als sehr wahrscheinlich angenommenen Tatsachen die – hier die Grundlage der Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO darstellenden (vgl BS 9) – Verbrechen der terroristischen Straftaten nach §§ 12 dritter Fall, 278c Abs 2 iVm Abs 1 Z 1 StGB begründet wurden, nicht möglich.
[7] Damit entzieht sie sich bereits mangels Orientierung an den Beschlussannahmen (vgl 11 Os 146/15b; Kier in WK 2 GRBG § 2 Rz 33), wonach der Beschwerdeführer den unmittelbaren Täter in seinem im Entstehen begriffenen Entschluss, in absehbarer Zeit ein Attentat zu begehen, unmissverständlich bestärkte (BS 8), einer inhaltlichen Erwiderung.
[8] Die Grundrechtsbeschwerde war daher zurückzuweisen .