1Ob187/21p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch die Berlin Partner OG, Salzburg, gegen die beklagte Partei S* Jägerschaft, *, vertreten durch die Pallauf, Meißnitzer, Staindl Partner, Rechtsanwälte (OG), Salzburg, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Mag. F*, vertreten durch die Mag. Friedrich Kühleitner und Mag. Franz Lochbichler Rechtsanwälte OG, Schwarzach im Pongau, 2. Mag. W*, 3. Dr. R*, 4. A*, und 5. E*, Dritt- bis Fünftnebenintervenient vertreten durch Dr. Reinfried Eberl und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 10.728,71 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 17. Juni 2021, GZ 4 R 65/21p 39, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 24. Februar 2021, GZ 3 Cg 46/18y 33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und dem Erstnebenintervenienten jeweils 860,58 EUR (darin 143,43 EUR USt) sowie den Dritt- bis Fünftnebenintervenienten 989,29 EUR (darin 164,88 EUR USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Annageln eines Katzenkadavers an einem Telegraphenmasten in der Nähe einer von Langläufern und auch Spaziergängern gelegentlich genutzten Strecke und die darauf beruhende (später vom Landesverwaltungsgericht aufgehobene) Verurteilung des Klägers durch das Ehrengericht der beklagten Jägerschaft, derentwegen er Amtshaftung für aufgelaufene Vertretungskosten geltend macht.
[2] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision nachträglich für zulässig, weil „nicht auszuschließen“ sei, dass es die Vertretbarkeit des Vorgehens des Ehrengerichts und die den Kläger im Verfahren treffende Mitwirkungspflicht unrichtig beurteilt habe.
[3] Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision nicht zulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision mangels erheblicher Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Dazu stützt der Kläger sich auf einen angeblichen sekundären Feststellungsmangel, der vom Berufungsgericht von Amts wegen hätte wahrgenommen werden müssen. Zum Fehlen von Feststellungen zur Begründung des (später aufgehobenen) Fortführungsbeschlusses des zuständigen Straf gerichts (die ohnehin aus der ihrem Wortlaut nach unstrittigen Urkunde ersichtlich ist) räumt er selbst ein, dass es sich dabei ohnehin um „keine Feststellungen, die für den klägerischen Anspruch zu treffen notwendig gewesen wären, sondern ausschließlich um eine Rechtsansicht“ handelt. Einen Verfahrensmangel des Berufungsgerichts vermag er damit nicht aufzuzeigen.
[5] 2. Die in diesem Fortführungsbeschluss geäußerte Rechtsansicht ist – was auch der Kläger zugesteht – nicht bindend. Die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts ist (abseits einer hier keine Rolle spielenden Bindung an ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs iSd § 11 Abs 1 AHG) im Amtshaftungsverfahren autonom vorzunehmen. Der Kläger, der die Mitglieder des Ehrengerichts wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs 1 StGB bei der zuständigen Staatsanwaltschaft angezeigt hatte, verschweigt, dass der Fortführungsbeschluss vom Obersten Gerichtshof aufgehoben und dem zuständigen Landesgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen worden war, woraufhin dieses den Fortführungsantrag abwies. Entgegen den Behauptungen des Klägers wurde im (ohnehin nicht rechtsbeständigen) Fortführungsbeschluss überdies nicht der Standpunkt vertreten, dass es „keine Gründe gebe, warum die Unterlassung der Nichtbefragung des […] Beschuldigten zu dem von ihm der Täterschaft bezichtigten Dritten, dessen Ermittlung und (zeugenschaftliche) Befragung angesichts der prozessualen Vorschriften keinen objektiven Befugnismissbrauch darstellen soll“; vielmehr hat das Gericht in der ihrem Wortlaut nach unstrittigen Urkunde (vgl RIS Justiz RS0121557 [T3]) (nur) festgehalten, dass die Staatsanwaltschaft dies „nicht begründet dar[ge]legt“ habe, der Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft dafür – nach Ansicht des Landesgerichts – also eine Begründung vermissen ließ.
[6] 2. Die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und begründet regelmäßig keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0110837). Eine erhebliche Rechtsfrage läge (nur) dann vor, wenn den Amtshaftungsgerichten eine klare Fehlbeurteilung über die Vertretbarkeit des Vorgehens und der Entscheidung des Ehrengerichts unterlaufen wäre (vgl RS0049912 [T5]; RS0049955 [T10]).
[7] 3. Die diesen Fall prägenden Umstände liegen im wahrheitswidrig taktierenden Verhalten des Klägers, wozu insbesondere seine beiden (tatsächlich nicht der Wahrheit entsprechenden) selbstbezichtigenden Stellungnahmen zählen. Darin führte er (unter Darstellung der Geschehnisse in der Ich-Form und auch mit dem Ersuchen um Entschuldigung [„es tut mir leid, wenn ich durch mein Verhalten … werde ich ein solches Verhalten natürlich keinesfalls mehr setzen“]) aus, er selbst habe die Katze am Telegraphenmasten fixiert. Hervorzuheben ist dabei, dass er die zweite Stellungnahme erst über Aufforderung des Ehrengerichts, also in Kenntnis des bereits gegen ihn eingeleiteten Verfahrens, verfasste und trotzdem immer noch sich selbst als den Täter darstellte („kam mir am Freitag, 03. Februar 2017 die Idee … Um das Wegtragen des Köders zu verhindern, habe ich … am Strommast befestigt“). Für den festgesetzten Verhandlungstermin des Ehrengerichts (der schon einmal wegen behaupteter Erkrankung des Klägers verschoben worden war) ließ er sich von seinem Anwalt in der Verhandlung damit entschuldigen, dass er „beruflich unabkömmlich“ sei, obwohl dies nicht zutraf und er schlicht nicht vorhatte, zu einer Verhandlung des Ehrengerichts zu erscheinen, solange die Frist, binnen deren sein Sohn (dem er [tatsächlich] gesagt hatte, dass er die Katze zum „Luderplatz“ geben solle, und den er schützen wollte) verfolgt hätte werden können, nicht abgelaufen (und damit Verfolgungsverjährung eingetreten) war. Obwohl er von Beginn an sowohl Tatzeit und Tat ort (wie auch den wahren Täter) kannte, brachte er (durch seinen Anwalt) als Vorwand, um der Verhandlung fernbleiben zu können, (erstmals) in dieser vor, er werde zu den Vorwürfen erst Stellung nehmen, wenn Tatzeit und Tat ort konkretisiert seien. Sein Anwalt legte zudem plötzlich dar, er sei es nicht gewesen, der die Katze angenagelt habe; seine bisherigen Behauptungen und Stellungnahmen seien nur erfolgt, um „einen von seinen beiden Söhnen“ zu schützen, wobei die Behauptung bewusst vage gehalten wurden. Beweisanträge wurden dazu keine gestellt. Das Ehrengericht durchschaute seine bloß vorgeschobene Entschuldigung (mit der er sich nur der Verhandlung entziehen wollte) als unrichtig und verurteilte ihn, weil es das nach seinen beiden eindeutigen Stellungnahmen erstattete weitere Vorbringen durch seinen Anwalt als bloße Schutzbehauptung wertete.
[8] Das Berufungsgericht pflichtete dem Erstgericht darin bei, dass dieses Vorgehen des Ehrengerichts (das spätere Vorbringen als reine Schutzbehauptung zu werten und den Kläger ohne amtswegige Ausforschung weiterer Zeugen zu verurteilen, weil es den Sachverhalt für ausreichend geklärt hielt) in dieser Konstellation vertretbar gewesen sei. Es verwies darauf, dass die Pflicht der Behörde zur amts wegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts die Partei nicht von ihrer Verpflichtung befreie, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen, um Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Ein Verfahrensmangel sei (wozu es auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verwies) etwa dann zu verneinen, wenn eine Behauptung inhaltlich von der Partei nicht konkretisiert worden und keine entsprechenden Beweise angeboten worden seien und die Behörde aus den ihr bereits zur Verfügung stehenden Fakten einen Sachverhalt in schlüssiger Weise feststellen könne.
[9] Der Kläger befasst sich mit den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen nicht näher. Warum es, um seine Mitwirkungspflicht überhaupt erst auszulösen, der (formalen) Aufforderung des anwaltlich vertretenen Klägers, sein Vorbringen zu präzisieren und zu konkretisieren, durch die Behörde [gemeint das Ehrengericht] bedurft hätte, erschließt sich nicht, wenn feststeht, dass der anwaltlich vertretene Kläger die ihm leicht möglichen präziseren Angaben nicht aus Unkenntnis über den Ablauf des Verfahrens oder aus einer Fehleinschätzung der Bedeutung solcher Angaben heraus (über die die Behörde mit einer solchen Aufforderung hinweghelfen soll) unterließ, sondern diese Angaben vielmehr von vornherein und in voller Kenntnis aller Umstände und Beweismittel dem Ehrengericht ganz bewusst vorenthielt. Wenn es dem Kläger leicht möglich gewesen wäre (anstatt sich zweimal selbst zu bezichtigen), den wahren Täter zu nennen oder wenigstens von Beginn oder auch nur vor der (ohnehin später verschobenen) Verhandlung die Tat abzustreiten (und dafür die später vor dem Landesverwaltungsgericht genannten Zeugen zu beantragen), er dies aber bewusst unterließ, kann es ihm nicht gelingen, zur Beurteilung des Berufungsgerichts, das Ehrengericht habe angesichts dessen sein zuletzt erstattetes Vorbringen (ohne Überprüfung durch Einvernahme von [bewusst vorenthaltenen und deswegen] erst amtswegig auszuforschenden Zeugen) vertretbar als Schutzbehauptung (also als unrichtig) gewertet, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte und die Nebenintervenienten haben auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen, weswegen ihnen die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortungen als zweckentsprechende Maßnahmen der Rechtsverteidigung zu ersetzen sind. Der Erstnebenintervenient stand nur einer Partei (dem Kläger) gegenüber und sein Vertreter hat nur ihn vertreten, sodass kein Streitgenossenzuschlag anfiel.