JudikaturOGH

1Ob186/21s – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. November 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* G*, vertreten durch Mag. Helwig Schuster, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M* F*, Deutschland, vertreten durch Dr. Marwin Gschöpf, Rechtsanwalt in Velden am Wörthersee, wegen 33.340 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 13. August 2021, GZ 5 R 24/21w 42, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 2. Dezember 2020, GZ 7 Cg 58/18k 38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der erkennende Senat sprach im ersten Rechtsgang zu 1 Ob 33/19p (= SZ 2019/38 = EvBl 2020/4, 34 [ Ballon ] = ZVR 2021/4, 15 [ Kathrein ]; dazu Bajons , OGH [contra EuGH]: [Kein] Amtshaftungsanspruch bei Verletzung von Aufsichtspflichten durch einen beamteten Lehrer, ZfRV 2019/24, 196; Heindler , Schuldrecht – was bleibt für das IPRG übrig?, ZfRV 2019/35, 264 [268 f]; Knöfel , Normenmix bei Amtshaftung mit Auslandsbezug, IPRax 2021, 392) aus, dass auch bei Einstufung der Schadenersatzklage gegen den für einen ausländischen Dienstgeber tätigen beklagten Lehrer einer öffentlichen Schule, der den Kläger verletzt haben soll, als Zivilsache im Sinn des Art 1 Abs 1 Satz 1 Rom II VO (vgl EuGH C 172/91, Sonntag , ECLI:EU:C:1993:144, Rn 25, 29 [zu Art 1 Abs 1 Satz 1 EuGVÜ]) auf die Haftung des Lehrers deutsches Recht anzuwenden sei, hätten sich doch beide Parteien nicht nur übereinstimmend auf die Anwendung deutschen Sachrechts berufen, sondern erkennbar auch eine Rechtswahl getroffen. Nachdem der Beklagte bereits in der Klagebeantwortung die Anwendung deutschen Sachrechts auf Schadenersatzansprüche geschädigter Dritter, die sich „aufgrund [der] Ausübung des öffentlichen Amts“ des Lehrers ergeben, vortrug, bekräftigte der Kläger nach der Erörterung des Erstgerichts, das entsprechend Art 4 Abs 1 Rom II VO aufgrund des Unfallorts (Ort des Schadeneintritts) österreichisches Schadenersatzrecht anzuwenden gedachte, dass „die Frage des Amtshaftungsrechts“ nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Damit sei von der Anwendung deutschen Sachrechts auszugehen, ergebe sich doch die konkludente Rechtswahl mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falls (Art 14 Abs 1 letzter Satz Rom II VO). Die Grundlagen für diese Beurteilung haben sich nicht geändert.

[2] 2. Der vom Kläger angeregten Vorabentscheidung durch den EuGH zur Frage, „wie ein Anspruch auf Schadenersatz zu qualifizieren ist, der aus der Verletzung von Aufsichtspflichten eines (beamteten) Lehrers während einer Erkundungsfahrt zum Zweck der Besichtigung und zur Einschätzung der Pistenverhältnisse gegen einen außenstehenden Dritter entstanden ist“, bedarf es nicht, weil unabhängig von der Reichweite der Ausnahmebestimmung des Art 1 Abs 1 Satz 2 Rom II VO aus den zu 1 Ob 33/19p dargelegten Erwägungen deutsches Sachrecht anzuwenden und diese Abklärung nicht entscheidungserheblich ist. Zudem geht es hier gar nicht um die Verletzung einer „Aufsichtspflicht“.

[3] 3. Wenn der Kläger meint, die Haftung des beklagten Lehrers sei „weder nach österreichischem, noch nach deutschem (Amtshaftungs )Recht zu beurteilen“, führt er dafür keine nachvollziehbaren Überlegungen an und lässt auch offen, welches Sachrecht seiner Meinung nach zur Anwendung gelangen sollte. Er klärt – wie schon im Berufungsverfahren – nicht auf, aufgrund welcher Vorschriften des Unionsrechts oder welcher Erwägungen des EuGH die amtshaftungsrechtlich normierte Haftungsfreistellung des Beklagten „unionsrechtswidrig“ seien sollte. Dem EuGH kann jedenfalls nicht unterstellt werden, er habe in der Entscheidung C 172/91 – auch nur implizit – Aussagen zur inhaltlichen Berechtigung des im Ausgangsfall geltend gemachten Ersatzanspruchs gegenüber dem Lehrer treffen wollen. Seine Prämisse, ihm sei durch „unionsrechtliche Vorschriften“ eine „zivilrechtliche Klage gegen den Lehrer“ eingeräumt worden, der nicht die mangelnde Passivlegitimation entgegengehalten werden könne, vermag d e r Revisionswerber nicht zu begründen. Inwiefern Normen des (europäischen) internationalen Privatrechts geeignet sein sollten, einen materiellen Anspruch zu begründen, den keine der in Betracht kommenden nationalen Rechtsordnungen gewährt, ist nicht erkennbar.

[4] 4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Erkundungs fahrt des beklagten Lehrers sei Aus prägung seiner (Fürsorge )Pflicht als Sportlehrer bzw als Begleitperson gegenüber den Schülern gewesen, sodass dem Kläger nur ein Anspruch gegen das Land Hessen – das als Dienstgeber des Beklagten nach Art 34 GG iVm § 839 Abs 1 BGB für das Verhalten ihres hoheitlich tätigen Amts trägers einzustehen habe – zukomme, wohingegen den Beklagten nach deutschem Sachrecht keine Eigenhaftung treffe, ist nicht zu beanstanden (dazu 1 Ob 33/19p). Eine solche Haftung käme auch nach österreichischem Sachrecht nicht in Betracht (§ 1 Abs 1 zweiter Halbsatz AHG).

[5] Zur „Intention des Schädigers“ ist festgestellt, dass der Zweck der Erkundungsfahrt die Besichtigung und Einschätzung der Pistenverhältnisse war , wodurch die Sicherheit und das Wohl der Schüler gefördert und das Risiko von Unfällen vermindert werden sollten. Der Kläger kann nicht aufzeigen, dass die bereits im A ufheb ungsbeschluss zu 1 Ob 33/19p unter Nachweis deutscher Literatur und Rechtsprechung vertretene Rechtsansicht zur Anwendung deutschen Amtshaftungsrechts bei Schädigung „unbeteiligter Dritter“ im Zuge der amtlichen Tätigkeit einer in deutscher Rechtsprechung und L ehre gefestigten Ansicht widerspräche, sodass er keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO anspricht (vgl RIS Justiz RS0042940; RS0042948; RS0113594).

[6] Entgegen der Ansicht des Klägers liegen keine sekundären Feststellungsmängel vor, wurden doch die für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen getroffen. Soweit er in diesem Zusammenhang die Feststellung begehrt, dass der Beklagte (nur) „aus Eigeninitiative“ den „Unfallhang“ hinuntergefahren sei, stehen diesem Anliegen die dazu getroffenen, abweichenden Tatsachenfeststellungen entgegen (siehe RS0043320 [T16, T18]; RS0053317 [T1]).

[7] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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