JudikaturOGH

1Ob69/21k – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. November 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu AZ 61 Nc 2/20a anhängigen Verfahrenshilfesache des Antragstellers W* K*, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 16. September 2020, GZ 5 Nc 6/20f 2, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Beschluss vom 21. April 2021, AZ 1 Ob 69/21k, wird aufgehoben.

II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu I.:

[1] Mit Beschluss des erkennenden Senats vom 21. 4. 2021 wurde der Rekurs des Antragstellers wegen Verspätung zurückgewiesen. Dabei wurde übersehen, dass der Rekurs des Rechtsmittelwerbers am letzten Tag der Frist (27. 10. 2020) dem zuständigen Organ der Justizanstalt mit dem Vermerk übergeben wurde, diesen auch an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu übermitteln. Das Rechtsmittel langte per Post am 3. 11. 2020 in der vereinigten Einlaufstelle des Oberlandesgerichts Graz und des Landesgerichts für Zivilrechtssachen ein.

[2] Nach § 89 Abs 1 GOG werden die Tage des Postlaufs nicht in die Frist eingerechnet. In den Fällen des § 14 ZustG – der Antragsteller ist Strafgefangener – ist auch die Zeit zwischen der Abgabe des Schriftstücks an das dazu berufene Organ der Justizanstalt und der dadurch aufgeschobenen Aufgabe des Schriftstücks zur Post nicht einzuberechnen. Demnach ist ein innerhalb der Rechtsmittelfrist dem Organ der Justizanstalt übergebenes Rechtsmittel grundsätzlich rechtzeitig (RIS Justiz RS0059684; Stumvoll in Fasching/Konecny 3 II/2 § 14 ZustG Rz 11; Gitschthaler in Rechberger/Klicka 5 §§ 124–126 ZPO Rz 13).

[3] Nach § 520 Abs 1 ZPO sind Rekurse bei jenem Gericht erster Instanz, dessen Beschluss angefochten wird, – hier dem Oberlandesgericht Graz, das nicht als Rechtsmittelgericht tätig wurde – einzubringen. Wird das Rechtsmittel beim unzuständigen Gericht eingebracht und erst von diesem dem zuständigen Gericht übersendet, ist die Zeit der Übersendung in die Rechtsmittelfrist „einzurechnen“ (RS0041584). Eine unrichtige Adressierung schadet allerdings dann nicht, wenn die Einlaufstelle jenes Gericht, bei dem die Eingabe einlangt, und jenes, bei dem diese hätte einlangen müssen, im Sinn des § 37 Abs 2 Geo vereinigt sind (RS0041726). Das ist vorliegend der Fall, sodass die unrichtige Adressierung des Rekurses an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz anstatt an das zuständige Oberlandesgericht Graz keine negativen Konsequenzen hat.

[4] Da sich die Annahme der Verspätung als unrichtig herausgestellt hat, ist in sinngemäßer Anwendung der §§ 430, 419 und 522 ZPO die auf eine Verspätung begründete Zurückweisung des Rechtsmittels vom Obersten Gerichtshof aufzuheben (RS0062267; vgl RS0041446).

Zu II.:

[5] Mit dem beim Bezirksgerichts Voitsberg eingebrachten, (in sinngemäßer Anwendung des § 44 JN) dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz übermittelten Antrag begehrt der Antragsteller die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Amtshaftungsklage gegen den Bund.

[6] Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz legte den Akt dem Oberlandesgericht Graz nach § 9 Abs 4 AHG vor, weil es meinte, der Antragsteller leite seine Ansprüche (auch) aus Entscheidungen dieses Landesgerichts ab.

[7] Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Oberlandesgericht Graz die Akten dem Landesgericht zurück. Rechtlich führte es aus, Anspruchsgrund des Antragstellers für die beabsichtigte Amtshaftungsklage seien nur Entscheidungen einer bestimmten Richterin des Bezirksgerichts Voitsberg. Ein Ersatzanspruch werde aus einer Entscheidung des gemäß § 9 Abs 1 AHG zuständigen Landesgerichts nicht abgeleitet. Amtshaftungsansprüche aus den Verfahren zu AZ 13 Cg 8/18m, 4 R 13/19i und 4 R 59/20f je des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz seien bereits Gegenstand einer anderen Delegierungsentscheidung gewesen. Sollte der Antragsteller „in Zukunft“ Ansprüche aus Entscheidungen von zwei nunmehr beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz ernannten früheren Richtern des Bezirksgerichts Voitsberg ableiten, wäre der Akt neuerlich vorzulegen.

[8] Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs des Antragstellers ist zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

[9] 1. Bekämpft wird eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz in Delegierungsfragen, die in Wahrnehmung erstgerichtlicher Funktion erging, sodass sie ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 ZPO bekämpfbar ist (1 Ob 33/06v; vgl RS0116349; 1 Ob 12/03a [Zulässigkeit des Rekurses gegen Ablehnung der Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG]). Einer Anrufung des Obersten Gerichtshofs steht auch nicht der Anfechtungsausschluss des § 517 ZPO entgegen.

[10] 2. Der Antragsteller hat in seinem Rekurs die Mitglieder des Erstgerichts, die an der Fassung des bekämpften Beschlusses beteiligt waren, als befangen abgelehnt. Diese Ablehnung wurde inzwischen ebenso rechtskräftig verworfen (siehe 1 Ob 70/21g) wie die Ablehnung eines Mitglieds des erkennenden Senats (2 Nc 19/21y).

[11] 3. Nach § 9 Abs 4 AHG ist ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung – auch über Verfahrenshilfeanträge zur Erhebung einer Amtshaftungsklage (RS0050123 [T1, T2, T3]; RS0053097 [T2, T5]; RS0122241) – zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch unter anderem aus der Entscheidung eines Gerichtshofs abgeleitet wird, der nach den Bestimmungen des AHG unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wäre.

[12] Der Rekurswerber vermag die Argumente des Oberlandesgerichts Graz nicht zu widerlegen, dass er nach seinen im Verfahrenshilfeantrag vom 12. 7. 2020 aufgestellten Behauptungen gerade keine Amtshaftungsansprüche aus Entscheidungen der beiden früheren Richter des Bezirksgerichts Voitsberg, die nunmehr beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz ernannt sind, ableiten will. Er hat in seinem Verfahrenshilfeantrag auch nicht zu erkennen gegeben, dass er aus Unterlassungen in einem Zivilprozess des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz oder aus Beschlüssen dieses Landesgerichts als Rechtsmittelgericht einen Amtshaftungsanspruch ableiten will. Vielmehr erklärte er nur, die Amtshaftungsansprüche auf die – nach seinen Behauptungen – „vorsätzlichen und fahrlässigen“ (fehlerhaften) Entscheidungen einer bestimmten Richterin des Bezirksgerichts Voitsberg zu stützen.

[13] Mit seinen (in Reaktion auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses) erstmals im Rekurs aufgestellten Behauptungen, er wolle Amtshaftungsansprüche nun auch aus Entscheidungen der beiden ehemaligen Richter des Bezirksgerichts Voitsberg geltend machen und Ansprüche nun auch aus verschiedenen Unterlassungen und Fehlentscheidungen von Richtern des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz ableiten, macht der Rekurswerber keine Unrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses geltend.

[14] 4. Eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz, entsprechend § 9 Abs 4 AHG ein anderes Landesgericht als zuständig zu bestimmen, bestand somit nicht, sodass die Zurückstellung der Akten an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz nicht zu beanstanden ist.

[15] Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

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